Stöger: "Ich bin stolz auf meine Titel mit der Austria und Rapid"

Peter Stöger spielte mit und gegen Manfred Schmid (re.)
Auf Peter Stöger wartet das erste Derby als Rapid-Trainer. Im Interview spricht der frühere Austrianer über Fans, seine Seitenwechsel und Glauben.

Das 347. Wiener Derby vor vollem Haus in Hütteldorf (17 Uhr, Sky, ORF1 live) wird für Peter Stöger ein ganz besonderes. Nach Meistertiteln als Spieler und Trainer für die Austria sowie als Rapidler 1996 will der 59-Jährige auch als Trainer der Grünen Titel.

KURIER: Rapid wird das Derby gewinnen, weil ...

Peter Stöger: ... das weiß niemand, deshalb kann ich in Wahrheit den Satz nicht vervollständigen. Aber wenn wir gewinnen sollten, dann deshalb, weil wir ein richtig spannendes Team haben.

Rapid-Trainer Peter Stöger.

Rapid-Trainer Peter Stöger

Sie kennen aus nächster Nähe auch die Derbys Dortmund – Schalke und Köln gegen Düsseldorf sowie Gladbach. Wo reiht sich da das Wiener Derby ein?

Ganz oben. Die deutschen Derbys betreffen jeweils zwei Städte. Rapid und Austria sind mittendrin in einer Stadt. Jeder, der sich für Fußball interessiert, trifft in Wien aufs Derby. Vom Supermarkt-Kassier bis zur Greißlerin.

Spiel eins gegen die Austria endete mit der Vienna 1987 mit 0:7. Ihre Rapid-Bilanz mit fünf Siegen in neun Derbys ist stark. Ist Ihnen eines stärker in Erinnerung?

Eigentlich nicht. Ich kann mich gerade noch erinnern, dass ich gegen die Austria einmal getroffen habe.

Es waren sogar zwei Tore. Haben Sie die meisten Ihrer vielen Spiele vergessen?

Es ist so, dass ich wenig in der Vergangenheit lebe. Und wer mich besucht, würde auch nicht glauben, dass ich im Fußball erfolgreich war – es ist dazu nichts zu sehen. Die meisten Trikots habe ich schnell verschenkt.

Warum?

Weil ich gedacht habe, dass ich die besonderen Erinnerungen ohnehin im Kopf behalte. Das ist offensichtlich nicht so (lacht).

Wie sind Ihre Austria-Freunde mit Ihnen beim ersten Derby für Rapid umgegangen? Gab es da Rempler abseits des Schiedsrichters?

Nein, es war nicht so böse. Aber ich wurde oft von Manni Schmid getroffen, oder Rachimov. Und mit der Austria war der Gegner oft Didi Kühbauer. Nichts davon war lustig.

Austria - Rapid

Sind Ihnen Fan-Schmähungen wie „Judas“-Rufe jemals nahe gegangen?

Ich wurde von beiden Seiten beschimpft, ebenso wie bejubelt. Du bewirbst dich nicht für Schmähgesänge, aber du musst es akzeptieren. Außerdem habe ich mir zumindest eingeredet, dass die Fans umso mehr Respekt haben, umso mehr Stimmung sie gegen mich machen. Die Nr. 14 oder 15 im Kader wird bei den Fans nichts auslösen.

Ex-Mitspieler wie Ogris oder Kühbauer sind nicht vorstellbar beim Erzrivalen. Warum geht sich das bei Ihnen so aus – wie sonst nur noch bei Josef Hickersberger?

Vielleicht weil ich keine extremen Sprüche loslasse und nicht so polarisiere. Ich sehe es als unglaubliches Glück, dass ich das machen kann, was ich tue. Ich wollte immer gewinnen, aber bei aller Wertigkeit – es ist nur Fußball, und das nehme nicht ich mit zu privaten Terminen.

Wie meinen Sie das?

Ich kenne die schlaflosen Nächte, aber das hat nichts mit Niederlagen zu tun. Das passiert auch nach Siegen, wenn mich etwas beschäftigt und das Adrenalin wirkt. Aber wenn ich nach Spielen einen privaten Termin habe, hat das Ergebnis keine Auswirkung, wie ich drauf bin.

Josef Hickersberger hat als einziger für beide Vereine als Spieler wie Trainer Titel geholt. Ist er ein Vorbild?

Das wäre cool! Wenn ich auch als Rapid-Trainer einen Titel hole, lass’ ich mich gerne mit Hicke messen. Auch wenn es Rapid- wie auch Austria-Fans nicht verstehen werden: Ich bin wirklich sehr stolz meine Titel mit der Austria und Rapid - dass ich das mit beiden geschafft habe. Das ist mein Leben. Ich verstehe aber auch, dass das nicht alle verstehen können.

