Marc Janko zur Hinteregger-Causa: Ein echter Stresstest
Tendenziell ist es im Leben immer einfacher, an Dingen zu zweifeln, als an sie zu glauben. Aber wir sind für mein Empfinden nach wie vor auf einem guten Weg. Wir schaffen das.
Was mich so positiv stimmt? Es scheint, als wurde nach dem doch sehr überschaubaren Start in die EM-Quali intern nicht nur das Notwendige ausgesprochen, sondern es wurden vor allen Dingen auch die richtigen Schlüsse aus den gezeigten Leistungen gezogen, taktische Stellschrauben nachjustiert.
Was gegen Polen gefehlt hat
Fakt ist, ich habe in Polen eine österreichische Mannschaft gesehen, die nicht nur spielbestimmend, leidenschaftlich und qualitativ mindestens auf Augenhöhe war, sondern zudem auch eine gute Balance zwischen Offensive und Defensive zeigte und mannschaftsintern hierarchisch sehr harmonisch wirkte. Unterm Strich war es ein gerechtes und attraktives Remis der kurzweiligeren Sorte, doch sowohl Österreich als auch Polen hätten – mit dem notwendigen Spielglück – drei Punkte holen können.
Hätte Arnautovic gegen Polen nicht an die Stange geköpfelt ... hätte Lewandowski nicht alleinstehend aus zirka sechs Metern untypisch für ihn weit über das Tor anstatt aufs Tor geköpfelt ...
Ich bin kein Fan davon, im Konjunktivland zu leben. Doch mir ist es wichtig, nochmals in Erinnerung zu rufen, dass der Faktor Glück für eine erfolgreiche Qualifikation von Mannschaften wie Österreich bis auf Weiteres ein gut gesinnter Mitspieler bleiben muss. Ich wurde in den letzten drei Jahren oft gefragt: „Marc, was war los bei der Euro?“, und jeder erwartet immer das Preisgeben irgendwelcher abstruser skandalöser Interna, welche das Ausscheiden begründen, erklärbar machen.
Der Mensch neigt grundsätzlich immer dazu, alles erklären zu wollen. Es muss Gründe geben – und in weiterer Folge auch Schuldige. Doch meine Erfahrung zeigt mir, dass beim Vergleich mit ebenbürtigen Gegnern auf einem gewissen Level ab und an „nur“ die berühmten Kleinigkeiten entscheiden. Wäre bei der EM 2016 etwa Alabas Stangenschuss beim Auftaktspiel gegen Ungarn ins Tor gegangen, hätte Dragovic im Spiel gegen Island den Elfer verwandelt ... eh schon wissen, hätte, hätte Fahrradkette.
Mein Punkt ist: Manchmal hat man Glück, und aus Stangenschüssen werden Tore, die den Spielverlauf günstig drehen, manchmal hat man es eben nicht. Der Fußball folgt keiner Logik, er ist nicht immer erklärbar. Genau diese Unvorhersehbarkeit ist es, die ihn so interessant macht.
Apropos Unvorhersehbarkeiten: Dass Martin Hinteregger jedes Jahr am 7. September Geburtstag hat, ist relativ vorhersehbar. Dass er ihn dann auch ausgiebig feiert, nur bedingt.
Tatsache ist aber, dass Disziplinlosigkeiten, und da gehört das Überschreiten des Zapfenstreichs eindeutig dazu, immer eine Art Stresstest für Mannschaft und Trainerteam bedeuten. Ob es nun wirklich dem Umstand der ausgedehnten Geburtstagsfeier oder tatsächlich seiner lädierten Wade geschuldet war, dass Hinteregger in Polen nicht auflief, werden wir wohl nie erfahren.
Der Mannschaft hat es nicht geschadet, so wie sie in Warschau aufgetreten ist. Man darf jedoch gespannt sein, welche Auswirkung diese Aktion nun für die Startelf in den weiteren Spiele hat, zumal Stefan Posch eindrucksvoll zeigte, dass niemand unersetzbar ist.
Marc Janko, 36, spielte 70-mal für Österreichs Nationalteam und erzielte 28 Tore. Aktuell ist er Fußball-Experte bei Sky.
Twitter: @JankoMarc
Instagram: @marcjanko
Facebook: @MarcJanko
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