Sarah Zadrazil gilt als Edeltechnikerin in Österreichs Frauen-Nationalteam. Die 1,67 Meter große Mittelfeldspielerin aus Sankt Gilgen besticht durch ihre sehr gute Physis, extrem hohe Laufbereitschaft, außerordentlich Passqualität – und sie ist auch torgefährlich.
Neben ihren Bundesliga-Anfängen beim Salzburger Klub Hof absolvierte die 29-Jährige in der Stadt Salzburg eine Ausbildung zur Kindergartenpädagogin. Danach studierte und kickte sie in den USA. Zadrazil war eine der Hauptdarstellerinnen beim EM-Sommermärchen 2017, das Österreich bis ins Halbfinale führte.
Sarah Zadrazil: Schwer zu sagen. Es war ein Super-Erlebnis und hat meinen sportlichen Weg auch ein bisschen beeinflusst.
Was war der große Aha-Effekt damals?
Wir haben gesehen, was in uns als Team steckt. Wir waren Außenseiterinnen, haben aber mit einer extremen Teamleistung etwas geschafft, das uns nicht viele zugetraut hatten.
Jetzt trauen Ihnen viele aber mehr zu als damals.
Jetzt wissen die Gegnerinnen, was auf sie zukommt.
Im Nationalteam ja, aber im Klubfußball?
Mit der Bundesliga sind wir leider sehr weit weg von den internationalen Topligen. Da muss man in Österreich in der Breite noch viel, viel stärker werden. In der Spitze sind wir auf dem richtigen Weg.
Sie spielen in Deutschland. Die einstige Top-Liga gerät immer mehr ins Hintertreffen.
Das Niveau in Deutschland ist enorm hoch. Wir sind mit Bayern in der Champions League nur knapp gescheitert, Wolfsburg stand im Semifinale.
Mag sein, aber andere Ligen haben enorm aufgeholt.
In England nutzt man das finanzielle Umfeld am besten. Punkto Fernsehen, Marketing und Werbung ist die englische Liga am professionellsten aufgestellt.
Und aus Spanien kommt die dominierende Mannschaft der letzten beiden Jahre.
Spanien ist der FC Barcelona. Der Klub hat sich in einem jahrelangen Prozess weiterentwickelt und sich mit internationalen Topspielerinnen verstärkt. Aber das Gefälle in der Liga ist enorm. Barcelona gewinnt 5:0, 6:0, 7:0, 9:1 – die Liga in Deutschland ist viel ausgeglichener und dadurch spannender und fordernder. Wenn in anderen Ländern viel Geld in die Hand genommen wird, muss man schauen, wohin die Reise geht.
Und wo geht die EM-Reise hin?
Vorerst nach Manchester, das Eröffnungsspiel im Old-Trafford-Stadion wird wohl keine von uns jemals vergessen. Für uns geht es auch darum, alles zu genießen. Die EM 2017 in den Niederlanden war schon toll, aber in England werden das noch andere Dimensionen.
Vor vier Jahren war die Schweiz der eigentliche Gruppengegner um Platz zwei. Diesmal gilt Norwegen als der große Gegner um den Aufstieg ins Viertelfinale.
England ist sicherlich Gruppenfavorit. Nordirland haben wir in der WM-Qualifikation zwar geschlagen, aber eine EM ist doch etwas anderes. Und die Norwegerinnen haben viel individuelle Qualität.
Sie hatten diese Saison schon eine Premiere: Die Champions League mit Gruppenphase.
Es ist wirklich cool, wie das aufgezogen ist. Es gibt eine eigene Hymne, es gibt mehr Spiele und ab dem Viertelfinale wird es richtig eng, da ist dann absolutes Topniveau. Das war ein wichtiger Schritt der UEFA, der den Frauenfußball stärkt.
Dass mehr Fans kommen, ist ein gutes Zeichen, oder?
Das berührt mich sehr, es ist ein anderes Erlebnis und ein besonderes Spielen.
Dennoch verdienen Frauen im Fußball nach wie vor weitaus weniger als Männer.
Ich unterstütze natürlich, dass Frauen so viel verdienen sollen wie Männer. Vorerst aber müsste man die Strukturen bei den Vereinen professionalisieren. Man sollte den Mädels die Möglichkeit geben, den Fußball betreiben zu können wie Männer. Auch in der österreichischen Liga.
Da würde es helfen, wenn Vereine wie Rapid oder Salzburg eine Frauenabteilung hätten.
Jede Unterstützung für den Frauenfußball ist wichtig. Ich habe seit November Red Bull als individuellen Sponsor. Und ich kann sagen, dass es ein guter Sponsor ist. Ich bin dankbar für die Unterstützung.
Sie sind mittlerweile auch bei den Bayern eine Führungsspielerin und 29 Jahre alt. Träumen Sie von einer anderen Liga?
Bayern München ist im Frauenfußball ein Topverein auf Topniveau, bei dem man großartige Möglichkeiten hat. Man soll natürlich niemals nie sagen, aber ich fühle mich in München rundum wohl.
Irgendwann ist aber die Karriere zu Ende, und als weiblicher Fußballprofi haben Sie nicht bis ans Ende Ihrer Tage ausgesorgt.
Dessen sind wir uns alle bewusst. Du brauchst deswegen auch einen Plan B für die Zeit nach der Karriere. Ich habe die Ausbildung zur Kindergartenpädagogin gemacht. Derzeit kann ich mir aber nicht vorstellen, dass ich diesen Beruf auch ausüben werde. Ich habe einen zweiten Bachelor gemacht, in Social Media. Schauen wir mal, was sich ergibt.
Die Salzburgerin wurde am 19. Februar 1993 geboren und wuchs in St. Gilgen auf. Mit 16 Jahren spielte sie bei Hof erstmals in der Frauen-Bundesliga. Von 2012 bis 2016 studierte und kickte sie an der East Tennessee State University in den USA. 2016 kehrte sie nach Bergheim zurück und ging im Sommer nach Potsdam. Seit 2020 spielt sie bei Bayern München.
92Teamspiele hat die Technikerin seit 2010 für den ÖFB absolviert und dabei zwölf Tore erzielt. 2018 wurde sie zu Österreichs Fußballerin des Jahres gewählt
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