Die Partie zwischen Austria Lustenau und Rapid war für Österreich rekordverdächtig. Erst nach 101 Minuten pfiff Schiedsrichter Ciochirca das Spiel ab. Beim 3:3 fielen drei Tore nach der 90. Minute, Rapid erzielte in Minute 100 zum dritten Mal den Ausgleich.
"Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen." Dass sein berühmter Satz, den er nach Englands Halbfinal-Aus gegen Deutschland bei der WM 1990 tätigte, nicht mehr zutrifft, hat Gary Lineker bereits eingesehen.
Weil das Glück in den letzten Jahren nicht immer den Deutschen hold war. Mittlerweile ist der Spruch doppelt überholt – weil ein Fußballspiel nicht mehr nur 90 Minuten dauert. Spätestens seit Einführung des VAR ertönt der Schlusspfiff immer später. Somit bleibt mehr Zeit für dramatische Wendungen in der Nachspielzeit.
Und das bewies auch dieses Wochenende. So musste Atlético Madrid in der 99. Minute in Cadiz den Treffer zur 2:3-Niederlage in der spanischen La Liga hinnehmen. Noch spektakulärer als in Lustenau war die zehnminütige Nachspielzeit in der englischen Drittligapartie zwischen Charlton und Ipswich.
Augenzeuge
Nach 90 Minuten war es 2:2 gestanden, nachdem die Heimelf ein 0:2 aufgeholt hatte. In der Nachspielzeit gingen die Gäste 4:2 in Führung. Aber Charlton gab sich wieder nicht geschlagen und kam noch zu einem 4:4. Den neuerlichen Ausgleich in Minute 99 quittierte Popstar und Ipswich-Fan Ed Sheeran, einer der 16.645 Zuschauer, mit einem ungläubigen Lächeln.
Die Entwicklung war schon bei der WM 2018 nicht zu übersehen. Im Schnitt wurden mehr als sieben Minuten nachgespielt (erste und zweite Halbzeit zusammengerechnet). Es fielen gleich 19 Tore nach Ablauf der 90 Minuten (exklusive Verlängerung) – damit wurde der bisherige Höchstwert der WM 2014 (12 Tore) pulverisiert.
Der Nachspielrekord stammt aber noch aus einer Zeit als der VAR noch nicht einmal ein Hirngespinst war. 1994 ließ der schottische Schiri Leslie Mottram beim WM-Gruppenspiel zwischen Bolivien und Südkorea 13 Minuten nachspielen. In den 103 Minuten Spielzeit fiel übrigens kein einziges Tor.
2019 veröffentlichte die UEFA eine Studie aus der Champions League. Bei einer durchschnittlichen Spielzeit von 94 Minuten und 47 Sekunden in der Königsklasse beträgt die reine Spielzeit demnach lediglich 61:06 Minuten im Schnitt. Den größten Anteil an Spielunterbrechungen machen Foulspiele aus. Sie nehmen im Schnitt 8:51 Minuten von der Uhr. Gefolgt von knapp über sieben Minuten für die Ausführung von Einwürfen. 5:46 Minuten kosten Abstöße der Torhüter und knapp vier Minuten pro Partie nehmen Ecken in Anspruch. Überraschenderweise bringen Spielerwechsel nur 2:57 Minuten pro Partie. Mittlerweile sind aber fünf Wechsel pro Team erlaubt, was weitere Sekunden von der Uhr rinnen lässt.
Der Videoreferee kostete im Schnitt 35 Sekunden der Spielzeit. Musste der Unparteiische noch in die Review-Area, kamen weitere 68 Sekunden dazu. In Österreich werden pro Check 35 bis 70 Sekunden Nettospielzeit gebraucht, es gibt fünf bis sechs VAR-Checks pro Spiel.
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