Unglaubliche 37 Jahre begleiten Derbys Ihr Leben. Ist eine Derby-Woche dennoch etwas Besonderes für Sie?

Ja! Ich bin nicht aufgeregt oder angespannt, aber Derby-Wochen sind spezieller. Das ist vor der Premiere als Rapid-Trainer so. Und es wird wohl vor dem ersten Derby im Austria-Stadion auch so sein.

Fussball; Wien

Wie hat sich das Derby seit 1988 verändert? Und was ist gleich geblieben?

Die Bedeutung für die Fans ist noch stärker geworden, nach meinem Empfinden. Vielleicht nicht gehässiger, aber es ist die Menge an Fans auch größer geworden. Der gravierende Unterschied bei den Spielern ist, dass wir damals zumeist immer wieder auf dieselben Spieler getroffen sind. Manche hat man dann auch im Nationalteam wieder getroffen. Das hatte dadurch einen speziellen Reiz, weil ich alle Spieler von Austria und Rapid gekannt habe. Das ist jetzt für die Spieler sicherlich anders.

In Austrias Meistersaison 2012/’13 hat Peter Schöttel in Favoriten sehr offensiv aufgestellt, Sie haben die Austria überraschend pressen lassen und das Derby verdient 2:0 gewonnen. Sind solche taktischen Überraschungen noch möglich?

Ich glaube nicht, weil man sich heute viel mehr damit beschäftigt, wie du den Gegner knacken kannst, wie du deine Ideen einbringen kannst. Man spielt viel mehr mit Was-wäre-wenn-Möglichkeiten.

max. Hallencup, Rapid Wien vs FK Austria Memphis

Was halten Sie davon, wenn Fans beim Abschlusstraining eine Derby-Ansprache an die Mannschaft machen?

Ich bin grundsätzlich ein Freund von Kommunikation, welche Richtung das auch ist. Wenn du Gesichter, also Menschen vor dir hast, kannst du Dinge direkter ansprechen.

Welche Botschaft haben Sie den Rapid-Fanvertretern rund um Ihre Bestellung vermittelt bezüglich Ihrer Austria-Vergangenheit?

Das war eigentlich nicht so das Thema. Ich habe ihnen – es waren viele Fan-Generationen vertreten – versucht zu erklären, warum mich dieses Engagement reizt und ihnen auch gesagt, dass ich für sie da und ansprechbar bin, wenn sich irgendwo einmal ein Problem auftun sollte. Bislang war es ruhig.

Es wird das letzte Derby ohne Auswärtsfans. Gut so?

Ehrlicherweise habe ich mir als Trainer in Deutschland gedacht: „Lasst doch einfach keine Auswärtsfans zu, dann ist endlich Ruhe.“ Aber es ist dann halt doch nicht so, wie man sich ein Derby vorstellt. Alle sagen, dass ihnen etwas fehlt. Die Spieler, die Fans, ich damals als Sky-Experte. Ich hoffe schon, dass ein Prozess eingeleitet wurde, wo alle wissen, dass niemand Derbys ohne Auswärtsfans will. Es müssen sich nur alle im Rahmen bewegen.

FUSSBALL: CONFERENCE LEAGUE / VIERTELFINALE / RÜCKSPIEL: SK RAPID - DJURGARDENS IF.

Sie haben nach vier Todesfällen in der Familie eine schwere Zeit hinter sich, in der Sie einige Angebote ablehnten. War es zeitlich stimmig, dass sich mit Rapid ein neues Kapitel im Leben auftat?

Ja, das ist so. Es ist zeitlich leider so zusammengefallen, dass wir uns nicht mehr um unsere Leute kümmern dürfen bzw. müssen, falls ein Angebot kommt. Es war ein Glück, dass sich das ergeben hat, als ich gefühlt auch wieder Ressourcen frei hatte. Der Reiz Rapid ist somit zum richtigen Zeitpunkt gekommen.

Sind Sie gläubig? Glauben Sie an Fügungen?

Ich weiß nicht. Es waren auch viele Dinge in meinem Leben, die man sich nicht wünscht zu diesen Zeitpunkten. Es waren über die Jahre zwei, drei Angebote dabei, wo es eigentlich ein Wahnsinn war, abzusagen. Aber da ging es um die Familie – und da gibt es eine klare Rangliste.

Woran glauben Sie generell?

Grundsätzlich an das Gute im Menschen. Grundsätzlich, weil es leider nicht immer so ist. Man wird nicht selten enttäuscht.

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