Losgegangen ist das "Spionagegate" vor einem Jahr. Jetzt eskaliert es. Vor dem Cupfinale, das bereits 2023 in der Besetzung Rapid - Sturm als Ausgangspunkt des Streits zwischen Christian Ilzer und Robert Klauß diente.
"Paranoia", "Lügen", "scheinheilig" - es waren ungewohnt harte Worte, die Sturm-Trainer Ilzer nach dem 3:1-Sieg der Grazer in Hütteldorf Richtung Rapid-Coach Klauß schoss.
Erinnerung an das brutale Duell Kapfenberg - Simmering
Klauß hatte am Dienstag erwähnt, dass Rapid-Trainings von Sturm-Spionen beobachtet würden - Mittwochnacht kam es zur Eskalation zwischen den Steirern und den Wienern, wie beim von Helmut Qualtinger geprägten Klassiker Kapfenberg - Simmering: "Das nenn' I Brutalität."
Wie KURIER-Recherchen ergeben, hat der Streit eine lange Vorgeschichte - lange bevor Klauß überhaupt Rapid-Trainer wurde.
Vor einem Jahr hat Sturm das Cupfinale gegen Rapid 2:0 gewonnen, völlig verdient.
Monate später wurde den Hütteldorfern zugetragen, dass es den Grazern gelungen war, die Rapid-Vorbereitung perfekt auszuspionieren. Auch das Standardtraining. Im Endspiel kamen die Hütteldorfer auf eine zweistellige Zahl an Eckbällen, gefährlich wurde Rapid durch die vielen Corner nicht.
Die üblichen Kollegen-Gespräche in der Liga ergaben, dass sich auch andere Trainer durch die Grazer ausspioniert fühlen würden. Klauß hatte diesen Eindruck vor dem ersten Duell mit Sturm im Februar (1:1) durch einen tagtäglichen Beobachter, der just vor dem Sturm-Spiel versuchte, die Rapidler aus der Ferne zu beobachten.
Deswegen rief Sportdirektor Markus Katzer vor dem Wiedersehen am Freitag in Graz (1:0 für Sturm) seinen Kollegen Andreas Schicker an.
Das Thema wird öffentlich
Öffentlich wurde das Thema erst am Dienstag, als Klauß im Rahmen der Pressekonferenz die Spionage ehe nebenbei erwähnte. „Sturm Graz ist eh bei jedem Training von uns anwesend. Sie versuchen, uns mit Spionen auszuspionieren, die sehen wir eh jedes Mal und schicken sie dann wieder weg", sagte der Barisic-Nachfolger. Mit einem Lächeln ergänzte er, dass die Rapidler den Sturm-Spionen zuwinken würden.
Die nächste Runde des Zwists übertrug Sky live. Es war zu sehen, wie Ilzer den üblichen Handschlag mit dem Trainerkollegen vor Spielbeginn verweigerte. "Keine Lust", sagte Ilzer dazu. Klauß zeigte sich im TV-Interview erstaunt.
Nach dem Spiel gab es einen kurzen Handschlag, allerdings begleitet von deutlichen Worten der Trainer und einem unfreundlichen Ende. Klauß erklärte auf Sky, dass Ilzer "mit allen bei Rapid, nur nicht mit mir geredet hat".
Er hätte erwartet, dass von Sturm-Seite entweder eine Entschuldigung für die Spionage kommt, oder "dass man dafür einsteht. Ist auch okay, wenn sie das so machen wollen. Aber das abzustreiten, finden wir nicht so gut."
Im Sky-Interview hielt sich Ilzer danach noch zurück. Bei der Pressekonferenz folgte der Frontalangriff Richtung Klauß: "Ich brauche keinen, der eine Extrageschichte inszeniert mit einem scheinheiligen Lächler, das ist nicht mein Stil."
