Nach Bickels Abgang: Kommen Barisic und Schulte zu Rapid?
Fredy Bickel blickte auf seine Notizen und sagte: „Ich habe mir ausnahmsweise etwas aufgeschrieben, damit es nicht zu emotional wird.“ Am Ende seiner Ausführungen war die Stimme des Schweizers dennoch brüchig und hinter seiner Brille waren Tränen zu sehen.
Dem 53-Jährigen ging der vor dem Spiel in Innsbruck angekündigte Abschied als Sportdirektor von Rapid nahe. Spätestens mit Saisonende, am liebsten mit dem Cupsieg als Krönung von zweieinhalb turbulenten Jahren, wird der Schweizer in seine Heimat zurückkehren.
Bickel war ein Sozialarbeiter mit großem Herzen, aber strategisch sind dem Routinier schwerwiegende Fehler passiert – wie er auch eingestand. Was für Bickel spricht: Er bietet an, mit seinem Nachfolger zu kooperieren, um einen fließenden Übergang zu schaffen.
Wie berichtet, soll Ex-Trainer Zoran Barisic zurückkehren. Laut KURIER-Informationen wurden aber auch andere potenzielle Kandidaten kontaktiert.
Was dahinter steckt: Die Aufgaben (an denen sich auch Bickel aufrieb) sind mittlerweile so vielfältig, dass eine in Deutschland mittlerweile übliche Teilung angedacht wird. Barisic könnte als Sportdirektor von einem Sportvorstand mit Erfahrung und Ruhe unterstützt werden – dafür ist Helmut Schulte im Gespräch. Der Ex-Sportdirektor ist derzeit als Betreuer der Leihspieler in Stuttgart beschäftigt.
Für einen Kommentar zu einer möglichen Rückkehr war der 61-Jährige nicht zu gewinnen. Barisic sagt zu allen Anfragen Rapid betreffend: „Kein Kommentar“.
Barisic, mit Schulte, als Bickel-Nachfolger? Ist das die gesuchte Top-Lösung? Eine Einschätzung:
Kann Barisic das?
Barisic hat bereits als Trainer wie ein Sportdirektor gedacht und Rapid 2015 – vergeblich – vorgeschlagen, wie die Spieler von früh bis spät vom Verein betreut werden sollten. Vermutlich war er auch der einzige Trainer der Vereinsgeschichte, der sich gegen (aus seiner Sicht überteuerte) Einkäufe gewehrt hat – ebenfalls vergeblich.
Ob Barisic mit der Dauerbelastung eines extrem weit gesteckten Aufgabengebiets umgehen kann, ist im Vorhinein schwer abzuschätzen. Auch deswegen wird (neben einer stärkeren Unterstützung durch Talentemanager Steffen Hofmann) über Schulte als beratende Instanz nachgedacht.
Droht Freunderlwirtschaft?
Barisic und Trainer Didi Kühbauer sind seit 25 Jahren enge Freunde. Barisic hat erzählt, dass sie trotzdem die zwei Rapidler waren, die im Training am öftesten gestritten haben: „Aber weil es nur darum gegangen ist, wie wir uns selbst und Rapid besser machen könnten, haben wir uns immer schnell versöhnt.“
Größer als die Gefahr der Freunderlwirtschaft ist, dass die Männerfreundschaft unter dem bei Rapid üblichen Erfolgsdruck leidet.
Geht es ohne Erfahrung?
Mit der Erfahrung der Vorgänger Bickel und Müller kann Barisic nicht mithalten – das ist eindeutig. Allerdings hatten die derzeit erfolgreichsten Sportdirektoren der Liga – Christoph Freund von Salzburg und Oliver Glasner, der beim LASK zugleich Trainer ist – ebenfalls kaum Erfahrung in Letztverantwortung. Auch hier gilt: Die immense Erfahrung (und Ruhe) von Schulte könnte helfen.
Fehlt das Netzwerk?
Bickel hat im Winter (den noch von Barisic geholten Videoanalysten) Maurizio Zoccola zum Chefscout ernannt und beauftragt, das Scouting so zu modernisieren, dass die Abhängigkeit von Spielerberatern gegen Null geht. Der Sportchef soll vorab präzisere Infos über potenzielle Legionäre bekommen. Damit sinkt die Bedeutung des Netzwerks, das bei Bickel sicher größer war.
Wer hilft dem Neuen?
Bis (maximal) 30. Juni will Bickel seinem Nachfolger zur Seite stehen. Sollten Barisic und Schulte kommen, gibt es kein Problem, weil die beiden einander in höchstem Maße schätzen.
Abgesehen davon gibt es bei Rapid seit 20 Jahren eine Konstante, die kaum bekannt ist, weil sie die Öffentlichkeit scheut. Es geht um Stefan Ebner, den Sportmanager: Der Langzeit-Rapidler ist für die Verträge und formelle Abwicklung der Transfers zuständig, zusätzlich kennt er alle Spielerberater. Die Hilfe durch Ebner würde aber ganz sicher wieder abseits der Öffentlichkeit stattfinden.
Was konnte Bickel besser?
Der Schweizer ist – wie auch Vorgänger Müller – ein starker Verhandler mit Nervenstärke. Das beste Bespiel ist der linke Innenverteidiger: Die meisten hätten Max Wöber nach dem ersten Angebot von Ajax bereits nach Amsterdam chauffiert. Bickel wartete noch zwei Monate und holte so 2,5 Millionen extra plus Beteiligungen (insgesamt acht Millionen nach nur 24 Profi-Pflichtspielen) raus.
Bei Nachfolger Galvão wurden die immer schlimmer werdenden körperlichen Probleme geheim gehalten. Nach nur zehn Monaten wurde der (jetzt dauerverletzte) Brasilianer mit einem Plus von 1,5 Millionen weiterverkauft. Allerdings griff Bickel bei dessen Nachfolger Barac daneben.
Mit dem Verkauf von Berisha hat Bickel den „Nettogewinn bei all meinen Transfers auf mehr als zehn Millionen plus“ erhöht, wie der Schweizer verriet. Bei Schultes Antritt waren 2013 die Kassen noch leer. Und Barisic? Sein Zugang zu Fußball würde bedeuten: Weniger Risiko, dafür ein präziserer Blick und dadurch weniger Transferflops.
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