ÖFB-Stürmer Gregoritsch: "Man verliert dort jegliche Emotionalität"
Michael Gregoritsch absolviert seine achte Saison in der Deutschen Bundesliga, hält bei 50 Toren. Mit Freiburg hat er noch einiges vor, im österreichischen Nationalteam hat er unter Teamchef Ralf Rangnick seinen Platz gefunden und die mögliche EM in Deutschland vor Augen. Der 29-jährige Steirer wirkt gereift und zufrieden mit dem, was er tut.
KURIER: Freiburg ist in drei Bewerben vertreten, welche Zielsetzung hat da Priorität?
Michael Gregoritsch: Der Verein ist in der Vergangenheit gut damit gefahren, dass das Erreichen der 40 Punkte die erste Zielsetzung war. Wir haben viele erfahrene Spiele in unserer Mannschaft, die wissen, wie schwer es ist, Spiele in der Bundesliga zu gewinnen. Wir müssen zunächst einmal bei uns bleiben.
Stecken Sie sich als Stürmer vor einer Saison immer noch ein persönliches Ziel?
Ja, ich habe eine Zahl an Toren im Kopf. Wenn ich aber einmal zwei, drei Spiele kein Tor erziele, dann fokussiere ich mich nicht nur auf das Toreschießen, sondern auf andere wichtige Dinge im Spiel.
Wollen Sie die Zahl nennen?
Ich möchte immer zumindest dieselbe Zahl an Pflichtspieltoren wie in der Vorsaison erreichen. Aber ich halte mich nicht an der Zahl fest, weil sonst laufe ich ihr nur hinterher. Ich muss ohnehin meine Aufgaben als Stürmer erfüllen. Meine größte Qualität ist, dass ich zu einigen Chancen komme.
Das klingt beruhigend.
Ja, ist es auch. Aber es ist nicht auf diese Weise beruhigend, dass ich dadurch weniger mache. Vielmehr ist es beruhigend für mich im Spiel, dass ich nicht hektisch werde. Ich weiß, wenn ich meine Aufgaben erfülle, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich zu Chancen komme.
Waren Sie früher hektischer?
Früher hatte ich eine Eigenschaft, die ich heute immer noch habe, damals aber ausgeprägter. Und die ist Fluch und Segen zugleich.
Was denn?
Ich habe mich selbst überschätzt und zu viel Selbstvertrauen gehabt. Ich bin in jedes Spiel gegangen mit dem Gedanken, dass ich sowieso zwei Tore schieße. Aber wer bin ich, dass mir das immer gelingt?
Müssen Sie als 29-Jähriger über den jungen Michael Gregoritsch von früher manchmal lachen?
Ich lache eher darüber, dass ich den Leuten nicht geglaubt habe, wie wichtig Erfahrung ist. Ich war früher viel emotionaler auf dem Feld, habe mich mit Gegenspielern schnell angelegt. Heute habe ich viel mehr Spaß auf dem Platz, lache auch nach vergebenen Torchancen, weil ich mich nicht runterziehen lassen will. Das war ein extremer Reifeprozess.
Ihnen tut also die Freiburger Luft gut?
Ja, aber der Prozess hat vorher schon begonnen, dadurch bin ich ja erst zu Freiburg gekommen. Ich wäre ja beinahe nach Österreich zum LASK gewechselt. Das soll bitte nicht despektierlich klingen, aber so ein Wechsel wäre ein Rückschritt gewesen. Ich hatte dann die Chance, mit Freiburg eine weitere Geschichte zu schreiben. Mit dem Umfeld, mit diesem Trainer, plus einer Mannschaft, in der ich mich sehr wohl fühle. Die Kombination in Freiburg ist herausragend.
Was macht Trainer Christian Streich aus?
Er ist ein extrem guter Fußballtrainer. Er erkennt Gruppendynamiken und Dynamiken von Einzelspielern sehr schnell und kann darauf eingehen.
Er kommt sehr empathisch rüber. Ist er auch fordernd?
Ja, auf jeden Fall.
Wie oft hat er Ihnen schon den Schädel gewaschen?
Das hat er noch nie. Er lässt jeden so sein, wie er ist. Aber er fordert. Wenn du ihm folgst, hast du viele Freiheiten. Wenn nicht, dann spielst du nicht. Das ist ohnehin die größte Strafe.
