Stöger: Die Gratwanderung

Peter Stöger
Durchblick: Die Trainer Löw und Prandelli haben bisher alles richtig gemacht. Das ändert sich heute.

Deutschland gegen Italien ist auch ein Duell der Trainer, die bisher im Turnier alles richtig gemacht haben. Joachim Löw hat trotz der Kritik an Stürmer und Torschütze Mario Gomez festgehalten. Als die Kritiker verstummten, tauschte er Gomez gegen Klose und hatte abermals recht. Cesare Prandelli wiederum wechselte in den Spielen das System, einmal mit Viererkette in der Abwehr, dann doch nur eine Dreierkette. Einmal mit De Rossi als Abwehrchef, dann mit De Rossi als kongenialem Partner von Pirlo im Mittelfeld. Riskante Entscheidungen, die – auch Dank des nötigen Glücks – nicht ins Auge gingen.

Während eines Turniers werden Trainer immer wieder vor neue, schwierige Situationen gestellt. Die Kunst dabei ist, immer das Beste für das Team aus der aktuellen Lage zu machen. Das ist nicht selten auch eine Gratwanderung. Bleibt der Erfolg aus, sind einem Schimpf und Schande sicher.

Vorteile

Die Deutschen stehen eigentlich wie erwartet im Halbfinale der EURO, für die Italiener gilt das nicht so. Ich habe ihnen die K.-o.-Phase nicht zugetraut. Vor allem nicht diese Spielweise.

Für Deutschland spricht die von mir höher eingeschätzte Qualität der Mannschaft mit mehr personellen und taktischen Varianten. Der Kader ist gut bestückt. Wenn man in der Lage ist, alle Torschützen der Vorrunde auf die Bank zu setzen und dennoch souverän gegen die Griechen zu gewinnen, dann ist das ein Luxus. Diese Ausgeglichenheit haben die Italiener sicher nicht, am ehesten noch im Offensivbereich mit Cassano, Balotelli und Di Natale.

Ein Vorteil für Deutschland ist freilich die längere Erholungsphase, einige der Stammkräfte haben sogar fast zehn Tage keine hohe Belastung gehabt. Sollten sie zum Einsatz kommen, bringen sie automatisch mehr Frische mit.

Für die Italiener spricht wiederum, dass sie überraschend im Halbfinale stehen und als kompakte, nach vorne orientierte Mannschaft auftreten. Die Art und Weise des Aufstiegs gegen England kann als psychologische Komponente auch ein kleiner Pluspunkt sein.

Statistik

Und dann gibt es noch die Statistik, dass Italien noch kein Turnierspiel gegen Deutschland verloren hat. Ich denke nicht, dass dieses Wissen etwas ausmacht. Denn Spanien hat diese negative Serie gegen Frankreich auch beendet. Und die Engländer haben auch nicht wegen der Statistik das Elfmeterschießen gegen Italien verloren. Vielmehr liegt es immer bei den handelnden Personen, und die ändern sich doch immer wieder. Daher glaube ich in diesem Punkt eher an Zufall und denke nicht, dass die Statistik den Ausschlag geben wird.

Neugierig bin ich auf die Aufstellung von Joachim Löw. Auch im Austria-Trainingslager in Velden verfolge ich die Deutschen sehr genau, und dennoch kann ich die Startelf beim besten Willen nicht abschätzen. Auch die Personalwechsel gegen die Griechen haben mich überrascht.

Vielleicht verändert Löw die Formation wieder, da die Italiener anders agieren als die Griechen. Vielleicht setzt er auf die Routine von Müller und Podolski. Natürlich kann man argumentieren, Lazio-Legionär Klose kennt die italienischen Verteidiger besser als Gomez. Umgekehrt kennen die Verteidiger auch Klose besser. Man kann es eben drehen und wenden, wie man will. Einer der zwei Trainer wird diesmal nicht alles richtig machen.

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