Alle Spuren führen nach Singapur

Die Fäden des dubiosen Wettgeschäftes führen im Steuerparadies zusammen.

Vor zwei Wochen empfing die Admira Vysočina Jihlava zu einem Testspiel – bei tief winterlichen Bedingungen auf einem Trainingsplatz im BSFZ Südstadt. Unter den zwei Dutzend Augenzeugen musste einer einfach auffallen. Ein Asiate war live beim einseitigen Spiel dabei, das der tschechische Erstligist klar mit 3:0 gewinnen konnte. Aufgeregt kommentierte er jede Szene mittels Headset in sein Handy.

Das ist gar nicht so ungewöhnlich. Asiaten, die 90 Minuten während eines Fußballspieles telefonieren, sind bei vielen österreichischen Fußballspielen, auf das gewettet werden kann, anzutreffen. Erkundigt man sich, warum sie das machen, erhält man als Antwort nur ein Achselzucken. Theorien, warum sie das machen, gibt es einige. Eine durchaus einleuchtende ist Folgende: So werden Wettprofis in Asien bei Livewetten immer auf dem Laufenden gehalten, können so auf Entwicklungen eines Spieles besser reagieren.

Wett-Wahnsinn

Sportwetten sind in Asien ein Volkssport – gewettet wird auf praktisch alles, besonders gerne auf Fußballspiele. Der Wettmarkt ist ein undurchsichtiger, weil es neben den wenigen legalen auch Hunderte illegale Wettanbieter gibt.

Dieses Wirrwarr lockt auch Kriminelle an, die den Fußball als Wirt für ihre Machenschaften benutzen. Dass die Spur von Europol in dem bisher größten weltweiten Wettskandal nach Singapur führt, überrascht nicht. Es liegt nicht allein an der Fußballbegeisterung der Menschen in dem Inselstaat, sondern an seiner Bedeutung als Steuerparadies und Finanzdrehscheibe.

Singapur ist das Epizentrum, weil dort das Geld aus ganz Asien zusammenfließt“, sagt der italienische Wettexperte Antonio Talia. „Es gibt ein weitverzweigtes System von Wettorganisationen im Untergrund, das perfekt dazu passt, Spiele zu manipulieren“, sagt Talia. „Spielabsprachen sind wie ein Finanzprodukt.“ So soll besonders aus China, wo Sportwetten verboten sind, Schwarzgeld nach Singapur fließen.

Mittlerweile sind auch Namen von angeblichen Wettpaten bekannt, etwa jener von Eng Tan Seet. Der 47-Jährige, dessen Vermögen auf 200 Millionen Euro geschätzt wird, war einst selbst als Buchmacher tätig, mittlerweile soll er sich unter seinem Decknamen Dan Tan auf die Wettmanipulation im großen Stil spezialisiert haben – mit einem kriminellen Netzwerk in ganz Europa.

Gegen Tan gibt es schon einen internationalen Haftbefehl, der in Singapur aber noch nicht vollstreckt worden ist. Der kanadische Enthüllungsjournalist Declan Hill glaubt zu wissen, warum: „Tan ist nur ein Makler. Die echten Drahtzieher haben kein Gesicht. Deshalb ist es kein Wunder, dass er nicht verhaftet wird. Wenn er auspackt, rollen noch ganz andere Köpfe.“

Das wahre Ausmaß des Wettskandals, der eigentlich kein neuer ist, sondern auf dem aufbaut, was schon durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bochum bekannt gewesen war, kann niemand abschätzen, auch weil Europol nur wage Angaben gemacht hat – aus ermittlungstechnischen Gründen.

Generalverdacht

Dieses Verhalten ruft aber auch schon Kritiker auf den Plan, besonders in Deutschland. Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach forderte Europol auf, nach Abschluss der Ermittlungen rasch und ganz konkret Fakten zu nennen, sonst werden Vereine, Spieler und Schiedsrichter noch länger unter Generalverdacht gestellt.

Singapur ist ein Insel- und Stadtstaat, der flächenmäßig der kleinste Staat Südostasiens ist. Er besteht aus einer Hauptinsel, drei größeren sowie 56 weiteren kleineren Inseln und liegt zwischen Malaysia im Norden und Indonesien im Süden. Auf einer Landesfläche von nur 712,4 km²leben über 5,3 Millionen Einwohner.

Der Großteil der Bevölkerung sind Chinesen (76,8 Prozent). Die offizielle Nationalsprache von Singapur ist aber trotzdem Malaiisch.

680 Spiele wurden laut den Ermittlungen von Europol von der Wettmafia manipuliert.

380 Spiele davon fallen unter einen Altbestand. Ein Großteil davon wurde bereits gerichtlich aufgearbeitet.

300 Fußballspiele sind neu auf der Liste der verdächtigen Partien. Bei rund der Hälfte soll es laut Europol bereits erdrückende Beweise für Manipulation geben.

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