SC Freiburg, oder: Die Fußball-Sensation, die längst keine mehr ist
Eigentlich ist alles wie immer in der deutschen Fußball-Bundesliga. Ganz oben der FC Bayern, der wohl auch zum elften Mal in Folge wieder als Meister die Saison beenden wird. Doch der Tabellenzweite lässt dann doch etwas staunen: 30 Punkte haben die Schwarzwälder vom SC Freiburg in den ersten 15 Runden gesammelt; in der Europa League haben sie Gruppe G ungeschlagen gegen Nantes, Qarabag Agdam und Olympiakos gewonnen; im DFB-Pokal steht der Finalist der vergangenen Saison im Achtelfinale.
Nun könnten sie in Europhorie verfallen in Freiburg, aber das passt so gar nicht zum nüchternen Naturell der Südbadener. „Wir müssen aufpassen, dass das nicht als normal angesehen wird“, sagt also Christian Streich, und der längstdienende Bundesliga-Trainer (seit Dezember 2011 im Amt) steht für jene Bodenhaftung, die sich der Verein in 23 Saisonen im Oberhaus zu eigen gemacht hat. Trotz aller Erfolge.
Das autarke Stadion
Und doch hat sich einiges verändert. Der Umzug aus dem altehrwürdigen Dreisamstadion in die neue Arena mit ihren 34.700 Plätzen eröffnet dem SC Freiburg seit Oktober 2021 neue Möglichkeiten. Dank der 15.000 Quadratmeter großen Photovoltaikanlage auf dem Dach ist das Europa-Park-Stadion autark, und inzwischen ist der Klub auch in der Lage, Spieler zu halten und nicht wie so oft die Besten an die Konkurrenz zu verlieren.
Das Dreisamstadion wird unterdessen weitergenutzt: für die viertplatzierten Bundesliga-Frauen, bei denen die 21-jährige ÖFB-Teamspielerin Lisa Kolb soeben ihren Vertrag verlängert hat. Und für das U-23-Team, das derzeit in der dritten Liga an vierter Stelle steht.
Badische Kontinuität
Entwicklung nach Maß
Achter, Zehnter und Sechster waren die Freiburger in den vergangenen drei Saisonen, und sie können sich auch Einkäufe wie den Japaner Ritsu Doan von PSV Eindhoven leisten. „Die Entwicklung war kein Zufall“, sagt Matthias Ginter.
Und der deutsche Teamverteidiger steht auch für dieses Spezielle: Nach Auslaufen seines Vertrages in Mönchengladbach im vergangenen Sommer entschied sich der seit Mittwoch 29-Jährige für die Rückkehr in seine Heimat und gegen millionenschwere Angebote von Großklubs.
Wechsel im zweiten Anlauf
In dieses Schema passt auch Michael Gregoritsch. Im Sommer 2017 hatte der österreichische Teamstürmer ein Angebot aus Freiburg vorliegen – und sich dagegen entschieden. Er habe sich nicht reif gefühlt, stattdessen wechselte er nach Augsburg.
„Und vor etwas mehr als einem Jahr war es dann für mich eigentlich vorbei. Ich habe eineinhalb Jahre sehr unregelmäßig gespielt, sodass eine Rückkehr nach Österreich anstand“, sagte der 28-Jährige der Badischen Zeitung. „Dann habe ich aber begonnen, einiges anzupassen an meiner Spielweise, am Drumherum. Und plötzlich war ich drin im Team und es lief. Davor hatte ich ehrlicherweise Monate, in denen ich im Training insgesamt 30 Meter gesprintet bin.“
Steirischer Goalgetter
Im Sommer 2022 fühlte sich Gregoritsch bereit für den Wechsel in den Breisgau. Sechs Bundesliga-Tore hat er seither für den SC erzielt, und so soll es weitergehen. An diesem Samstag in Wolfsburg (15.30 Uhr/live Sky) könnte der Niederösterreicher Philipp Lienhart nach muskulären Problemen zurückkehren, der schon seit 2017 für die Breisgauer verteidigt.
Und fast scheint es, als würden sich die Bayern angesichts ihres ersten Verfolgers ein wenig sorgen. Trainer Julian Nagelsmann streute den Freiburgern zuletzt jedenfalls verdächtig viele Rosen: „Christian Streich hat ja schon gesagt, dass sie auf keinen Fall auf Platz zwei bleiben. Das heißt, er will auf Platz eins oder drei. Er arbeitet viel mit Understatement. Aber ich kann mir vorstellen, dass er Bock hat, auf Rang eins zu kommen.“
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