Reifeprüfung für die Hoffnungsträger
Volles Haus gegen Schweden. 46.000 österreichische Fans im Ernst-Happel-Stadion und Hundertausende vor den Fernsehern werden die österreichische Nationalmannschaft unterstützen. Die Truppe rund um Publikumsliebling David Alaba hat wieder eine Euphorie für das Team entfacht. Aber auch die Erwartungshaltung in die Höhe getrieben. Es wird heute – wie im Juni 2013 – ein Sieg gegen Schweden erwartet. Und nach 18 Jahren die erste Qualifikation für ein Großereignis.
Auch für Teamchef Marcel Koller wäre eine erfolgreiche Qualifikation eine Reifeprüfung. Und eine Bestätigung seiner Arbeit, die er im November drei Jahre lang erledigt. Koller kam mit dem Anspruch, seine Idee, wie Österreichs Nationalteam erfolgreich spielen könnte, zu verwirklichen.
Rückhalt Fans
Weil Kollers Idee vom Kick keine Spinnerei ist, bringt Österreich einen großen Trumpf – den Heimvorteil. Die Stimmung war bei Heimspielen in der abgelaufenen Qualifikation großartig. Anders als bei Testspielen außerhalb Wiens, standen Fans in der Hauptstadt voll hinter den Spielern. Bremen-Verteidiger Sebastian Prödl sagt: "In Wien haben wir ein Nationalteam-Publikum, das ist für uns ein wichtiger Rückhalt." Kapitän Christian Fuchs sieht es als Plus, "dass wir in der letzten Qualifikation daheim immer gut gespielt haben. Auch bei der Niederlage gegen Deutschland."
Kollers Kontinuität
Der Schweizer geizte lange mit Einberufungen. Er wollte mit dem Stamm der Kicker an der Umsetzung seiner Ideen arbeiten. Kapitän Christian Fuchs: "Ich war jetzt fast ein halbes Jahr nicht dabei. Aber es dauert nicht lange, dass man weiß, wie die Laufwege sind und was zu tun ist." So versteht sich auch er, der Linksverteidiger, mit seinem Vordermann Marko Arnautovic immer besser. "Es macht Spaß mit ihm zu spielen, auch weil er gelernt hat, defensiv zu arbeiten und mit hilft." Erst nach und nach nahm Koller bei längeren Trainingslehrgängen neue Spieler dazu. So dass er für den Kader gegen Schweden erstmals auch Spieler, die einst zum Stamm gehört haben, weggelassen hat. Ivanschitz, Weimann, Pogatetz.
Kollers Vertrauen
Wer dem Schweizer in die fußballerische Idee passt, der darf sich dessen Loyalität bewusst sein. Almer ist im Team Einser, obwohl er es im Klub nicht ist. Janko ist dabei, obwohl in Australien noch nicht gekickt wird. Fuchs ist bei Schalke etwas im Abseits, nicht aber bei Koller. "Er bringt uns und unseren Leistungen im Team Respekt entgegen", sagt der Kapitän. "Wir haben ihn ja auch noch nicht enttäuscht."
Selbstvertrauen
Während die Schweden letzte Woche gegen Estland ein Länderspiel eingeschoben haben, haben die Österreicher trainiert. Einen Test vermissen sie nicht. Fuchs: "Wir haben uns auf Schweden und unsere Stärken konzentriert." Eine offene Frage ist, ob man dem Gegner über 90 Minuten das Spiel aufzwingen kann. In Schweden und gegen Uruguay ist das nur 45 Minuten gelungen.
Teamgeist
Tormann Almer, der sich bei seinem neuen Klub wohl fühlt: "Wir sind sehr gute Freunde. Ich habe in den letzten Jahren keinen solchen Zusammenhalt erlebt wie in Hannover. Außer im Nationalteam."
In zwei Monaten wartet auf Österreich das erste Duell mit Gruppenfavorit Russland. Ein Österreicher bekommt es aber bereits heute mit der russischen Stärke zu tun: Der Steirer Rene Pauritsch reist als Teamchef von Liechtenstein nach Chimki nahe Moskau. Die nach der enttäuschend verlaufenen WM-Endrunde in Brasilien in der Heimat heftig kritisierten Russen wärmten sich zuletzt mit einem mühelosen 4:0 gegen Aserbaidschan für den Startschuss in der Gruppe G auf. "Wenn wir kompakt stehen, wenig zulassen und etwas Glück haben, ist auch gegen Russland etwas möglich", sagt Pauritsch.
Russland, am 15. November in Wien zu Gast, baut auf Routinier Alexander Kerschakow. Der 31-jährige Stürmer von Zenit St. Petersburg ist seit Mittwoch mit 28 Treffern Rekordtorjäger seines Landes.
Die EM-Qualifikation ist für den nicht mehr unumstrittenen Trainer Fabio Capello nur ein Zwischenschritt: Der Italiener hat die Heim-WM 2018 als Hauptziel auserkoren. Der vormals u. a. bei Milan, Real oder Juventus engagierte Startrainer bekam zuletzt drei Monatsgehälter seines fürstlichen Lohns (8,3 Millionen Euro per anno) nicht ausbezahlt – als Strafe.
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