Ilzer über Klauß: "Wenn er irgendwo eine Paranoia hat"
„Wir haben was Besseres zu tun, als uns ein Rapid-Training von diesem witzigen Turm anzuschauen. Nicht jedes Auto, das dort oben mit einer Grazer Nummerntafel parkt, ist ein 'Spion' von Sturm Graz“, sagte der Steirer und meinte außerdem in Richtung des Rapid-Trainers: „Wenn es ein Problem von seiner Seite gibt, dann kann er mich anrufen, wenn er irgendwo eine Paranoia hat. Meine Art, Dinge zu klären, ist von Mann zu Mann. Und nicht, eine Geschichte zu inszenieren und die über die Medien auszutragen.“
Tatsächlich hatte es aber vor dem Eklat persönliche Gespräche gegeben. So hatte Markus Katzer seinen Amtskollegen Andreas Schicker angerufen - die beiden verbindet ein gutes Verhältnis. Es wurde der Ärger von Klauß deponiert und dass es ein Gentlemen's Agreement in der Liga gebe, Trainingseinheiten nur dann zu beobachten, wenn diese auch als frei zugänglich deklariert werden. Schicker sagte zu, das Thema mit Ilzer zu besprechen.
Ilzer: "Ob davor was war oder nicht, kann ich nicht sagen"
Ilzer erklärte dazu Mittwochnacht: „Ich habe gesagt, ich werde noch einmal mit meiner Analyseabteilung sprechen, dass keiner das Rapid-Training beobachtet. Ob davor was war oder nicht, kann ich nicht sagen. Ich habe es ihnen versprochen, dass keiner kommen wird, mein Wort zählt etwas. Wir haben andere Dinge zu tun, als ein Training von Robert Klauß anzuschauen.“
Ilzer betonte, dass er "anders als Klauß nicht über die Medien eine Geschichte inszeniere" und die Angelegenheit direkt, "von Mann zu Mann" klären wolle. Doch dann wurde der Steirer emotional und sprach vor den Medienvertretern ausführlich über die Causa.
Einerseits widersprach Ilzer den Rapid-Vorwürfen, andererseits führte er aus, dass in Österreich "die Infrastruktur eben so sei" und alle Teams beobachtet werden könnten. Auch Sturm: "Bei uns kann man vom Gehsteig aus reinschauen."
Ilzer vs. Klauß: "Anpatzen", aber richtig?
Die Trainer versuchen bei aller Konkurrenz stets, mit Respekt übereinander zu sprechen. Öffentliche Auseinandersetzungen wie etwa vor einem Jahrzehnt zwischen Didi Kühbauer und Roger Schmidt sind selten geworden.
„Einen Trainer anzupatzen, ist in Österreich nicht üblich. Das sollte man ihm vielleicht einmal ausrichten“, meinte Ilzer - und tunkte dann den Deutschen ordentlich ein, mit gleich drei Seitenhieben:
Vergleich mit Barisic
Vergleich der Systeme
Vergleich des Trainings
Ilzer verglich Klauß mit Vorgänger Zoran Barisic (das ist äußerst ungewöhnlich unter aktiven Trainern) und betonte, dass Rapid jetzt weniger Torgefahr ausstrahle: „Ich bin ein Fan von Offensivfußball. Er hat Rapid deutlich stabiler gemacht, aber wenn ich mir den xG-Wert (Anm.: der Expected-Goals-Wert errechnet die Wahrscheinlichkeit von Toren) unter Zoki Barisic anschaue und unter Robert Klauß, dann ist da ein deutlicher Rückgang.“
Ilzer verglich das tatsächlich sehr stabile Sturm-Spiel, das auch durch Änderungen der Formation nicht schlechter werde mit der erstmals probierten Dreierkette von Rapid beim 1:3: „Wenn er dann eine andere Systematik spielt, so wie heute, dann ist da kein Automatismus drinnen. Da tut er sich vermutlich selbst keinen Gefallen.“
Ilzer lud seinen Kontrahenten ironisch formuliert zu einem Trainingsbesuch ein: „Wenn er unbedingt will, soll er zu uns kommen. Aber da fährt er deprimiert nach Hause, weil da sieht er, mit welcher Intensität und welchem Engagement zu Werke gegangen wird.“
Und jetzt? Klauß verzichtete vorerst auf einen Konter.
"Ich kann mit diesen Vorwürfen besser schlafen als mit der Niederlage gegen Sturm. Ich habe erklärt, warum ich das erwähnt habe. Ich will nicht noch Öl ins Feuer gießen."
Aber die nächste Runde steht bevor.
In Klagenfurt, am 1. Mai - beim Cupfinale Rapid - Sturm.
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