Nach "Scheißsituation": Ein Rapid-Kapitän mit dem Blick nach oben
„Mein Leben kommt mir wie ein Film vor. Das ist alles ein Wahnsinn“, sagt Dejan Ljubicic und sieht vor seinem geistigen Auge wilde Wendungen vorbeiziehen. Dass der 22-jährige Dauerläufer immer die Kurve gekriegt hat und gegen die Admira (18.30 Uhr) erstmals bei einem Ligaspiel als Rapid-Kapitän einläuft, liegt auch an Christoph Pelczar.
„Ich habe alles riskiert, um diese Karriere und damit ein Fußballer-Leben zu retten“, erzählt der Pfarrer von Weikendorf, der sich selbst als „Rapid-Pfarrer“ bezeichnet. Das ungewöhnliche Duo gibt dem KURIER Einblick in eine außergewöhnliche Glaubens- und Arbeitsgemeinschaft, die zu einer engen Freundschaft wurde.
Vor zehn Jahren lernte der Geistliche mit polnischen Wurzeln den Mittelfeldspieler mit kroatischen Wurzeln als „positiv Verrückten“ kennen. Pelczar arbeitet auch als Mentaltrainer und sollte sich um die Talente kümmern.
Größte Blödheit seines Lebens
Bei seinen Terminen im Allianz Stadion (viele Fans lassen im Andachtsraum des Stadions Hochzeiten und Taufen durchführen) traf Pelczar 2017 wieder auf den tiefgläubigen Ljubicic. Seither wird vor den Spielen gemeinsam gebetet.
Als der Katholik im Weihnachtsurlaub 2017 in Bosnien betrunken und von allen guten Geistern verlassen mit einem Freund Flaschen auf eine Moschee warf, war der Rauswurf bei Rapid nahe. „Ich war nach der größten Blödheit meines Lebens in einer Scheißsituation. Aber Christoph hat mir geholfen. Er ist ein wunderbarer Mensch und wurde auch zu einem engen Freund.“ Pelczar versprach, sich um Ljubicic anzunehmen und sorgte für die erwähnte Rettung: „Dejan ist seither auch menschlich gewachsen.“
Als Ljubicic ein Jahr später beim entscheidenden Europa-League-Spiel gegen die Glasgow Rangers nur Ersatz war, baute ihn Pelczar wieder auf. Er würde als Joker für den Aufstieg sorgen, kündigte Hochwürden an. Tatsächlich traf der Sechser im Finish zum 1:0-Sieg.
Abenteuer in den USA
Umso enttäuschter war Pelczar, als Ljubicic im Februar 2020 plötzlich in die USA flog, um für Chicago zu unterschreiben. Der U-21-Teamspieler verabschiedete sich (bereits zum zweiten Mal) von seinen Mitspielern. Der Mentor fühlte sich hintergangen, die Freundschaft schien zu Ende.
Und wieder kam die Wende: Die Ärzte der MLS diagnostizierten eine Kreuzbandverletzung, die es nicht gab, der 3,5-Millionen-Transfer scheiterte. „Jetzt bin ich froh, dass es nichts geworden ist. Mein Papa war ja auch dagegen“, erzählt Ljubicic.
Es folgte der Corona-Lockdown, und Ljubicic kam (ebenso wie sein beim SKN kickender Bruder Robert) besser als jemals zuvor zurück: „Ich habe noch härter als sonst gearbeitet, weil ich Rapid für das ungebrochene Vertrauen etwas zurückgeben wollte.“ Und dann kam noch die Adelung durch Trainer Kühbauer mit dem Kapitänsamt: „Eine riesige Ehre.“
Trotzdem könnte es bis zum 5. Oktober noch einen Millionentransfer geben. Manager Sascha Empacher berichtet von mehreren Interessenten, und der Vertrag läuft nur noch neun Monate.
Pelczar meint: „Der Unterschied zu früher ist, dass sich Dejan nicht mehr verrückt machen lässt.“ Ljubicic sagt: „Wenn aus einer Top-Liga etwas kommt, das für alle Seiten passt, ist alles offen. Ich vertraue darauf, dass das Richtige passiert – und glücklich bin ich ja bei Rapid.“
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