Italiens Matchwinner: In Brasilien geboren, nicht immer willkommen

Emerson (l.) und Jorginho
Teamchef Roberto Mancini wollte einst nur Spieler, die auch in Italien geboren wurden. Ob er das nun anders sieht?

Jorge Luiz Frello Filho, oder kurz Jorginho, ist der gefeierte Held der Italiener. Beeindruckend, mit welcher Coolness der 29-Jährige am späten Dienstagabend im Elfmeterschießen gegen Spanien nach 120 Halbfinalminuten zum entscheidenden Versuch antrat, Tormann Unaí Simon täuschte und den Ball fast schon im Zeitlupentempo ins verwaiste rechte Eck rollte. Jorginho, ein Name, der nicht unbedingt italienisch klingt, ist also letztverantwortlich für den Finaleinzug der Squadra Azzurra bei dieser EM.

Mit 15 nach Verona

Jorginho ist in der Tat auch erst seit fünf Jahren italienischer Teamspieler. Der gebürtige Brasilianer war im Alter von 15 Jahren allein nach Italien gekommen, um bei Hellas Verona Profi zu werden. Jorginho wurde in einem Kloster untergebracht und   musste von 50 Euro die Woche leben.  Immer wenn er mit seiner Mutter Maria Teresa telefonierte, die selbst Fußballerin war, und ihr sein Heimweh beklagte, sagte sie ihm: „Bleib dort.“

Mittlerweile spielt er beim FC Chelsea, wo er Stammkraft ist und in der vergangenen Saison auch großen Anteil hatte am Sieg in der Champions League.

Ob er dem größten Triumph im Klubfußball nun auch den EM-Titel folgen lässt? Der Sechser ist jedenfalls nicht wegzudenken aus dem Dreier-Mittelfeld in der 4-3-3-Formation von Roberto Mancini, die am Dienstagabend doch gehörig unter Druck geraten war gegen die so spielstarken Spanier.

Doch dass Jorginho unter Mancini überhaupt im Kader der Squadra Azzurra steht, ist durchaus kurios, ließ der Teamchef doch noch vor einigen Jahren mit einer nationalistischen Bemerkung aufhorchen. Im Zuge einer Diskussion um Spieler mit Doppelstaatsbürgerschaften oder eben mit Wurzeln aus anderen Ländern hatte der damalige Inter-Coach gesagt: „Wir tun alles um unseren Nachwuchs zu verbessern, doch im Team spielen dann die Doppelstaatsbürger. Es wäre besser, unsere Jugendlichen zu fördern.“ Die italienische Nationalmannschaft, so Mancini weiter, müsse „italienisch sein. Ich denke, dass es ein italienischer Spieler verdient, in der Nationalelf zu spielen, während derjenige, der nicht in Italien geboren ist, auch wenn er italienische Verwandte hat, es nicht verdient. Das ist meine Meinung.“

Irgendwie, so scheint es, dürfte es sich Jorginho nun doch verdient haben, für Italien zu spielen. Und das, obwohl er weder am Stiefel geboren wurde, noch italienische Verwandte hat. Vielleicht ist er aber auch einfach nur zu gut, um auf ihn zu verzichten. Sprich: Er spielt keinen Stiefel. Mancinis aktuellstes Urteil ließe jedenfalls darauf schließen. „Er ist für uns so wichtig, da er das Tempo vorgibt und die ganze Mannschaft zum Ticken bringt“, sagte der 56-Jährige.

Noch ein Brasilianer

Und wie es das Schicksal so will, musste Mancini im Halbfinale gar noch einen zweiten gebürtigen Brasilianer aufbieten. Emerson, 2014 vom FC Santos nach Palermo gekommen und seit 2018 italienischer Teamspieler, ersetzte auf der linken Abwehrseite Leonardo Spinazzola. Und Emerson war es auch, der die Italiener beinahe in Führung gebracht hatte in dieser Partie. Der allererste Schuss aufs Tor der Spanier in Minute 45 kam von ihm und verfehlte sein Ziel nur um Zentimeter.

Und weil Spinazzola bis zum Finale keine Wunderheilung erfahren wird, werden beide gebürtige Brasilianer wieder zum Zug kommen. Und sie wären auch nicht die ersten Einwanderer, die im blauen Trikot einen Titel gewinnen. Die WM-Titel 1934 und 1938 sicherte sich die Squadra Azzurra mit den beiden eingebürgerten Argentiniern Raimundo Orsi und Luisito Monti.

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