Salzburgs Bilanz in Neapel: Starke Altstars, schwacher Jungstar

Champions League - Group E - Napoli v FC Salzburg
Nach dem vierten Gruppenspiel in der Champions League: Was fiel positiv auf, was negativ? Die Plus-Minus-Wertung ...

Nach zwei Niederlagen in Liverpool (3:4) und zu Hause gegen Napoli (2:3) kam Salzburg zum ersten Remis in der Champions League in der Ära Red Bull. Erling Braut Haaland brachte die Gäste aus einem Foulelfmeter schon in Minute 11 mit 1:0 in Führung. Napoli glich kurz vor Ende einer spektakulären ersten Halbzeit durch Herving Lozano (44.) aus.

Was bedeutet das 1:1 für Salzburg? Die KURIER-Plus-Minus-Wertung zu einem Spiel, das in den zweiten 45 Minuten nicht mehr ganz so prickelnd war ...

+ Ausgangslage Europa League: Weil Genk im Parallelspiel in Liverpool keine Sensation gelang (Belgiens Meister bezog mit einem 1:2 die dritte Niederlage im vierten Gruppenspiel), stehen die Chancen der Salzburger auf Platz 3 mittlerweile ausgezeichnet. Dieser berechtigt ja im Frühjahr zur Teilnahme am Sechzehntelfinale der Europa League. Mit einem Remis im direkten Duell in drei Wochen in Belgien wäre der dritte Platz bereits fix. Salzburg könnte sich sogar eine Niederlage mit zumindest bis zu drei Toren Differenz leisten, denn dann würde das direkte Duell nach dem 6:2 in Salzburg immer noch für Red Bull sprechen. Nur wenn Genk dann im sechsten Gruppenspiel in Neapel mehr Punkte holt als Salzburg im Parallelspiel gegen Liverpool, würde der belgische Meister den österreichischen Meister noch überholen.

- Ausgangslage Champions League: Salzburg hat den Aufstieg ins Achtelfinale nach vier Gruppenspielen nicht mehr in der eigenen Hand. Die Chance auf einen der beiden Plätze in Gruppe E ist nur mehr von theoretischer Natur. Nur wenn die beiden noch folgenden Partien in Genk und gegen Liverpool gewonnen werden, darf gerechnet werden. Dann könnte es zum Beispiel mit dem Aufstieg klappen, wenn entweder Napoli in Liverpool und zu Hause gegen Genk insgesamt nur einen Punkt macht oder wenn Liverpool davor auch zu Hause gegen Napoli verliert. In diesem beiden Fällen wäre Salzburg mit zehn Punkten fix weiter.

+ Salzburger Altstars: 11,59 Kilometer ist Zlatko Junuzovic in den knapp 97 Spielminuten im Stadio San Paolo gelaufen - und damit mehr als jeder andere Spieler. Das Programm, das der ehemalige Teamspieler am Dienstag auf der Sechserposition abspulte, war bemerkenswert und vorbildlich für alle anderen Spieler. Auch Andreas Ulmer zeigte in seinem 100. Europacup-Spiel (99 für Salzburg, 1 für die Austria), dass er noch immer nicht zum alten Eisen gehört. Zwar agierte der Linksverteidiger nicht ganz fehlerfrei, aber die Leistung war trotzdem in Ordnung.

- Salzburger Jungstar: Zwar hat Erling Braut Haaland auch in Neapel bewiesen, dass er vom Elfmeterpunkt eiskalt ist (er erzielte so sein siebentes Tor in vier CL-Spielen), aber sonst war seine Vorstellung in Neapel eine Enttäuschung. Der 19-Jährige kam überhaupt nicht ins Spiel, wirkte phasenweise wie ein Fremdkörper und konnte sich gegen die (zugegeben starken) Innenverteidiger von Napoli nicht wirklich durchsetzen. Was sich schon nach seiner Einwechslung am Samstag in Mattersburg angedeutet hatte, zeigte auch das Spiel gegen Napoli. Ganz so spurlos, wie man in Salzburg tut, dürfte die mediale Hysterie am 19-Jährigen nicht vorüber gehen, wobei man natürlich auch anmerken muss: Haaland ist noch extrem jung, da sind Leistungsschwankungen normal. Dazu trifft er in der Champions League auf die besten Verteidiger der Welt.

+ Taktische Flexibilität: Das sogenannte In-Game-Coaching von Salzburg-Trainer Jesse Marsch, also das Eingreifen von der Trainerbank während eines Spiels, ist schon bemerkenswert. Das unterscheidet ihn auch von seinem Vorgänger Marco Rose, der taktisch kaum einmal während eines Spiels eingriff. In Neapel veränderte der US-Amerikaner die Grundordnung mehrmals, verschob die Positionen der Spieler auf dem Rasen wie Figuren auf einem Schachbrett. Seine Änderungen wirkten sich auch positiv aus - zumindest in der Defensive. Die Salzburger ließen in der zweiten Hälfte nach der Rückkehr zur Viererkette weit weniger Chancen des Gegners vor als noch in der ersten Hälfte.

- Taktische Unordnung: Es wäre vielleicht nicht ganz so schlecht, wenn der Salzburger Trainer wieder einmal auch in einem Champions-League-Spiel seine Mannschaft in einer Grundordnung in ein Spiel schicken würde, die für eine Balance zwischen Offensive und Defensive sorgt. Die ersten gut 30 Minuten in Neapel waren für die Zuschauer ohne Frage attraktiv, aber dass der Gegner bis zur Pause 18 Torannäherungen hatte, zeigt, dass die neuformierte Dreierkette überfordert war, weil sie oft von ihren Kollegen in Stich gelassen wurde. Erst als Marsch während der ersten Hälfte auf zwei Sechser umstellte, wurde es besser. Noch besser klappte das 4-4-2 mit Raute nach dem Wechsel. Da stand Salzburg dann defensiv über weite Strecken wirklich gut und blieb erstmals in der Champions League in zumindest einer Spielhälfte ohne Gegentor.

+ Jesse Marsch: Der mediale Auftritt des US-Amerikaners war auch in Neapel eine Werbung für Red Bull Salzburg und auch für die österreichische Bundesliga. Sowohl in der Pressekonferenz am Tag vor dem Spiel als auch in jener nach dem Spiel bewantwortete der US-Amerikaner die nicht unkomplizierten und sich oft wiederholenden Fragen der italienischen Sportjournalisten ausführlich. Dabei blieb er immer freundlich und macht den Eindruck, dass ihm auch dieser Teil seiner Arbeit Freude bereiten würde. Er war sich auch nicht zu schade zu dolmetschen, als ihm eine Frage auf Englisch gestellt worden war.

- Carlo Ancelotti: Was sich hingegen der Napoli-Starcoach nach dem 1:1 gegen Salzburg geleistet hat, war eines Trainers seiner Reputation nicht würdig. Die obligatorische und verpflichtende Pressekonferenz unentschuldigt zu schwänzen, ist ein Affront gegenüber der Öffentlichkeit. Die Aufregung unter den italienischen Sportjournalisten im Pressekonferenz-Raum war auch dementsprechend groß. Für den 60-Jährigen wird es wohl auch Konsequenzen durch die UEFA geben. Der Champions-League-Veranstalter ist ziemlich nachtragend, wenn seine Vorgaben nicht umgesetzt werden.

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