Jetzt schon Europameister der Herzen: Warum wir Dänemark so lieben

Es gibt fast bei jeder großen Fußballveranstaltung eine Mannschaft, die den neutralen Fußball-Fan in ihren Bann zieht. Entweder sind es spezielle Momente im Laufe des Turniers, besondere Leistungen, herausragende Spieler oder auch Erfolge, die für eine positive Stimmung rund um ein Nationalteam sorgen.

Am Samstag tritt Dänemark wieder auf bei dieser Europameisterschaft. Und viele Fußball-Fans werden dem Team die Daumen drücken, damit in Baku (18 Uhr) die Hürde Tschechien genommen wird und der Einzug unter die vier besten Teams Europas gelingt. Schreibt Dänemark 29 Jahre nach dem Wunder von Göteborg wieder einmal Fußball-Geschichte?
Der KURIER fand fünf triftige Gründe, warum Fußball-Fans die Dänen so sehr lieben.

Peter Schmeichel (l.) holte 1992 den Titel, Sohn Kasper steht aktuell im Dänen-Tor
- Die Geschichte
Es war 1992, als Dänemark die Hauptrolle in einem Fußball-Märchen übernahm.
Die Nationalspieler waren längst im Urlaub, als die UEFA zehn Tage vor dem Beginn der Europameisterschaft in Schweden die lange qualifizierten Jugoslawen wegen des Balkankrieges aus dem Turnier warf und Dänemark zu einem der acht Teilnehmer machte. Das Turnier begann für den Außenseiter mit einem 0:0 gegen England und endete mit einem 2:0-Finalsieg gegen Deutschland. Aus dem Urlaub gekommen und ohne Vorbereitung gelang der Mannschaft um Star-Goalie Peter Schmeichel die ganz große Sensation.

Christian Eriksen erholt sich nach seinem Herzstillstand und drückt die Daumen
- Die Gegenwart
Welcher Mannschaft wird mehr ein Erfolg gegönnt als jener, die nach wenigen Minuten dieses Turniers zusehen musste, wie ein Kollege beinahe verstorben wäre? Christian Eriksen hatte im ersten Vorrundenspiel gegen Finnland nach 43 Minuten einen Herzstillstand, lag mit offenen Augen auf dem Feld und konnte nur dank des schnellen Eingreifens der Kollegen sowie der medizinischen Versorgung ins Leben zurückgeholt werden. Dem Star von Inter Mailand wurde ein Defibrillator eingesetzt, von da an feuerte er sein Team als Fan an.
So dramatisch die Dänen ins Turnier gestartet sind, so sehr schweißte dieser Notfall die Mannschaft zusammen. Ab diesem Zeitpunkt wurde nicht mehr nur gegen eine andere Mannschaft gespielt, sondern auch für Christian Eriksen.

Trainer Kasper Hjulmand applaudiert seinen Spielern
- Die Spielweise
Dänemark steht für Offensive. Kasper Hjulmand ist Sportwissenschafter, war 2012 dänischer Meister mit dem FC Nordsjælland und ist seit 2020 Teamchef. Seine Mannschaft überzeugt mit Angriffsfußball in einer offensiven 4-3-3-Grundformation. Österreich machte in der WM-Qualifikation beim 0:4 in Wien unliebsame Bekanntschaft damit.
Aber mehr noch als seine sportlichen Fähigkeiten werden bei einem solchen Turnier – speziell in dieser Ausnahmesituation für die Spieler – seine menschlichen Qualitäten geschätzt. „Kasper ist außergewöhnlich, das zeigt er, seit er bei uns ist. Er ist ein großartiger Trainer und denkt rund um die Uhr an Fußball“, schwärmte Kapitän Simon Kjær. „Aber er hat auch jetzt gezeigt, dass er viel mehr als das ist. Ich bin tief beeindruckt und dankbar, ihn als Trainer zu haben.“
- Die Fans
Haben Sie schon einmal von Ausschreitungen dänischer Fans gelesen? Nein, friedlich färben sie Städte rot und machen den Stadionbesuch zum Familien-Ausflug. Dennoch sorgen sie für Stimmung. Unvergessen bleibt der gemeinsame Chor mit den finnischen Fans, als es von der einen Seite „Christian“ und von der anderen „Eriksen“ hallte.
- Das Land
Klar, Dänemark gehört nicht zu den Top-Urlaubsdestinationen in Europa. Doch wer das Land im Allgemeinen oder die Hauptstadt Kopenhagen im Speziellen einmal besucht hat, der will wieder kommen. Die Dänen sind immer freundlich (außer man sitzt auf dem Rad und hält sich nicht an die Gepflogenheiten im Peloton). Kopenhagen lädt ein mit der wunderbaren Lage am Meer und angenehm langen Sommer-Abenden, mit einer unüberblickbaren Masse an Shopping-Möglichkeiten und kulinarischen Erlebnissen.
Dänemark zieht eben alle in seinen Bann – nicht nur die Fußballfans.
Mannschaften, die bei den letzten Großereignissen die Herzen der Fans erobert haben – der KURIER gibt den Überblick.
WM 1990: Kamerun
Wer erinnert sich nicht an die unbezähmbaren Löwen aus Kamerun? Bei der WM 1990 besiegten sie schon im Eröffnungsspiel Argentinien sensationell 1:0. Und als dann im zweiten Gruppenspiel gegen Rumänien (2:1) auch noch „Fußball-Opa“ Roger Milla (damals 38) loslegte, waren die Sympathien endgültig verteilt. Seinen legendären Tanz mit der Eckfahne durfte er bis ins Viertelfinale praktizieren.
EM 1992: Dänemark
Das vielleicht berühmteste Sommermärchen mit Happy End. Heuer will es Dänen-Goalie Kasper Schmeichel seinem Papa Peter nachmachen.
EM 1996: Tschechien
Das Land war gerade drei Jahre alt, als es Tschechien bis ins EM-Finale schaffte (1:2 gegen Deutschland). Das Turnier war der erste große Auftritt von Stars wie Pavel Nedved, Patrik Berger, Karel Poborsky oder Vladimir Smicer.
WM 1998: Frankreich
Mit einer Multikulti-Truppe schaffte Frankreich seinen ersten WM-Titel – und das im eigenen Land. Ganz Fußball-Europa freute sich mit dem jungen Zidane, Thuram, Deschamps und Co.
WM 2002: Senegal
Als Underdog besiegte Senegal zum Auftakt Weltmeister Frankreich und war plötzlich in aller Munde. Auf der Euphoriewelle surften die Afrikaner bis ins Viertelfinale.
WM 2006: Deutschland
Wenn sogar Österreicher den deutschen Nachbarn die Daumen drücken ... So geschehen bei deren Heim-WM. Tolle Leistungen, schöne Tore und ein ganzes Land im Fußball-Fieber. Am Ende blieb Platz drei.
EM 2016: Island
Mit den „Huh“-Schlachtgesängen setzten die isländischen Fans nicht nur einen neuen Trend. Sie brachten ihr Team bei der EM-Premiere auch gleich ins Viertelfinale. Und ganz Europa schrie „Huh“.
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