ÖFB-Teamchefin Fuhrmann: "Österreichs Fankultur ist keine einfache"
Das Jahr Revue passieren lassen, sportlich analysieren, Frauen-Champions-League schauen, genauso wie ein paar Männer-WM Spiele – und vor allem zwei Wochen Urlaub in der Sonne. Für Frauen-Teamchefin Irene Fuhrmann ist ein anstrengendes Jahr mit vielen Höhen und einem Tief zu Ende gegangen.
KURIER: Das WM-Aus gegen Schottland war das erste öffentliche Scheitern Ihrer Ära seit Sommer 2020. Wie gehen Sie damit um?
Irene Fuhrmann: Scheitern gehört ja zum Erfolg. Keine Entwicklung verläuft linear, aber es ist wichtig, sich und seine Entscheidungen immer zu hinterfragen.
Ja. Aber bei Ihnen war es das erste Mal in den sechs Jahren. Und dann noch unter öffentlicher Beobachtung.
Das ist sicher ein Lernprozess, weil du ja auch mit deinen eigenen Emotionen umgehen musst. Aber ich stehe auch nach Erfolgen nicht in der Öffentlichkeit, um mich selbst zu rühmen.
Dabei war 2022 erfolgreich.
Summa summarum war es ein überragendes Jahr. 16 Spiele, elf Siege, wahrscheinlich das erfolgreichste Jahr in der Geschichte des österreichischen Frauenfußballs. Die EURO wird aber als Maßstab gesehen, dabei war es ein überragender Auftritt unseres Teams auf einer Bühne für den Frauenfußball, wie es sie noch nie gegeben hat. Außerdem haben wir noch in keinem Jahr zuvor so viele Teams schlagen können, die in der Weltrangliste vor uns liegen.
Es haben nach der EM Spielerinnen wie Schnaderbeck und Makas ihre Karriere beendet. Ist damit die Hierarchie im Team ins Wanken geraten?
Punkto Hierarchie war auch Jasmin Eder sehr wichtig. Aber wir haben noch viele tolle Persönlichkeiten und daher gilt es, die Rollen neu zu verteilen.
Gibt es Änderungen im Betreuerstab?
Bis auf einen langjährigen Physiotherapeuten und einen Arzt keine. Wenn ich mir was wünschen könnte, wäre es mehr Manpower zwischen den Lehrgängen zu haben.
Apropos Manpower. Sie haben sehr wenige Frauen im Betreuerteam.
Bei uns in Österreich haben noch sehr wenige Frauen höhere Trainerausbildungen absolviert. Unabhängig davon habe ich schon als U19-Teamchefin mit Männern im Team gearbeitet. Der Mix bringt viele Vorteile. Frauen werden in der ÖFB-Trainerausbildung aber zunehmend forciert, deren Ausbildungen werden von der UEFA gefördert.
Sie haben den Kader erweitert. Weil die U19 parallel zum A-Team gespielt haben, konnten sie Talente wie Valentina Mädl oder Linda Natter noch nicht präsentieren.
Sie brauchen in ihrem Alter unbedingt genügend Spielpraxis, um sich entwickeln zu können. Die jungen Spielerinnen haben ihren Benefit dadurch, dass sie sich in der U19-Qualifikation beweisen, Verantwortung übernehmen mussten und auch konnten. Lainie Fuchs und Mariella El Sherif zum Beispiel waren aber schon bei A-Team-Trainingslehrgängen dabei.
Sollen die jungen Spielerinnen so schnell wie möglich ins Ausland gehen?
Das ist eine persönliche und vor allem individuelle Entscheidung, wann sich eine Spielerin bereit dafür fühlt. Bei der Nationalteamtrainerkonferenz waren wir uns einig, dass man die eigene Liga stärken muss, aber auch Spielerinnen in den stärksten Ligen haben muss, wo sie in jedem Training, in jedem Spiel gefordert sind, um mit dem jeweiligen Nationalteam erfolgreich sein zu können.
Vor allem rund ums Heimspiel gegen England brach wieder eine Debatte über Zuschauer und Stadiongröße aus. Was kann man sich bei Stadien und Zuschauerzahlen sonst noch vorwerfen?
Sportlich sicherlich nichts. Denn unser Spiel ist attraktiver geworden, auch punkto Torchancen und Torausbeute. Im EM-Bericht ist außerdem festgehalten, dass wir gegen Topteams wie Norwegen oder auch Deutschland den Spielfluss größtenteils diktiert haben, das ist ein enormer Entwicklungsschritt.
Was kann man tun, um mehr Fans zu Spielen zu locken?
Eigentlich sollte der Erfolg ein Magnet sein, da hilft uns auch St. Pölten in der Champions League. Vielleicht sollten wir über noch gezieltere Marketingmaßnahmen nachdenken. Auf jeden Fall ist die Fankultur in Österreich keine einfache – wenn nicht gerade ein großes Turnier ansteht, denn 18.000 Zuschauer beim Männernationalteam gegen Italien in Wien ist zwar ein anderes Niveau, aber auch nicht gerade überwältigend für ein Spiel gegen den regierenden Europameister.
Vielleicht wäre auch eine Leistungssteigerung in der Liga hilfreich, um Zuschauer zu Frauenspielen zu bringen?
Die Liga wird ja besser, spannender, allerdings in kleinen Schritten. St. Pölten ist zwar noch vorne weg, aber es gibt in Summe nicht mehr die ganz so hohen Ergebnisse und zumindest zwischen Platz zwei und sieben kann jeder jeden schlagen.
Nach Rapid hat jetzt auch Salzburg angekündigt, ein Frauenteam machen zu wollen. Was sagen Sie dazu?
Das ist ein wichtiger und positiver Schritt. Wenn zwei so beliebte Klubs ein Frauenteam stellen, dann hat das Signal- und Magnetwirkung, über die man sich nur freuen kann.
Allerdings haben sich Rapid und Salzburg einen ordentlichen Zeithorizont gegeben. Werden Sie noch Teamchefin sein, wenn die beiden in der Bundesliga spielen?
Wenn es ein klares Projekt gibt, sehe ich das nicht negativ. Ich glaube, dass der Frauenfußball von den infrastrukturellen Gegebenheiten profitieren kann. Uns tut jede Möglichkeit gut, die sich auftut.
Also werden Sie noch Teamchefin sein. Läuft Ihr Vertrag so lange?
Ich habe einen unbefristeten Vertrag. Und den möchte ich erfüllen, so lange die Rahmenbedingungen für mich passen und ich das Gefühl habe, dass ich die Mannschaft erreiche. Das Potenzial im österreichischen Frauenfußball ist noch nicht ausgeschöpft.
Privat: Österreichs Teamchefin wurde am 23. September 1980 in Wien geboren und wuchs im 14. Bezirk auf. Dort spielte sie mit ihren Brüdern im Käfig und kam erst 2000 zum Vereinsfußball.
11 Siege feierten die Österreicherinnen in den 16 Länderspielen des Jahres 2022.
19. Platz in der FIFA-Weltrangliste - So gut war Österreich noch nie.
Trainerin: 2008 wurde sie Co-Trainerin von Frauen-Teamchef Ernst Weber, als U-19-Teamchefin erreichte sie die EM 2016. 2017 wurde sie Co-Trainerin von Frauen-Teamchef Dominik Thalhammer. Seit 27. Juli 2020 ist sie Frauen-Teamchefin.
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