Matthäus über seinen Ex-Klub: „Bei Rapid fehlt mir der klare Weg“

Lothar Matthäus
Lothar Matthäus kennt auch den Fußball in Österreich bestens. Seine Erinnerungen an Rapid, warum Salzburg kriselt und was er Toni Polster rät.

Der deutsche Rekordteamspieler und ehemalige Weltfußballer Lothar Matthäus (64) war letzte Woche zu Gast in Wien. Gemeinsam mit Rapid-Trainer Peter Stöger stand er im Allianz Stadion für einen Werbespot von Interwetten vor der Kamera. In einer Drehpause nahm er sich Zeit für ein Gespräch mit dem KURIER.

KURIER: Zurück an alter Wirkungsstätte. Was ist Ihre erste Erinnerung an Hütteldorf?
Lothar Matthäus: Ein UEFA-Pokal-Spiel mit Inter Mailand 1990. Ich habe das 1:0 gemacht, wir haben dann aber 1:2 verloren, Andreas Brehme hat einen Elfmeter verschossen. Und ich musste leider sehr früh raus, weil ein gewisser Peter Schöttel meinen Fuß mit dem Ball verwechselt hat. Ich würde sogar sagen absichtlich. Rapid hat es uns schwer gemacht, weiterzukommen. Wir haben es aber geschafft und haben zum Schluss den UEFA-Pokal gewonnen.

Und dann war Hütteldorf als Rapid-Trainer ja sogar Ihre Heimat ... 
Genau, ich war ein knappes Jahr hier. Es war eine tolle Erfahrung – mit einem Ende, das so nicht unbedingt sein hätte müssen. Ich habe damals viele junge Spieler in den Kader gebracht, für teure Spieler war kein Geld da. Der Verein ist damals kurz vorm Kollaps gestanden. Wir hatten einen klaren Plan, waren auch voll in der Zeit. Aber wie so oft gibt es halt Leute, die andere Vorstellungen haben.

Verfolgen Sie Rapid noch? 
Klar. Ich freue mich, wie sich der Verein entwickelt hat. Sportlich erwartet man von Rapid ja immer Großes. Aber man sieht, dass andere Klubs in Österreich wirtschaftlich besser aufgestellt sind. Das war auch zu meiner Zeit so. Da war ein Stronach bei Austria, Swarovski bei Innsbruck und ein Quehenberger bei Salzburg – und wir waren pleite hier. Rapid ist und bleibt aber der bekannteste Verein des Landes, ähnlich wie die Bayern in Deutschland. Bei Rapid fehlt mir aber dann der klare Gedanke, der klare Weg und auch gewisse Geduld.

Passt Peter Stöger zu Rapid? 
Ja. Er war schon in seiner aktiven Karriere ein ganz intelligenter Spieler, ein super Techniker. Ihn musstest du ausschalten, um Spiele gegen sein Team zu gewinnen. Ein Anführer, der verlängerte Arm des Trainers. Er ist in Österreich sicher eine der Ikonen, die ich so wahrgenommen habe in den letzten 30, 40 Jahren.

Sie haben einmal gegen Peter Stöger gespielt, als Deutschland 1994 im Happel-Stadion 5:1 siegte ... 
Daran erinnere ich mich nicht, aber ich erinnere mich an ein anderes Spiel im Happel-Stadion. Bei der Wiedereröffnung 1986 haben wir 1:4 verloren, ich habe meine einzige Rote Karte in 150 Länderspielen gesehen. Nur weil ich dem Schiedsrichter applaudiert habe. Dabei wisst ihr ja selber, dass der Schiedsrichter damals euer zwölfter Mann war. Aber das ist alles lange her.

Ein anderer Ex-Klub von Ihnen ist Salzburg, wo es seit zwei Jahren nicht mehr rund läuft. Warum nicht? 
Durch das Ableben von Didi Mateschitz hat sich da einiges verändert. Das spürt man ja auch in Deutschland. Die Zulieferung nach Leipzig aus Salzburg klappt nicht mehr so. Auch in der Formel 1 hat es Probleme gegeben, die meiner Meinung nach unter Mateschitz nie passiert wären. Er hätte es nicht so weit kommen lassen. Er war einer, der einen klaren Weg vorgegeben hat, und wenn einer abgewichen ist, war dann sofort klare Kante.

Bei Salzburg ist einiges schief gegangen ... 
Ja, es gibt ein paar Dinge, die jetzt nicht mehr so funktionieren. Mit Christoph Freund ist ein Verantwortlicher weggebrochen. Früher wollten 16-jährige Spieler zu Salzburg gehen, haben dort große Chancen gesehen. Jetzt ist das nicht mehr so. Salzburg hat einiges vernachlässigt und deshalb sind die Erfolge nicht mehr da. Und die anderen Klubs haben aufgeholt. Sturm macht es sehr gut in den letzten Jahren.

Was bedeuten Ihnen Rekorde? In Österreich war Toni Polster gar nicht glücklich, als Marko Arnautovic kürzlich seinen Torrekord gebrochen hat. 
Ach, der Toni! Der hat den Rekord doch lange genug gehabt. Natürlich bist du stolz auf solche Rekorde, das kann der Toni auch sein, er ist eine Legende. Also Toni, bitte gönn dem Arnautovic den Torrekord! Rekorde sind dazu da, um gebrochen zu werden. Bei mir ist das so: Ich war der einzige Feldspieler mit fünf WM-Teilnahmen, mittlerweile sind ein paar Spieler gleich mit mir. Messi wird nächstes Jahr seine sechste WM spielen – ist doch in Ordnung. Ich bin froh, dass ich mein Leben hatte mit meinen Toren, mit meinen Einsätzen. Und wenn irgendwann zum Beispiel Kimmich sein 151. Länderspiel macht, dann habe ich 35 Jahre einen Rekord gehabt. Da kann ich stolz sein und ihm gratulieren. Da gibt es keine Eifersucht.

Es gibt immer mehr Spiel. Zu viele?
Also die Klub-WM hätte ich auch gerne gewonnen. Wir können nicht solche Gehälter verlangen und uns dann aufregen. Das Geld muss ja auch irgendwo herkommen. Jetzt reden wir von 60 oder 65 Spielen – aber nur für die Spieler, die wirklich alles spielen. Das bezieht sich ja nur auf die Top-Mannschaften und auf die Nationalspieler. Ich habe in meinen ersten Jahren bei Gladbach auch 50, 55 Spiele gemacht. Ohne Rotation, ohne Belastungssteuerung, ohne Rücksichtsnahme und ohne diese medizinische Betreuung. Natürlich ist der Druck durch die Öffentlichkeit heute größer. Körperlich kannst du sagen, wir haben langsamer gespielt früher, ja. Dafür hatten wir früher zwei Trainer in der ganzen Mannschaft und einen Masseur. Heute braucht die medizinische Abteilung schon einen eigenen Bus. Wenn du das verdienen willst, musst du auch die Spiele machen.

Wir steuern auf eine gigantische WM zu. Alles Geldmacherei?
Natürlich ist diese Weltmeisterschaft eine Geldmacherei, natürlich verdient die FIFA mit. Aber die Länder verdienen auch mit, die Gelder werden ja aufgeteilt. Je größer der Kuchen, umso mehr kann verteilt werden. Und es ist ein Spiel mehr. Eins. Und das nur für die zwei Mannschaften, die ins Endspiel kommen. Und außerdem: Bei den Bayern haben wir uns damals über jedes Mittwoch-Spiel, also jedes internationale Spiel, gefreut, weil dann am Dienstag der Waldlauf ausgefallen ist.

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