Rapid ist im leeren Stadion gefordert

13.04.2013 Fussball Bundesliga , Wien , Hanappi Stadion Rapid - Wiener Neustadt Leere Fantribuene. Copyright Agentur DIENER / Philipp Schalber Marktgasse 3-7/4/5/21 A-1090 Wien Telefax +43 1 955 32 35 Mobil +43 676 629 98 51 BA-CA Bank Nr. 12000 Account Nr. 00712 223 783 e-mail: agentur@diener.at Datenbank: www.diener.at
Kaum Interesse: Der schnellste Weg nach Europa wird von den Fans links liegen gelassen.

An Roland Kirchler ist kein Diplomat verloren gegangen. Er sagt immer, was er sich denkt, selbst dann, wenn er damit ins Fettnäpfchen tritt und sich nicht allerorts beliebt macht.

Der ÖFB-Cup, so erklärte der Trainer von Wacker Innsbruck sinngemäß vor dem Viertelfinalduell gegen Salzburg am Dienstag (20.30 Uhr, live in ORFeins), er wäre so ziemlich die unwichtigste Nebensache der Welt. „Wir brauchen dieses Spiel eigentlich nicht“, meint Kirchler, „das ist einfach die Wahrheit. Wir müssen in unserer Situation auf die Meisterschaft schauen.“ Heimspiel hin, Europacup-Chance her. „So etwas wie 1979 können wir nämlich nicht gebrauchen“, sagt Kirchler. Damals hatten die Innsbrucker den Cup gewonnen, waren aber zugleich auch abgestiegen.

Ein Westderby, obendrein in einem K.-o.-Spiel im Cup – das schreit normalerweise ja förmlich nach Spannung und Spektakel. Aber so wie Kirchler denken fast alle rund um den FC Wacker. Keine 800 Karten wurden im Vorverkauf an den Fan gebracht, das große TV-Livematch dürfte zum Geisterspiel werden.

Ortswechsel nach Hütteldorf, in das (unter normalen Umständen) österreichische Epizentrum der Fußballbegeisterung. Auch in „St. Hanappi“ ist der Cup den Fans offenbar nicht heilig. Nur 3500 Karten wurden für das Spiel gegen Pasching (18 Uhr, ATV live) verkauft, den von Red Bull hochgerüsteten Leader der Regionalliga Mitte. Dabei kostet das teuerste Ticket nur 18 Euro. Trotzdem könnten die 5000 erwarteten Zuschauer den Bestwert im Viertelfinale ergeben.

„Wir haben ein Problem, wir stagnieren bei den Zuschauern“, meint ÖFB-Generaldirektor Alfred Ludwig. Tatsächlich sinken die Zahlen sogar: Bei den 56 absolvierten Cup-Partien seit Saisonbeginn wurden nur 60.000 Zuschauer gezählt. Dass die im Cup übliche Einnahmenteilung aufgegeben werden soll, bringt die Kassiere der Heimteams angesichts dieser Zahlen auch nicht zum Jubeln. Der schnellste Weg nach Europa (sechs Siege reichen) wirkt bei einem Schnitt von knapp über 1000 Fans wie ein Cup der Hoffnungslosigkeit. Passend dazu meint Pasching-Trainer Gerald Baumgartner vor der Chance auf eine Sensation: „Die Meisterschaft ist für uns wichtiger.“

Rapid-Trainer Peter Schöttel erinnert sich: „Mit Wiener Neustadt haben wir einmal beim FC Lustenau im Februar vor 45 Zuschauern gespielt. Und früher war es auch nicht besser. Dieser Bewerb wird nicht so angenommen wie in vielen anderen Ländern.“ Auch hier ist das Nachbarland Schweiz Österreich voraus (siehe rechts).

