Italien-Legionär Gucher: "Will vor allem Emotionen erleben"

Robert Gucher (re. mit Pokal) lebt seinen italienischen Traum.
Der Steirer Robert Gucher spielt seit über einem Jahrzehnt in Italien. Als Kapitän führte er AC Pisa in die Serie B.

Eigentlich könnte sich Robert Gucher schon längst Roberto nennen. So lange wie er jetzt bereits in Italien ist. Der Steirer hat die meiste Zeit seiner Karriere im Land des vierfachen Fußballweltmeisters verbracht. "Das ist meine zwölfte Saison in Italien, mich zählen sie hier nicht mehr als Ausländer", erzählt Gucher, "das ist ein Riesenkompliment."

Italien-Legionär Gucher: "Will vor allem Emotionen erleben"

Robert Gucher (re.) schoss in der Relegation gegen Triestina das entscheidende Tor.

Nicht umsonst trägt der 28-Jährige bei seinem Verein die Kapitänsbinde. Gucher ist einer der Leader beim Traditionsverein AC Pisa, der in die Serie B zurückgekehrt ist und an diesem Freitag mit dem Heimspiel gegen Benevento  die neue Saison eröffnen darf. "Man kann sich gar nicht vorstellen, was sich in dieser fußballverrückten Stadt gerade abspielt", sagt Gucher.

Und der gebürtige Grazer hat in seiner Karriere schon einiges an Fanatismus erlebt. Etwa als ihm mit Frosinone Calcio, einem kleinen Verein aus der Provinz Latium, 2015 der Durchmarsch von der dritten Liga in die Serie A gelang. Bereits dort hatte der Österreicher das Team als Kapitän angeführt.

Italien-Legionär Gucher: "Will vor allem Emotionen erleben"

Die Fans von AC Pisa gehören zu den stimmungsvollsten in Italien.

Mit der aktuellen Euphorie rund um AC Pisa ist das allerdings nicht zu vergleichen. Der Klub aus der Toskana kann auf etliche Saisonen in der Serie A und einige teils namhafte Akteure zurückblicken: Diego Simeone (heute Trainer von Atletico Madrid) trug genauso das Trikot der Schwarz-Blauen wie Ex-Juve-Erfolgscoach Massimilano Allegri oder auch der brasilianische Weltmeister Carlos Dunga. "Den Leuten in dieser Stadt bedeutet es extrem viel, dass der Verein jetzt zumindest wieder in der Serie B  spielt", weiß Robert Gucher, "AC Pisa hatte in der dritten Liga nichts verloren."

Die Erlebnisse der vergangenen Wochen haben Gucher noch einmal mehr darin bestätigt, dass es die richtige Entscheidung war, 2017 freiwillig in die Serie C zu gehen. Viele konnten diesen  Schritt nicht nachvollziehen, zumal ihm damals auch Angebote aus höheren Ligen vorgelegen waren. "Man muss im Leben auch einmal Dinge machen, die vielleicht nicht immer verständlich sind", sagt Robert Gucher nur. "Die Frage ist: Will man bei einem Klub in der Serie A oder Serie B unter Vertrag stehen ohne dort zu spielen, oder will man etwas mitgestalten und entstehen lassen?"

Italien-Legionär Gucher: "Will vor allem Emotionen erleben"

Mit Frosinone Calcio stieg der Steirer (re.) seinerzeit sogar in die Serie A auf.

Nach einem Jahrzehnt in Italien hat der Steirer für sich die Antwort längst gefunden: "Ich will vor allem Emotionen erleben. Diese Gefühle sind unbeschreiblich und extrem viel wert. Ich weiß, was es heißt, in einem Fußballland wie Italien in die höhere Liga aufzusteigen."

"Es läuft alles in die richtige Richtung"

Als AC Pisa das Entscheidungsspiel um den Aufstieg bestritt, wurde das Team von 6000 Tifosi ins knapp 500 Kilometer entfernte Triest begleitet. Am Ende war es Kapitän Robert Gucher vorbehalten, mit seinem Tor in der Verlängerung die Rückkehr in die zweithöchste Spielklasse zu fixieren. Beim nächtlichen Empfang daheim war dann halb Pisa auf den Beinen.

Italien-Legionär Gucher: "Will vor allem Emotionen erleben"

Nach dem Aufstieg wurde Robert Gucher und seinen Kollegen in Pisa ein großer Empfang bereitet.

In der Serie B sind der allgemeinen Euphorie nun allerdings Grenzen gesetzt. Das Stadion in Pisa, die ehrwürdige Arena Garibaldi, verdient sich diesen Namen nur auf dem Papier. "Normalerweise würden ja 20.000 Leute kommen, aber aus Sicherheitsgründen sind bei weitem nicht so viele Fans zugelassen", weiß Robert Gucher. Immerhin verfolgt der Klubchef ambitionierte Pläne: Der Bau eines neuen Stadions gilt als beschlossene Sache, mittelfristig will der Verein wieder in der Serie A am Ball sein. "Es läuft alles in die richtige Richtung", sagt Gucher.

Italien-Legionär Gucher: "Will vor allem Emotionen erleben"

Der Pisa-Kapitän mit der Aufstiegs-Trophäe.

Das war nicht immer so. In seiner ersten Saison in Pisa 2017/’18 hatten teils chaotische Zustände geherrscht. "Man hat 25 neue Spieler zusammengekauft, es gab drei Trainerwechsel", erinnert sich der Steirer. Auch das Verhältnis zu den Fans war nicht so unbeschwert wie jetzt. "Die Ultras sind schon einmal in der Kabine gestanden und haben dann richtig aufgedreht. Aber wenn es positiv läuft, tragen sie dich dann auf einer Welle."

Italien-Legionär Gucher: "Will vor allem Emotionen erleben"

Zum Aufstiegsspiel in Triest reisten zahlreiche Freunde und Verwandte an.

Robert Gucher macht daher privat meistens einen großen Bogen um Pisa. Auch weil die Touristen die Stadt und die Sehenswürdigkeiten belagert haben. Der Schiefe Turm steht in Sichtweite des Stadions, "dort ist es unerträglich", verrät Gucher, der an der Küste in Viareggio lebt. "Ich fühle mich hier wirklich daheim."

Und sollte die Sehnsucht nach Österreich und Graz, wo die Freundin lebt, doch einmal zu groß werden, dann muss Robert Gucher nur ins Stadion gehen und den Fangesängen lauschen. Die Pisa-Ultras pflegen seit Jahren eine Freundschaft mit den Anhängern von Sturm Graz. "Unsere Fans singen deshalb sogar Lieder auf deutsch."

Kommentare