Bjelica: „Ich habe den Krieg nie verstanden“

27.07.2013 Fussball Bundesliga , Salzburg , Red Bull Arena Salzburg - Austria Nenad Bjelica. Copyright Agentur DIENER / Philipp Schalber Marktgasse 3-7/4/5/21 A-1090 Wien Telefax +43 1 955 32 35 Mobil +43 676 629 98 51 BA-CA Bank Nr. 12000 Account Nr. 00712 223 783 e-mail: agentur@diener.at Datenbank: www.diener.at
Vor dem Duell mit Dinamo Zagreb spricht Austria-Coach Nenad Bjelica über Vergangenheit und Zukunft.

Es ist schon etwas Besonderes, wenn ein Auswärtsspiel zu einem Heimspiel wird. Einerseits gastiert die Austria im ersten Kräftemessen im Play-off der Champions League am Mittwoch (20.45 Uhr/live auf Puls 4) bei Dinamo Zagreb. Andererseits ist es für Trainer Nenad Bjelica das erste Pflichtspiel, in dem er in seiner Heimat antritt. So oder so wollen sich die Veilchen eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel schaffen. Mindestens ein Auswärtstor soll den Weg in die Gruppenphase der Eliteliga ebnen. Nach dem holprigen Liga-Start hat man sich zuletzt gegen Wiener Neustadt mit dem 5:0 wieder Selbstvertrauen geholt.

KURIER: Haben Sie sich den Beginn Ihrer violetten Amtszeit leichter vorgestellt?
Nenad Bjelica:
Nein. Ich habe gewusst, dass es nach dem Meistertitel mental schwierig werden würde. Und körperlich mussten wir durch den zusätzlichen Bewerb Europacup einfach mehr machen. Wir brauchen Kraft für 34 und nicht für 24 Spiele. Ein paar Spieler haben daher länger ihre Form gesucht. Ein Faktor war auch, dass James Holland, ein wichtiger Spieler, wegen des Nationalteams länger Urlaub hatte und später ins Training eingestiegen ist. Das sind Kleinigkeiten, die sich summieren. Bisher haben wir wenig Zeit gehabt, um im taktischen Bereich zu arbeiten. Da haben wir vielleicht 30 Prozent umgesetzt. Das alles hat den Saisonstart sicher beeinflusst.

Ist es nicht logisch, dass die Spieler nach dem Titel in ein mentales Loch fallen?
Ja, das ist das Gleiche wie bei einem Aufsteiger. Im ersten Jahr gibt es noch die Euphorie. Im zweiten Jahr kommt dann die Müdigkeit, das ist menschlich.

Ist der Europacup ein neuer mentaler Anreiz?
Davon gehe ich aus, weil die Herausforderung und die Bedeutung extrem hoch sind. In Island hat man gesehen, welch großer Druck auf den Spielern lastet. Damit spielt es sich nicht leicht. Auch das ist menschlich.

Mit Stöger wurde die Austria Meister, mit Bjelica hat man zu Beginn nicht so attraktiv gespielt. Fühlen Sie sich persönlich in der Kritik?
Wenn das für die Fans leichter ist, dann stelle ich mich der Verantwortung, so lange sie die Mannschaft unterstützen. Peter Stöger ist eine Austria-Ikone, er hat im Verein jeden gekannt. Ich muss alles kennenlernen und mich an das Umfeld anpassen. Ich suche keine Ausreden, ich analysiere nüchtern. Die Spieler sind dieselben, das System ist unverändert. Bisher hat die Leichtigkeit gefehlt. Vielleicht ist sie nach dem Sieg über Wiener Neustadt wieder da.

Dinamo Zagreb haben Sie sich nicht als Gegner gewünscht. Ist es aber nicht doch ein Vorteil, dass Sie den Klub so gut kennen?
Ja. Ein Vorteil kann auch sein, dass Dinamo Probleme mit den Fans hat. Ich kenne den Klub, ich habe noch viele Informationen erhalten. Ich kenne die kroatische Mentalität, das kann entscheidend sein.

Wie oft sind Sie selbst in Kroatien?
Nicht wirklich oft. Heuer war ich nur zwei Mal in Kroatien. Ich bin Kroate und bin auch stolz darauf. Ich arbeite aber gerne in Österreich, ich habe mein Haus hier und fühle mich sehr wohl.

Es ist Ihr erstes offizielles Spiel als Trainer in Kroatien. Wie fühlt sich das an?
Das macht mich stolz, das ist etwas Besonderes. Ich bin auch stolz, der erste kroatische Austria-Trainer zu sein. Denn Ivo Vastic ist ja Österreicher. Ich hoffe, dass wir diese Hürde nehmen werden.

