Veli Kavlak: Das hat viel mit den Trainern – zuerst Stefan Kuntz, jetzt Vincenzo Montella – zu tun und noch mehr mit Hamit Altintop als Sportvorstand des Verbands. Er ist mit einer Vision angetreten, hat durchgesetzt, dass die Talente viel Spielzeit bekommen. Und er hat Einfluss auf die Deutsch-Türken. Als Beispiel: Der 18-jährige Kenan Yildiz von Juventus hat sich für das türkische Team entschieden. Solche Spieler können eine Ära prägen.
Wird gegen Österreich ein Duell auf Augenhöhe zu erwarten sein?
Ja. Montella war als Klubtrainer in der Türkei schon sehr beliebt, jetzt kommen im Team mit ihm auch die Ergebnisse: Sieg in Kroatien, Sieg in Deutschland – der war besonders wichtig. Da fallen auch Parallelen zum ÖFB-Stil unter Ralf Rangnick auf.
Spielt die Türkei anders als früher?
Auf jeden Fall. Der Gegner wird nach Ballverlust schnell unter Druck gesetzt, es geht flott nach vorne. Ich bin schon sehr gespannt, wie es im Prater ausgehen wird.
Die türkische Liga war immer für Star-Einkäufe bekannt. Haben auch die großen Vereine umgedacht?
Nein, nicht wirklich. Es ist immer noch so, dass für Beşiktaş, Galatasaray und Fenerbahçe nur der Titel zählt. „Auf Entwicklung setzen“ geht sich nicht aus. Vielleicht schaffst du gerade noch ein Jahr ohne Titel, aber im zweiten müssen dann alle gehen, wenn du die Tabelle nicht anführst.
Warum ist das so?
Es besteht extrem großer Druck. Die Fans sind einerseits sensationell, aber ihr Fanatismus ist auch ein riesiges Problem. Geduld bleibt ein Fremdwort. Wenn ich an Ajax denke, das fünf Jahre nicht Meister wurde, wäre in der Türkei in der Zwischenzeit schon dreimal alles umgedreht worden. Ich hätte dazu ein Beispiel.
Bitte darum.
Als Valérien Ismaël Beşiktaş-Trainer war, hat er einen ganz Jungen aus dem eigenen Nachwuchs im Mittelfeld eingesetzt. Ich habe zwei Spiele gesehen und war begeistert. Aber am letzten Transfertag kommt trotzdem der frühere englische Teamspieler Dele Alli. Ich habe sofort gewusst: Jetzt muss für ihn der Junge raus. Genauso war es. Heute interessiert keinen mehr, wo und wie dieses ehemalige Top-Talent spielt.
Welchen Status haben Sie noch als früherer Kapitän von Beşiktaş in Istanbul?
Wenn ich im Stadtteil Beşiktaş unterwegs bin, werde ich dauernd angesprochen. Unter den Fans habe ich immer noch einen besonderen Status. Aber auch in Wien. Zuletzt im Kaffeehaus kommt der Kellner auf mich zu und sagt auf Türkisch: „Veli, ich liebe dich!“ Der Kellner war Beşiktaş-Fan.
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