Janko: "Es ist gefährlich, sich mundtot machen zu lassen"
Er ist ein Fußballer, der immer schon über den Tellerrand hinausgeblickt hat. Seine Karriere als aktiver Kicker neigt sich schön langsam dem Ende zu, sein Blick richtet sich als Vater zweier kleiner Töchter ohnehin immer mehr auf andere Dinge. Marc Janko profitierte zuletzt von Verletzungen einiger Kollegen und kam unverhofft nach einem Jahr Pause wieder zu Nationalteam-Ehren und einem Kurzeinsatz in Dänemark.
Der Stürmer ging im Rahmen des Teamlehrgangs auch verbal in die Offensive, dachte laut über die Verbandsstrukturen nach und forderte diesbezüglich eine sachliche Diskussion. Dem KURIER gegenüber äußerte er konstruktive Ideen und betonte dabei, dass es ihm nur um die Sache geht – also den Fußball.
KURIER: Nach einem Jahr waren Sie wieder eine Woche lang im Kreise der Nationalmannschaft. Wie ist es Ihnen ergangen?
Marc Janko: Sehr gut. Mich bewegen derzeit viele Sachen. Die Freude übers Wiedersehen, diese positive Wertschätzung auf persönlicher Ebene habe ich nicht erwartet. Wie ich als Mensch wahrgenommen werde, bedeutet mir mehr als jedes geschossene Tor. Von den Kollegen, den Betreuern oder auch den Menschen auf der Straße, die stehen geblieben sind und mir Glück gewünscht haben.
Aber auch privat hat sich einiges bei Ihnen getan.
Ich bin seit kurzer Zeit zweifacher Familienvater von zwei Töchtern. Das lässt dich anders auf Dinge blicken. Darüber hinaus betrachte ich von Lugano aus das politische Geschehen in Europa und Österreich. Mir wird nie langweilig.
Ihr Karriereende erscheint am Horizont. Spüren Sie Wehmut?
Nein. Irgendwie freue ich mich auf die Zeit danach. Grundsätzlich habe ich mich aber entschlossen, mein Karriereende im Verein und im Team offen zu lassen. Im Nationalteam habe ich es nicht in meine Hände gelegt, weil ich dem ÖFB und auch Marcel Koller ewig dankbar bin. Ohne Verband und Koller hätte es meine letzten vier, fünf Jahre als Profi in dieser Art und Weise nicht gegeben. Das Nationalteam ist für mich seit jeher eine ehrenvolle Verpflichtung.
Geht es auch um das Gefühl, noch gebraucht zu werden? Nein, darum geht’s mir nicht, und ja, es ist ein schönes Gefühl, noch gebraucht zu werden. Ich hatte eine sehr untypische Team-Karriere mit wunderschönen Zeiten. Daher wollte ich aktiv auch kein Ende verlautbaren. Ich fand, das steht mir nicht zu.
Es gab zuletzt wieder heftige Diskussionen um die Strukturen beim ÖFB. Konstruktiv gesprochen: Was soll sich ändern?
Ich finde, dass die Frage in den Raum gestellt werden darf, ob die Struktur, wie sie jetzt vorherrscht, zukunftsträchtig ist. Das heißt nicht, dass jene davor schlecht war. Der Fußball hat sich aber, wie viele Dinge in der Gesellschaft, weiterentwickelt. Ist es da nicht gerechtfertigt, auf einer sachlichen Ebene öffentlich eine Diskussion führen zu dürfen? Natürlich weiß ich, dass es ein schwieriges Unterfangen ist, weil das Konstrukt so aufgebaut ist, dass jene, die die meiste Macht haben, sich nur selbst abwählen können. Das ist das Absurde an der Geschichte.
Was wünschen Sie sich?
Eine öffentliche, zwar emotionalisierte, aber uneitle Diskussion. Mir geht es dabei ums Wohl des österreichischen Fußballs. Ich würde mir auch mehr Fachkompetenz im ÖFB-Präsidium wünschen. Der Sport und die Professionalität sollen im Vordergrund stehen. Sogar Matthias Sammer hat eine Reform des DFB angeregt. Und da reden wir immerhin vom vierfachen Weltmeister Deutschland.
Warum genau erheben Sie nun wieder das Wort?
Weil es mir, ähnlich wie bei meiner Entscheidung zum passiven Rücktritt aus dem Nationalteam, um das Wohl des Fußballs geht. Ich sage etwas, weil sich sonst verständlicherweise niemand traut, den Mund aufzumachen, weil sonst keiner Interesse hat, Unruhe reinzubringen. Die Spieler sollen sich auf das Sportliche konzentrieren und dürfen durch Unruhe nicht den Erfolg der Mannschaft gefährden.
Können Sie sich vorstellen, sich mit Beteiligten an einen Tisch zu setzen?
Ich fürchte, das ehrlich gemeinte Interesse an einer Reform ist äußerst begrenzt. Es ist mir aber auch wichtig, festzuhalten, dass es bei den Landespräsidenten durchaus auch welche geben mag, denen stets der Fußball wichtiger war als persönliche Befindlichkeiten. Aber eben leider nicht bei allen, wie einige Aktionen in der Vergangenheit vermuten lassen.
Trotzdem, wie könnte für Sie die ideale Struktur aussehen?
