Kurt Wachter hat nach dem Ethnologie-Studium 1997 die antirassistische Fußballkampagne FairPlay gegründet. Seit 20 Jahren koordiniert der Vorarlberger das europäische Netzwerk Football Against Racism in Europe (FARE).
KURIER: Rassismus im Fußball wird stärker beleuchtet. Liegt das an den Medien oder beobachten Sie auch eine tatsächliche Häufung?
Kurt Wachter: Einerseits gibt es tatsächlich eine Häufung von Rassismus im Fußball in den letzten ein, zwei Jahren. Zum anderen wird auch mehr und intensiver berichtet.
Kommt der Rassismus stärker aus den Fankurven oder wie in Deutschland von sogenannten „normalen Besuchern“ der Haupttribünen?
In Deutschland sind die rassistischen Zwischenfälle von den mittigen Tribünen ausgegangen, er ist also aus der Mitte der Gesellschaft gekommen. Das kann an den gesellschaftlichen Umwälzungen in Europa liegen. So wie in der Politik rechtsextreme Gruppen und Positionen gewinnen, sind sie auch im Fußball verstärkt zu finden.
Ist der Rassismus im Fußball ein größeres Thema, weil er wichtiger ist oder ist es tatsächlich nur in dieser Sportart ein großes Problem?
Rassismus ist ein gesellschaftliches Problem, das sich im Fußball manifestiert. Das liegt auch an der Historie: Fußball ist eng mit Konzepten wie Nation und Männlichkeit verbunden. Neben dem Fußball hat nur Eishockey eine ähnliche Organisation und Bedeutung für Fans – und auch da gibt es Rassismus: In Villach wurden zwei schwarze Zagreb-Spieler von VSV-Fans in der Erste-Bank-Liga mit Affenlauten bedacht.
Neu ist, dass rassistisch beleidigte Fußballer das Feld verlassen?
Ja, das ist positiv! Der Fall in Portugal zeigt, dass eine neue Generation an Spielern da ist, die sich Rassismus einfach nicht mehr bieten lässt. Diese Vertröstungen wie „Nicht provozieren lassen, sportlich antworten“ reichen nicht mehr. Wir beobachten einen Prozess der Mündigwerdung von Fußballern.
Wie sehen Sie Aktionen von UEFA und FIFA gegen Rassismus? Mehr als ein Alibi?
Ja, ohne die großen Organisationen hätte sich das Reglement nicht geändert. Vor 15, 20 Jahren war der Rassismus stärker und auch ungefiltert. UEFA und FIFA haben auch aufgrund von Druck durch NGOs gute Arbeit geleistet. Es darf jetzt aber keine Selbstzufriedenheit geben, es braucht frische Impulse.
Die Schiedsrichter haben mittlerweile viele Möglichkeiten einzugreifen. Sollten Sie stärker geschult werden, um ihren Mut zu stärken?
Absolut! Das sollte eine Hauptaufgabe für den ÖFB sein: Schiedsrichter, auch in unteren Klassen, sollen das Selbstbewusstsein haben, mit gutem Gewissen einen Bericht zu schreiben oder ein Spiel zu unterbrechen. Vielleicht wäre eine Unterbrechung als Exempel in Österreich gut, um das Thema noch präsenter zu machen.
Viele sehen den Fußball als Spiegel der Gesellschaft. Wie ist Ihr Zugang dazu?
Ich halte den Fußball als Spiegel der Gesellschaft für eine dumme Floskel, die nicht stimmt. Die Bedeutung des Fußballs hat im letzten Jahrzehnt enorm zugenommen, für die Jungen wie für die Politik. Das ist wie Popkultur. Der Fußball ist selbst Akteur und nicht Spielball von anonymen Kräften.
Ende der 1980er-Jahre haben Neonazis versucht, Fanblocks zu unterwandern. Das prominenteste Beispiel war Gottfried Küssel beim Block West von Rapid. Wie sehen Sie die Lage jetzt?
Die organisierte Rechte hat im Fan-Mainstream von Rapid tatsächlich keine Plattform. Man kann sich darüber unterhalten, ob einem die Ultras-Kultur mit der eigenen Hierarchie sympathisch ist, aber Küssel und die Nazis wurden von ihnen vertrieben. Rapid hat das Problem sicher besser in den Griff bekommen als die Austria, wo Rechtsradikale massiv versucht haben, die Fan-Vorherrschaft zu gewinnen.
Durch die mittlerweile verbotene Gruppe Unsterblich?
Ja. Am Anfang wurde von der Austria der Dialog mit Nazis gesucht, das hat nicht funktioniert. Jetzt gibt es eine klare Haltung, und das Problem ist nicht mehr so groß wie vor fünf Jahren. Trotzdem gibt es Versuche.
Was meinen Sie konkret?
Die Gruppe „Eisern Wien“ versucht in unteren Ligen Präsenz zu zeigen, doch die Vereine sind da mittlerweile viel aufmerksamer geworden. Und ich möchte betonen, dass Fankultur eine Ressource ist, mit der Rassismus auch bekämpft werden kann. Organisierte Fans sind ja nicht das Problem per se.
Mit welchen aktuellen Problemen kämpfen Sie?
Rassismus findet oft in unteren Ligen statt. Die Mehrzahl der Landesverbände findet keinen Umgang damit. Als aktuelles Bespiel: In der 2. NÖ-Klasse Ost war bei Hundsheim – Prellenkirchen „Kanaken“, „Scheißtürken“ und „Ihr gehört alle in der Dusche vergast“ zu hören. So wurde uns das vom Heimverein gemeldet – und es passiert nix.
Was wünschen Sie sich?
98 Prozent aller Fußballspiele verlaufen super. Bei den zwei Prozent, wo was passiert, wünsche ich mir mehr Mut, es anzusprechen und das Ganze aufzuarbeiten. Es braucht mehr Aufklärung, Sensibilisierung und Unterstützung für Funktionäre an der Basis.
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