Roger Spry: "Ich würde auch Messi besser machen"
Weißer Rauschebart, hellwache Augen: Wenn Roger Spry über sein Leben redet, dann spricht aus ihm die pure Leidenschaft. Der 65-jährige Fitness-Guru des ÖFB ist topfit und agil – und voller Vorfreude auf die EURO.
KURIER: Seit zehn Jahren arbeiten Sie für den ÖFB. Interviews geben Sie aber immer noch lieber auf Englisch.
Roger Spry: Weil ich mich so in den Details besser ausdrücken kann. Ich verstehe aber zu 80 Prozent, was auf Deutsch rund um mich herum gesprochen wird. Also passen Sie auf, was Sie sagen (lacht). Ich spreche fließend Portugiesisch, auch gut Spanisch und Englisch. Das Problem mit Deutsch ist, dass hier in Österreich die Leute auch gut Englisch sprechen. Daher habe ich nicht genügend Kontinuität. In Portugal komme ich mit Englisch nicht weit.
2011 sagten Sie, dass das Nationalteam aus jungen, hungrigen Spielern besteht, jedoch die Erfahrung fehle. Wie sieht es fünf Jahre später aus?
Ganz anders. Die Spieler haben viel Erfahrung gemacht, die meisten von ihnen spielen in Top-Ligen. Wie viele Österreicher haben vor einigen Jahren in England gespielt? Nur Scharner und Pogatetz. Die aktuellen Spieler haben immer noch diesen Hunger, aber dazu diese Erfahrung.
Ist das die beste Mannschaft, seit Sie für den ÖFB arbeiten?
Ohne Zweifel. Dieser Zusammenhalt ist sensationell. Jeder ist nicht nur für sich allein verantwortlich, sondern auch für seine Kollegen. Vor vielen Jahren war noch eine gewisse Gruppenbildung zu erkennen. Da saßen manche am einen Tisch, die anderen woanders. Das ist jetzt ganz anders. Diese Einheit ist nicht künstlich, sie ist gewachsen.
Wie weit ist der Prozess dieses Teams fortgeschritten?
Er hat erst begonnen und ist noch lange nicht zu Ende. Die Qualifikation war der erste Schritt. Aber nun folgt schon mit der EURO der nächste. Österreich sollte sich für jedes große Turnier qualifizieren, immer dabei sein, nicht alle 20 Jahre. Du musst immer einen Schritt weitergehen, die letzte Stufe ist, irgendwann einmal etwas zu gewinnen. Als ich bei Porto war, haben wir das dritte Mal in Folge die Liga gewonnen. Der Präsident stand während der Feiern neben mir und sagte: ,Und was machen wir nächste Saison?‘
Was erwarten Sie von der EURO?
Wir brauchen uns vor nichts und niemandem zu fürchten. Europameisterschaften sorgten in der Vergangenheit für Sensationen. Dänemark 1992 oder Griechenland 2004. Aber die noch größere Herausforderung sollte für unsere Mannschaft eine WM sein. Die steht noch eine Stufe über einer EM.
Vergleichen Sie doch bitte 2008 und 2016.
Ich will nicht vergleichen. 2008 waren wir definitiv das fitteste Team und sehr organisiert. Wir hätten gegen Kroatien und Polen gewinnen können. Hätten, wenn wir die Chancen verwertet hätten. Jetzt haben wir in der Qualifikation Schweden und Russland geschlagen. Wir haben es getan – das ist der Unterschied. Die Spieler wissen nun, dass sie das können: auch auswärts gewinnen.
Was hat sich in Ihrer Arbeit mit dem Team geändert?
Wir arbeiten nun viel mehr im Kollektiv, weil die Spieler weiter sind. Technisch, taktisch. Da geht es weniger um den Einzelnen, vielmehr um die Teamarbeit. Als ich zum ÖFB kam, hat sich das Team bei Ballverlust sofort in die Defensive zurückgezogen. Alexander Manninger und Martin Stranzl haben mir gesagt, das wäre für sie ein Albtraum. Was machen wir jetzt? Bei Ballverlust setzen wir den Gegner gleich unter Druck, es wird mehr miteinander gearbeitet. Wir orientieren uns viel mehr nach vorne als nach hinten, was zur Folge hat, dass wir es bei Ballgewinn nicht mehr so weit zum gegnerischen Tor haben. Brasiliens ehemaliger Teamchef Telly Santana hat einmal gesagt: Verteidige so weit weg wie möglich von deinem eigenen Tor. Es klingt so einfach!
Aber es gibt schon noch Raum, um sich zu verbessern?
Natürlich! Würde ich Lionel Messi trainieren, würde ich auch ihn um zehn Prozent besser machen. Weil sich jeder Spieler verbessern kann, auch der beste. Da geht es nicht um meine Person, sondern darum, dass man sich immer weiterentwickeln kann. Wenn man manches annimmt.
Worin kann sich das Team am ehesten verbessern?
Im Toreschießen. Marc Janko hatte in den letzten Jahren eine tolle Quote. Aber wir brauchen mehr Spieler, die regelmäßig treffen, aus verschiedenen Positionen.
Man nennt Sie Conditioning Coach. Hierzulande versteht man darunter Fitness-Trainer.
Das ist doch nur ein Wort. Ich bin kein Fitness-Trainer. Fitness ist nur ein Teil von allem. Ich biete das gesamte Paket, damit ein Spieler unter den besten Konditionen in ein Match geht. Auch Taktik ist nur ein Begriff. Bei José Mourinho klingt das ganz simpel: Haben wir den Ball, machen wir das Spielfeld groß. Verlieren wir den Ball, dann machen wir es für den Gegner so klein wie möglich. Ist doch ganz einfach, oder?
Reden Sie bei personellen Entscheidungen mit?
Das ist eine Pyramide. Ganz oben steht Teamchef Marcel Koller, der letztlich entscheidet.
Welcher Spieler hat Sie am meisten bei der Zusammenarbeit beeindruckt?
Luis Figo. Ein sensationeller Spieler und ein wunderbarer Mensch. Er ist einfach ein super Typ.
Wann wäre Ihre Mission beim ÖFB beendet?
Ganz einfach: Dann, wenn man mich nicht mehr braucht.
Der Engländer Roger Spry (65) arbeitet seit 2006 für den ÖFB. Als Conditioning Coach verfolgt er nicht den herkömmlichen Ansatz von purem Konditionstraining, sondern er hat die individuelle Flexibilität der Spieler im Fokus. Er arbeitet viel mit Rhythmus und Tanz-Elementen wie Capoeira. Spry war in England, Portugal und Griechenland tätig, so mit Trainer-Legenden wie José Mourinho und Arsène Wenger.
Am meisten prägte ihn Coach Malcolm Allison.
Spry spielte als Musik-Profi in einer Band Gitarre, ist mit den Band-Mitgliedern von Led Zeppelin und Black Sabbath befreundet und verfügt über eine ansehnliche Gitarren-Sammlung.
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