Superwoman und der Duracell-Hase

Meine Freundin B. kann dem Konzept Public Viewing wenig abgewinnen. Fußballschauen ja, gemeinsam okay, aber mit einer Horde fremder Menschen? – Ist einfach nicht ihre Sache. Mag sie nicht, braucht sie nicht.

Das könnte damit zusammenhängen, dass B. sich generell nicht gerne drängt oder anstellt. Warten ist ihr Kryptonit, pflegt sie schließlich nicht ohne Grund zu sagen. Das ist demjenigen, der vor Superwoman in der Bier- oder Kloschlange steht, aber leider meistens egal.

Und dennoch hat sich B. letzte Woche aus ihrer stylishen, neuen Wohnung bewegt. Aus sozialen Gründen, nicht wegen eines Sinneswandels.

Das Viertelfinale zwischen Deutschland und Griechenland sollte das angespannte Verhältnis zum kollektiven EM-Vergnügen allerdings nicht verbessern. Im Gegenteil. Am Nebentisch hatten sich nämlich die vier "Antichristen des zivilisierten Fußball-Fans" versammelt, wie B. sie nannte:

Die Übermotivierte

Leicht zu erkennen am Sommermärchen-Gedächtnisoutfit in Schwarz-Rot-Gold inklusive grasgrünem Gürtel in Rasen-Optik auf dem von Basti bis Poldi alle Spielernamen eingestickt waren. Sobald Deutschland am Ball war, blies die verhaltensauffällige Mitt-Zwanzigerin mit ihrem Fußball-Pfeiferl zum Angriff und klatschte wild in die Hände. Unermüdlich, wie ein fleißiges Duracell-Haserl.

Die Untermotivierte

Gelangweilt, seufzte die 90. Spielminute herbei, hatte sich den Abend ganz anders vorgestellt. "Mit weniger Fußball und mehr sozial".

Der Besserwisser

Weiß alles, sieht alles, kennt jeden. Musste sein vernichtendes Expertenurteil über Löws Überraschungsaufstellung allerdings nach dem 4:2-Sieg zähneknirschend revidieren.

Der Unruhestifter

Holt ständig Bier, steht dabei vor der Leinwand herum, drängt sich durch und steigt jedem Nachbarn zumindest ein Mal auf die Zehen.

Auch B., die ich wohl nicht zu fragen brauche, ob sie mit mir heute zum Public Viewing geht. Oder?

Christina Leitner ist Redakteurin im KURIER-Sportressort.