Wie der ÖFB mehr Spaß für Kinder und neue Stars schaffen will
Wenn Nachwuchstrainer der Ehrgeiz packt, dann sieht das oft so aus: Die Besten spielen, die weniger Talentierten dürfen erst mitwirken, wenn die Partie schon entschieden ist. Eltern von Fußball spielenden Kindern kennen das. Und es tut weh, wenn es den eigenen Knirps betrifft.
Damit soll ab Sommer Schluss sein. Der ÖFB hat als Dachverband eine Reform im Kinderfußball beschlossen, die ab kommender Saison in Kraft treten wird. Und eines vorweg: Es handelt sich dabei nicht um eine Empfehlung, sondern eine österreichweite Vorgabe, die von allen 2.000 Vereinen umzusetzen ist.
Über Workshops werden der ÖFB und die Landesverbände in den kommenden Wochen die Nachwuchsleiter der Klubs exakt informieren.
Zwei Kennzahlen haben den Fußball-Bund dazu animiert, neue Strukturen zu schaffen: 25 Prozent, also jedes vierte Kind, hört im ersten Jahr nach seiner Erstanmeldung wieder auf, zu kicken. Und weniger als 50 Prozent überhaupt spielen nach ihrem 18. Lebensjahr noch Fußball. "Diese Zahlen sind aus Studien der UEFA anhand unserer Zahlen hervorgegangen", sagt Stefan Gogg, Leiter für Breitenfußball im ÖFB.
Fußball soll künftig für alle Kinder mehr Spaß machen, die personellen Verluste reduziert werden und mittel- bis langfristig auch in die Spitze wirken – mit besseren Kickern für die Nationalteams.
Weniger ist mehr
Wie das gelingen soll? In erster Linie durch eine reduzierte Zahl an Spielern. So wird ab Sommer etwa in der Altersklasse der Unter-Siebenjährigen nicht mehr fünf gegen fünf, sondern drei gegen drei gespielt – auf vier Tore und mehrere Felder zugleich. Bis hin zur U13 werden Spielerzahl und Spielfeldgröße reduziert (siehe Grafik).
Jedes einzelne Kind soll künftig mehr Spaß haben. Auch dafür gibt es Zahlen, die der ÖFB anhand von Datenanalysen mit GPS-Sensoren evaluiert hat. So kommen etwa Achtjährige in der neuen Wettbewerbsform zu mehr als 60 Prozent mehr Ballaktionen und zu mehr als 148 Prozent mehr Torerfolgen in der selben Spielzeit. Die Anzahl an Dribblings steigt gar um 270 Prozent. "Und wenn wir bedenken, dass die Trainer auch unter der Woche in den neuen Formaten trainieren werden, wird sich der Lerneffekt noch entsprechend vervielfachen", ist Gogg überzeugt.
Durch die kleinere Zahl an Spielerinnen und Spielern sind künftig früher als bisher – sofern erwünscht – eigene Mädchenspiele möglich.
Fakt ist, dass es im Umkehrschluss mehrere kleine Spielfelder braucht, die von den Trainern vorbereitet werden müssen. Und ohne Tore geht’s auch nicht, weshalb die 2.000 Vereine seitens des ÖFB und den Landesverbänden mit leicht aufklappbaren und transportfähigen Pop-up-Toren ausgestattet werden.
Keine Halbzeiten
Dass dann auch wirklich alle Kinder zum Einsatz kommen, soll eine weitere Maßnahme sicherstellen: In der U9 und U10 gibt es künftig keine zwei Halbzeiten mehr, sondern Viertel. Von der U11 bis zur U13 wird die Spieldauer in Drittel unterteilt. Gogg: "Die Regelung ermöglicht es uns, dass jedes Kind zumindest ein Drittel bzw. Viertel Spielzeit bekommen muss." Im Zuge dessen wird bis inklusive der U12 auch die Tabelle abgeschafft. "Wir wollen die individuelle Entwicklung anstelle eines Tabellenplatzes in den Fokus stellen", erklärt Gogg. Sieger und Verlierer gebe es auch weiterhin. "Eine Erfahrung, die für Kinder wichtig ist."
Auch einer Studie aus England – wonach vermehrtes Kopfballspiel in der Kindheit mit Demenzerkrankungen korreliert – wird Rechnung getragen. Gogg: "Bis zur U10 gibt es künftig keine Standardsituationen mehr, der Ball wird eingepasst oder eingedribbelt. Das fördert den Spielfluss."
Neu ist, dass der ÖFB mit all seinen Neuerungen nicht nur Innovation zeigt, sondern auch vorangeht. In Deutschland etwa soll eine ähnliche Reform erst 2024 folgen – als Empfehlung.
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