Zur Klarstellung: Es ist nicht so, dass die Landespräsidenten gar nicht mitsprechen sollten. Denkbar für mich wären drei Stimmen für die Bundesliga, eine für den ÖFB-Präsidenten und drei für die Landespräsidenten für die Regionen West, Mitte und Ost. Das wäre ein Beispiel. Aktuell sind sie immer in der Mehrheit mit ihren neun Stimmen. Die Verhältnismäßigkeit stimmt für mich nicht zwischen Amateurbereich und Profitum. Leute, die für den wichtigen Amateursport in Österreich zuständig sind, sollten nicht drei Mal soviel Stimmmacht haben wie eine Bundesliga. Über den Profisport zu lesen, ist bei allem Respekt etwas anderes, als ihn tagtäglich erlebt zu haben.
Kritiker fragten zuletzt bei Ihrer Nachnominierung, warum es Österreich Not hatte, einen 35-Jährigen ins Team zurückzuholen. Zurecht?
Diese Stimmen hat es auch schon zu meiner hochaktiven Zeit gegeben. Ich habe mir eine dicke Haut zugelegt, daher akzeptiere ich das. Das Schöne am Fußball ist doch, dass so viele Menschen mitreden können.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Fußballs mit den wahnwitzigen Gehältern? Ist das normal, oder handelt es sich um es eine Blase, die platzen wird?
Auf der einen Seite habe ich Verständnis für die Diskussionen, weil auf der Welt generell ein Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich herrscht. Umgekehrt ist das unser über Jahrzehnte aufgebautes System. Herrscht Nachfrage, wächst das Produkt. Fußball ist Weltsportart. Natürlich, die Summen sind ein Wahnsinn, gerechtfertigt ist aber, dass die Hauptakteure viel verdienen, wenn das Produkt soviel Geld abwirft. Doch das ist untrennbar mit der Wirtschaft verbunden. Man hört, dass in der Bankenszene wieder ein Crash bevorstehen könnte. Das würde regulierend auf den Fußball einwirken. Vielleicht wäre das ganz gesund.
Ist die Entwicklung im Fußball ein Spiegel der Gesellschaft?
Das weiß ich nicht, aber ich finde, dass der Sport stets politisch neutral sein sollte. Außer es geht um Grundsätzliches. Dann sollten auch Sportler eine Meinung haben und den Mund aufmachen.
Mit welchem Gefühl betrachten Sie Europa und die EU?
Es ist eine Zeit, in der Achtsamkeit geboten ist. Schriftsteller Michael Köhlmeier hat bei der Auschwitz-Gedenkfeier gesagt, dass immer nur viele ganz kleine Schritte zu dem großen Bösen geführt haben. Der Satz hat sich bei mir eingebrannt. Man sollte als Bürger nicht dulden, dass es zu vielen Fehltritten kommt, welche die Demokratie gefährden. Unsere Gesellschaft, in der wir leben, zeichnet sich durch Werte aus, für die wir stehen. Sie sollten niemals als selbstverständlich angenommen werden. Deswegen: achtsam, kritisch und, wenn notwendig, auch laut sein, um diese Werte auch zu verteidigen. Es ist gefährlich, wenn man sich mundtot machen lässt oder vielleicht meint, es war doch eh nicht so schlimm.
Hat dies auch mit den letzten Vorfällen in der österreichischen Innenpolitik zu tun?
Sagen wir es so: Nach den jüngsten Entwicklungen stehe ich Standard, Falter und KURIER jederzeit für Interviews zur Verfügung (lacht). Spaß beiseite, ich hatte bei dem Thema der vermeintlichen Pressezensur das Gefühl, dass hier eine Grenze überschritten wurde, welche ich durchaus als gefährlich sehe. Ein Innenministerium hat alle Medienvertreter gleich zu informieren. Wie diverse Medien die Informationen interpretieren, fällt unter Pressefreiheit. Die Reaktionen darauf fand ich richtig. Dabei belasse ich es auch.
Wenn man Ihnen so zuhört – liegt Ihre Zukunft unbedingt im Sport? Ja. Doch wo es mich hinverschlägt, weiß ich noch nicht, die Politik wird es eher nicht sein. Als Trainer kann ich mich mir aktuell nicht vorstellen. Ich will das Leben aus dem Koffer hinter mir lassen.
Marko Arnautovic stand zuletzt wegen eines Fotos im Internet im Mittelpunkt. Ist es nicht ein Zeichen der Oberflächlichkeit unserer Zeit, wenn soziale Medien solche Aufregungen erzeugen?
Es ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite hat man die Chance, Sachen in der Öffentlichkeit richtigzustellen. Umgekehrt ist es unausweichlich, dass beispielsweise abendliche Ausflüge öffentlich werden. Es ist die Zeit, in der wir leben. Fast jeder Jugendliche ist auf sozialen Netzwerken tätig. Ich würde sie ja asoziale Netzwerke nennen, denn es ist schon bedenklich, was da zeitweise abgeht mit all den Falschmeldungen, aus denen die Menschen ihre Informationen beziehen.
Welchen Rat werden Sie irgendwann Ihren Töchtern mit auf den Weg ins Internet geben?
Nicht alle Facebook-Freunde sind wirkliche Freunde. Auf jeden Fall sollte man nichts für bare Münze nehmen und sich immer eine Zweit- oder Drittmeinung einholen.
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