Mit dem B-Team

Dass drei Viertelfinalspiele live im Free-TV zu sehen sind, hebt zwar den Werbewert für Sponsor Samsung, ist beim Anblick der leeren Stadien aber auch keine echte Werbung. In Innsbruck schickt Kirchler nicht einmal sein Einser-Team auf das Feld. Er hat zwar Salzburg vor Augen, aber im Kopf dreht sich alles nur um das Liga-Heimspiel am Samstag gegen Ried. Goalie Safar wird ebenso fehlen wie Wallner, Schütz und andere Leistungsträger.

Schöttel kann in der weiterhin angespannten Lage bei Rapid zwar niemanden schonen, überlegt aber, welche der angeschlagenen Spieler erst wieder im Derby am Sonntag einlaufen sollten.

Und wenn gar niemand mehr im Cup einlaufen würde? In der EURO-Saison 2007/’08 wurde nur ein Cup für Amateurteams ausgetragen. Die Trauer darüber hielt sich in Grenzen.

Vor 140 Jahren gab es noch keine einzige Fußball-Liga, ein Cup-Bewerb wurde aber bereits ausgetragen. Der 1871/’72 in England erstmals ausgetragene Football Association Challenge Cup ist der älteste Fußballbewerb der Welt. Der FA-Cup, an dem diese Saison 758 Vereine teilnahmen, hat nichts von seiner Faszination eingebüßt. Am Sonntag sahen 85.621 Zuschauer im Wembley Stadium einen 2:1-Semifinalerfolg von Manchester City gegen Chelsea. Am Tag davor füllten beim Underdog-Duell Wigan – Millwall (2:0) immerhin 62.335 Fans das riesige Oval im Nordwesten von London.

Der FA-Cup ist das Vorbild aller Cup-Bewerbe. Aber nicht alle sind so erfolgreich wie das Original. In Deutschland etwa war der DFB-Pokal lange ein Stiefkind. Erst als mit dem Berliner Olympiastadion ein fixer Finalort gefunden wurde, etablierte sich der Bewerb. Der DFB hat dazu auch Millionen in Marketing und Prämien investiert, um den Pokal attraktiver zu machen. Dortmund erhielt für den Cupsieg 2012 etwa sechs Millionen Euro.

In Italien dauerte es noch länger, bis sich der Bewerb etablierte: Die Coppa Italia lockte nur wenige Fans an. Erst durch eine Reform 2007 wird der Bewerb besser angenommen. Seitdem spielen nur noch die 42 Teams der Serie A und der Serie B mit, und das Finale wird nicht in Hin- und Rückspiel, sondern fix in Rom ausgetragen.

7500 Starter

In Frankreich hatte die Coupe de France hingegen immer einen extrem hohen Stellenwert – auch weil über 7500 Vereine mitspielen dürfen. Immer wieder schaffen es Klubs aus der 7. oder 8. Liga, extrem weit im Bewerb vorzustoßen, sie sorgen für eine landesweite Euphorie.

In der Schweiz ist das Cupfinale, das zuletzt abwechselnd in Basel und Bern stattfand, schon immer ein Volksfest. Zuschauerzahlen von 30.000 sind die Regel.

Ganz anders schaut es in der Slowakei aus: Dort tingelt das Cup-Finale durch die Provinz. Das Endspiel 2012 zwischen Zilina und Senica (3:2 n. V.) sahen nur 2600 Zuschauer. Übrigens: Das Finalstadion in Bardejov bietet 2612 Besuchern Platz.

Dienstag, 18 Uhr, live ATV:

RapidPasching (Regionalliga Mitte; SR Kollegger).

Dienstag, 20.30 Uhr, live ORFeins: InnsbruckSalzburg (SR Harkam)

Mittwoch, 19 Uhr:

WAC – Austria (SR Hameter).

Mittwoch, 20.20 Uhr, live ORF Sport+: Ried – LASK (Regionalliga Mitte; SR Krassnitzer)

Sonntag, 18 Uhr, live in "Sport am Sonntag", ORF eins: Auslosung der Semifinal-Paarungen.

Dienstag/Mittwoch, 7./8. Mai: Semifinale.Donnerstag, 30. Mai: Finale (im Ernst-Happel-Stadion).

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