Die Mannschaft sieht mich jeden Tag, auch in Videoschulungen oder persönlichen Gesprächen. Ich kann als Trainer sehr dominant sein. Deswegen nehme ich mich manchmal bewusst zurück. Das ist einerseits eine Abwechslung für die Spieler, andererseits spüren sie auch die Wertigkeiten der Co-Trainer. Wichtig ist dabei eines.
Und zwar?
Wir besprechen jede Einheit, jede Aufstellung, jede Entscheidung gemeinsam. Wenn wir dann die Bürotür aufmachen, gibt es für das Trainerteam vor den Spielern aber auch nur noch diese eine gemeinsame Botschaft.
Bei Rapid gab es seit 2008 viele Botschaften zum nächsten Titel. Aufgrund der Historie ist die Titelfrage ein ständiger Begleiter. Andererseits heißt es nach Niederlagen schnell „Alle schuldig, alle raus“. Spüren Sie diese spezielle Gefühlslage schon?
Ich kenne das eins-zu-eins aus Nürnberg: Das ist exakt Rapid, nur in Rot-Schwarz: Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt, und wenn wir ein Spiel gewinnen, sind wir doch wieder die Größten. Es kann anstrengend sein, aber es ist doch schön.
Warum?
Weil so viele Menschen mit so viel Emotion zu Rapid verbunden sind. Diese Polarisierung ist auch eine Auszeichnung. Wir müssen nur schauen, dass wir diese Energien richtig kanalisieren. Das alles darf die tägliche Arbeit nicht belasten.
Wie wollen Sie mit der traditionell hohen Erwartungshaltung konkret umgehen?
Im Erfolgsfall, also wenn das intern und extern deckungsgleich ist – bestens! Wenn es nicht zusammenpasst, müssen wir argumentieren, Erklärungen liefern und auch transparent in unserem Tun sein.
Immer wieder erzählen Ex-Rapidler, dass sie mit dem Druck zu kämpfen hatten. Wollen Sie die Arbeit mit Mentaltrainern verstärken?
Ja, aber das muss von uns, den Führungskräften kommen. Wir müssen das ausstrahlen: Selbstbewusstsein, Fleiß, Ziele setzen und diese dann erreichen. Das kann man gemeinsam entwickeln. Ich bin allerdings kein Fan davon, einen externen Mentaltrainer dazu zu holen.
Bei wem erkennen Sie eine positive Entwicklung?
Sehr positiv finde ich, dass Lukas Grgic mit meiner Ankunft eine gute Rolle in der Mannschaft gefunden hat. Jene Spieler, die davor schon performt haben, sind weiter gut unterwegs.
Nicolas Kühn hat im Leipziger Nachwuchs bei Ihnen viel getroffen, Sie hatten sicher Pläne mit ihm – ist sein Verkauf ein Rückschlag?
Es ist schade – ich hätte gerne gesehen, was bei ihm noch möglich ist. Aber bei Rapid ist eingeplant, dass solche Transfers passieren können. Tatsächlich war geplant, dass wir versuchen, ihn zentraler zu positionieren, um ihn wieder torgefährlicher zu machen. Hätte, hätte ... Es ist keine Zeit für Sentimentalitäten, ich kann Nic verstehen.
Warum haben Sie mit Christoph Lang bewusst einen anderen Spielertypen als „Nachfolger“ ausgesucht?
Wir wollten Lang im Sommer verpflichten, jetzt konnten wir das vorziehen. Er gibt uns mehr Flexibilität in der Offensive, ist stark im Abschluss, spielintelligent und ein guter Standardschütze.
Viele Talente waren in Belek mit. Jovan Zivkovic gilt als das größte bei Rapid seit Yusuf Demir. Nicht so klar ist seine beste Position. Wo sehen Sie den 17-Jährigen?
Als echten Zehner, der sich aber auch im linken Halbraum sehr wohl fühlt. Man darf ihm nicht seine Stärke vor dem Tor nehmen – deswegen ist er kein klassischer Flügel wie Ismail Seydi, der super im Dribbling ist und die Linie runtergeht.
Bei Rapid gab es in der Systemfrage immer wieder das Zurückkehren zum 4-2-3-1, weil sonst nichts funktioniert hat. Worauf setzen Sie, oder wollen Sie stärker auf die Gegner eingehen?
Wir wollen uns so viel wie möglich auf uns und nicht auf den Gegner fokussieren. Das 4-2-3-1 als System kann die Grundordnung für das Flipchart sein, im Spiel ist das aber selten zu sehen. Wir können mit einer Dreierkette das Spiel eröffnen, oder im 4-4-2 gegen den Ball verteidigen. Das Wichtigste ist, dass die Spieler genau wissen, wann sie wie welche Räume zu besetzen haben.
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