Philipp Lahm: Der kleine Große tritt ab

Abschied mit Triumph: Philipp Lahm geht als Meister in Fußballer-Rente.
Die Meisterparty der Bayern steht im Zeichen des Abschieds des Kapitäns.

Ganz wohl ist Philipp Lahm ja nicht in seiner Haut. Ausgerechnet der Mann, der als Inbegriff der Verlässlichkeit und Berechenbarkeit gilt, der stets jeden Gegner und jede Situation unter Kontrolle zu haben schien, hat auf einmal die Befürchtung, die Beherrschung zu verlieren. "Es kann sein, dass in dem Moment, in dem ich begreife, dass es jetzt wirklich vorbei ist, mich meine Gefühle übermannen," sagte Lahm dieser Tage erst in einem Interview gegenüber der TZ.

Der FC Bayern zelebriert heute im letzten Saisonspiel gegen Freiburg den 27. Meistertitel, doch die obligate Titelparty wird in diesem Jahr als emotionale Abschiedsfeier inszeniert. Mit Philipp Lahm verlässt ein Spieler die Bühne, der in diesem Jahrtausend den deutschen Fußball so maßgeblich geprägt hat wie kein anderer. Auch wenn es dem Weltmeister, Champions-League-Sieger und Großmeister seines Faches (acht Titel) erstaunlicherweise nie vergönnt war, in der Heimat in den Rang eines Fußballer des Jahres erhoben zu werden.

"Philipp Lahm trainieren zu dürfen, ist so, als würde man jeden Tag die beste Bratwurst der Welt essen", hatte Hermann Gerland einmal gesagt. Der langjährige Bayern-Nachwuchschef gilt als Entdecker und Entwickler des 33-jährigen Außenverteidigers, dem in jungen Jahren wegen seiner bescheidenen Körpergröße (1,70 Meter) viele die große Karriere nicht zugetraut hatten.

Kein Fall für Rapid

Und vielleicht wäre tatsächlich alles anders gekommen, hätte Rapid 2003 die Chance genutzt, als dem österreichischen Rekordmeister das Bayern-Talent angeboten worden war. Für Philipp Lahm sollte es sich freilich als Glücksfall erweisen, dass er in Wien damals als zu schmächtig und zu schwach befunden worden war. Wie wohl sonst seine Laufbahn verlaufen wäre?

Ähnliches wird sich wohl auch Joachim Löw denken, der im gleichen Jahr bei der Austria entlassen worden war, obwohl er mit den Wienern die Tabelle angeführt hatte. Jahre später prägten die verschmähten und geschmähten L&L eine Ära: Löw als Bundestrainer, Lahm als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, die 2014 in Brasilien den WM-Titel gewinnen konnte.

Kein Ausschluss

Auf dem Höhepunkt seines Wirkens – ein Jahr zuvor hatte er mit dem FC Bayern in der Champions League triumphiert – beendete Lahm seine Teamkarriere. Drei Jahre später macht er jetzt im Alter von 33 Jahren auch bei den Bayern Schluss, obwohl viele in ihm noch immer den besten Rechtsverteidiger der Welt sehen. "Ich bin froh und dankbar, dass ich in beiden Fällen selbst den Schlusspunkt festlegen konnte und meine Karriere nicht abrupt durch eine Verletzung beendet wurde", sagt Lahm.

Das passt zu ihm und zu seinem Naturell: Philipp Lahm hat nie die Sprüche geklopft wie Lukas Podolski, nie das Glamour-Leben geführt wie Bastian Schweinsteiger, sich nie wirklich in den Mittelpunkt gedrängt, obwohl er im Nationalteam und bei den Bayern all die Jahre die zentrale Figur war.

Es sind die Zahlen, die erst so richtig verdeutlichen, welche Ausnahmeerscheinung der 33-Jährige war. In seiner gesamten Laufbahn flog Philipp Lahm kein einziges Mal vom Platz, im Schnitt leistete er sich alle 159 Minuten ein Foul – als Abwehrspieler.

Man kann nachvollziehen, dass Pep Guardiola dereinst meinte: "Die Leute können gar nicht verstehen, wie glücklich ich bin, Lahm als Fußballer zu haben."

Kommentare