Ihre Karriere hat Sie durch ganz Europa geführt. Bekommt man dadurch eine Distanz zu seinem Heimatland?
Man sieht vieles etwas anders. Ich habe sieben Jahre in Spanien gespielt, dreieinhalb in Deutschland und nur zwei in Kroatien. Und in Österreich bin ich seit neun Jahren. Aber ich bin stets in Verbindung mit meiner Familie und meinen Freuden. Die Arbeit, die ich jetzt mache, wäre für mich in Kroatien sehr schwer. Trainer sind dort nicht viel wert.

Warum ist der kroatische Fußball erfolgreicher als der österreichische?
Kroatien ist eine talentierte Nation. Die Kroaten sind stur und stolz, akribische Arbeiter. Viele Spieler schaffen den Sprung ins Ausland, davon profitiert die Nationalmannschaft.

Anfang der 90er-Jahre waren Sie ein junger Mann. Wie haben Sie den Krieg miterlebt?
Viele Familien haben jemanden verloren, da reagieren Menschen natürlich nicht normal. Daher gab es diesen Hass.

Gibt es noch Wunden?
Ein paar schon. Im April haben Serben gegen Kroaten gespielt. Es gab Rivalität, aber keinen Hass. Das war vor zehn Jahren noch anders.

Welche persönlichen Erinnerungen haben Sie an den Krieg?
Ich war zu der Zeit Spieler in Osijek. Der Ort war heftig umkämpft. Weil dort die Bomben gefallen sind, haben wir die Spiele auswärts austragen müssen. Immer wieder durften wir tagsüber den Keller nicht verlassen. Oft sind wir mit dem Bus zum Training gebracht worden, weil wir nicht auf die Straßen durften. Nein, das war alles nicht angenehm. Für mich war das nicht nachvollziehbar, ich habe den Krieg nie verstanden. Und 20 Jahre später empfinde ich ihn noch unnötiger. Es hat nichts gebracht. Kroatien ist jetzt ein Teil von Europa. Dieses Blutvergießen war für mich immer unverständlich.

Die Austria ist am Montag mit dem Bus ins 400 Kilometer entfernte Zagreb aufgebrochen. 20 Spieler saßen im Bus, allerdings nicht Alexander Gorgon (drei Wochen Pause wegen einer Verrenkung des Schien- und Wadenbeins) und Markus Suttner (gesperrt).

Die Wiener haben mit Verteidiger Kaja Rogulj und Trainer Nenad Bjelica zwei Kroaten in der Mannschaft. Aber beide haben mit Dinamo Zagreb nichts am Hut: Rogulj stammt aus Split und ist Hajduk-Fan, er hat auf dem Oberschenkel sogar das Tattoo des Erzrivalen von Dinamo. Bjelica stammt aus Osijek und hat dort bei NK gespielt. „In Zagreb haben wir einmal 1:3 verloren, da habe ich das Tor geschossen. Einmal haben wir 1:0 gewonnen, da habe ich das Tor vorbereitet. Das war der erste Sieg von Osijek gegen Dinamo nach sieben Jahren.“

Bei Dinamo ist der Respekt vor dem Insiderwissen von Bjelica sehr groß. Dinamo-Chefcoach Krunoslav Jurcic glaubt, dass das ein Vorteil für die Austria ist. „Es ist unangenehm, wenn einer von uns auf der Bank des Gegners sitzt. Bjelica weiß alle Details über Dinamo.“

Fraglich ist der Zustand des Rasens im Maksimir-Stadion: Nach einem Konzert von Pop-Superstar Robbie Williams musste in den vergangenen Tagen mehr als die Hälfte des Spielfelds neu verlegt werden.

Champions League

Dinamo ZagrebAustria Wien (Mittwoch, 20.45 Uhr, live Puls 4 und Sky). Rückspiel: Dienstag, 27. August (20.45 Uhr)

Europa League

Red Bull Salzburg –Schalgiris Vilnius (Donnerstag, 19.05 Uhr, live ORF eins). Rückspiel: Donnerstag, 29. August (20.30).

Rapid – Dila Gori (Donnerstag, 21.05 Uhr, live ORF eins). Rückspiel, 29. August (18.00).

Estoril Praia – Pasching (Donnerstag, 21.30 Uhr). Rückspiel: 29. August (Linzer Stadion, 20.30).

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