Ihr Vater Werner war als Trainer prägend und – eh klar – eine Vaterfigur. Ist Streich das auch für Sie?
Es gibt Situation, da hat er Ähnlichkeit mit einer Vaterfigur. Aber ich brauche das in meinem Alter nicht mehr so wie früher. Ich bin unter meinem Vater als Trainer groß geworden und war es schon gewohnt, dass ein Trainer mit mir viele Gespräche führt. Wenn das bei einem Trainer einmal nicht so war, dann wurde es schon etwas schwerer für mich.
Sie haben ein intensives Verhältnis zu Ihrem Vater. Wie war das Großwerden unter ihm als Trainer. War das auch eine Last?
Es war nie ein Druck für mich. Es war für mich normal in die Kabinen von Profimannschaften zu gehen, wo mein Papa gespielt oder trainiert hat. Die Spieler haben das locker genommen, in Mattersburg ist ein Didi Kühbauer drinnen gesessen. Für mich als Achtjähriger war das normal.
Mit 29 wirken Sie in Interviews sehr aufgeräumt und zufrieden. Wovon träumen Sie noch? Von einem Titel?
Ein Titel wäre natürlich schön, ist aber das Schwierigste überhaupt. In ein paar Saisonen wäre ich der Österreicher mit den meisten Einsätzen in Deutschland. Martin Harnik hat noch 17 Tore mehr als ich. Überhole ich ihn, wäre ich zweitbester Österreicher in der Deutschen Bundesliga hinter Toni Polster, der ist aber uneinholbar. Ich bin schon sehr stolz darauf, was ich bisher erreicht habe, weil es nicht selbstverständlich ist. Ja, ich bin stolz auf mich, dass ich mich seit acht Jahren in Deutschland halte. Und im Nationalteam stehe ich knapp vor meinem 50. Länderspiel. Und das Nationalteam ist für mich sowieso heilig.
Apropos – in Richtung EM sieht es für Österreich gut aus. Wäre eine Endrunde in Deutschland für Sie noch eine Spur bedeutender?
Ja klar, das wäre eine Riesengeschichte. Zumal die letzte EM wegen Corona nur mit wenigen Fans stattgefunden hat und wir abgeschottet waren. Diesmal hätten wir sicher drei Heimspiele.
Würden Sie sagen, dass Sie unter Rangnick Ihren Platz gefunden haben?
Ja schon. Er hat mir vom ersten Lehrgang weg Vertrauen gegeben. Er ist ein super Fußballtrainer, man kann viel lernen. Auch hier gilt: Macht man, was gefordert wird, kommt man zum Spielen. Es macht Spaß in der Mannschaft. Bei diesem Stil gelingt es nicht nicht im Spiel zu sein.
Würden Sie nach Saudi-Arabien wechseln, so wie es viele Fußballer derzeit machen?
Man verdient dort viel Geld, verliert aber jegliche Emotionalität. Und wovon reden wir im Fußball? Von emotionalen Momenten, an die man sich erinnert. Ich würde mir das sehr lange überlegen. Stand jetzt, könnte ich es nicht. Aber ich verstehe Spieler, die das machen, weil man mit einem Schlag mindestens zwei Generationen absichert. Ich bin froh, nicht in der Situation zu sein, wo ich das entscheiden muss.
- Karriere
1994 in Graz geboren, startete Gregoritsch im Nachwuchs vom GAK und Kapfenberg, wo er 2010 sein Liga-Debüt gab. 2012 wechselte er nach Hoffenheim, spielte danach bei St. Pauli, Bochum, HSV, Augsburg und seit 2022 in Freiburg. In 47 Länderspielen erzielte er zehn Tore.
- Privat
Gregoritsch engagiert sich sozial mit dem Verein Tor.Chance.
Ihr Leben ist von klein auf geprägt vom Fußball. Hat damals die Krebserkrankung Ihres Vaters alles relativiert?
Ja sicher. Ich spiele für mein Leben gerne Fußball. Ich möchte nicht in die Situation kommen, in der ich das für etwas eintauschen muss. Natürlich relativiert sich alles in so einer Situation. Und daher bin ich zufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Das darf man als Profisportler auch sein. Weil ich es in Zukunft deshalb nicht schleifen lassen werde.
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