Es war der Sommer 2012, der in Salzburg alles ändern sollte. Mit Ralf Rangnick kam ein neuer Sportdirektor, der dem Klub eine neue Philosophie einimpfen und damit den Grundstein zur bis heute andauernden Erfolgsgeschichte legen sollte. Umsetzen sollte den aggressiven Fußball mit hohem Pressing ein unbekannter Westfale. Um eine Million Euro wurde Roger Schmidt vom Zweitligisten Paderborn geholt.
Los ging es mit der Mutter aller Blamagen gegen Düdelingen, es folgte eine Saison ohne Titel. „Er hat ein Jahr gebraucht, im zweiten war dann alles noch viel extremer“, erinnert sich Florian Klein. Der ehemalige ÖFB-Teamspieler kickte zwei Jahre unter Schmidt für Salzburg, holte in der zweiten Saison Meister- und Cup-Titel. Stefan Maierhofer stürmte nur ein halbes Jahr unter Schmidt, sieht das aber ähnlich: „Am Anfang hat wohl noch mehr Ralf Rangnick gesagt, wo es langgeht. Aber Roger Schmidt ist mit der Zeit da hineingewachsen.“
Vom Fußball besessen
Was ist Roger Schmidt eigentlich für ein Typ? „Ein Wahnsinnstyp“, erzählt Klein, „er ist vom Fußball besessen und kann nicht verlieren.“
Seine impulsive Art sollte Schmidt bei seiner nächsten Station zum Verhängnis werden. Nach zwei Jahren in Salzburg ging er nach Leverkusen. Dort lernte ihn auch sein heutiger Gegner, Gerhard Struber, kennen: „Ich habe bei ihm hospitiert und erlebt, wie er sehr strukturiert, zugleich auch sehr emotional seine Mannschaften führt und in allen Spielphasen besser macht. In Salzburg war er eine Art Geburtshelfer.“
Warum er in seiner Heimat gescheitert ist? Klein: „Er hat dort super Arbeit geleistet, hat sich aber auch mit den Medien angelegt.“ Es folgte die Flucht nach China. „Er wollte weg aus Deutschland und das Geld hat auch eine Rolle gespielt“, weiß Klein. „China war so wie jetzt Saudi-Arabien“, nickt Maierhofer, „aber es spricht für ihn, dass er wieder zurückwollte.“ Schmidt kehrte nach zwei Jahren bei Beijing Guoan dem Reich der Mitte den Rücken.
Seine einstigen Schützlinge sind sich einig: China war eine Reise wert und „gut für seine Entwicklung. Er hat dort viel probieren können, ohne dass gleich die Medien da waren wie in Deutschland“, glaubt Maierhofer. „Er hat gesehen, dass man diesen aktiven Stil dort nicht über 90 Minuten bringen kann. Da musste er sich etwas überlegen“, wird Klein konkreter. Dass er ruhiger geworden ist, glaubt er nicht: „Er lebt davon, seine impulsive Art auf die Mannschaft zu übertragen.“
Die Rückkehr
Über Eindhoven (Cup-Sieg) kam er 2022 zu Benfica, wo sich der Erfolg sofort einstellen sollte. Obwohl er dort ein unbeschriebenes Blatt war. „Ich kannte ihn nicht“, gab etwa Routinier Nicolas Otamendi zu. Klein betont: „Mir war klar, dass er bei Benfica funktioniert, dort hat er super Spieler, die zu seinem Stil passen, die Vollgas gehen können.“
Aber wie viel Roger Schmidt steckt noch in Salzburg? „Das Grundgerüst mit dem aktiven Spiel ist geblieben. Aber natürlich hat dann jeder Trainer ein bisschen adaptiert“, analysiert Klein.
Schmidt hat es trotz – oder wegen – des Scheiterns in seiner Heimat und der Flucht nach China in Europa ganz hinauf geschafft. Bei Benfica traut man ihm sogar zu, den Béla-Guttmann-Fluch zu beenden. Der Ungar hatte Benfica zweimal in Folge zum Titel im Europacup der Landesmeister geführt, nach seinem Rauswurf prophezeite er 1962, der Klub werde „in Europa 100 Jahre keine Titel mehr gewinnen“.
Längst ist man auch in Deutschland wieder auf den verlorenen Sohn aufmerksam geworden, auch Schmidt war als Nachfolger von Hansi Flick als Bundestrainer im Gespräch. Er ließ ausrichten: „Ich bin komplett fokussiert aufs Hier und Jetzt.“ Der Erfolg gibt ihm recht.
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