Gianni Infantino ist neuer FIFA-Präsident
Die FIFA bleibt in Schweizer Hand: Gianni Infantino hat in einem spannenden Finish den Machtkampf um den FIFA-Thron gewonnen. Als Nachfolger seines gestürzten Landsmanns Joseph Blatter muss der 45-Jährige nun den Fußball-Weltverband nach unzähligen Affären und Skandalen aus der Mega-Krise führen. "Ich will eine neue Ära", sagte Infantino unmittelbar nach seiner Wahl in einer kurzen Rede.
Infantino ist der neunte FIFA-Präsident in der 112-jährigen Geschichte des Weltverbandes und der zweite aus der Schweiz.
Der FIFA-Kongress auf einen Blick:
- Finanzdirektor Kattner berichtete von Verlusten in dreistelliger Millionenhöhe
- Der Kongress verabschiedete ein umfangreiches Reformpaket
- In je 15-minütigen Reden stellten sich die Präsidentschaftskandidaten (siehe Porträts unten) vor
- Kandidat Sexwale zog seine Kandidatur vor dem ersten Wahlgang zurück
- In alphabetischer Reihenfolge schritten die 207 wahlberechtigten Mitgliedsverbände zur Abstimmung
- Gianni Infantino bekam im ersten Wahlgang überraschend die meisten Stimmen, aber keine Zweidrittel-Mehrheit
- Erster Wahlgang: Gianni Infantino 88 Stimmen, Scheich Salman bin al Chalifa 85, Prinz Ali bin al-Hussein 27, Jerome Champagne 7
- Im zweiten Wahlgang reichte eine einfache Mehrheit (über 50 Prozent = 104 Stimmen)
- Gianni Infantino erhielt 115 Stimmen und ist damit neuer FIFA-Präsident.
- Zweiter Wahlgang: Infantino 115, Scheich Salman 88, Prinz Ali 4, Champagne 0
"Ein guter Tag für den Weltfußball"
Nach nervenzehrendem Kongress über achteinhalb Stunden, davon über vier Stunden Wahl-Prozedere, erhielt Infantino um 17.59 Uhr das für ihn erlösende Ergebnis im Zürcher Hallenstadion: 115 Stimmen bedeuteten die nötige einfache Mehrheit, 88 Delegierte stimmten für Scheich Salman. "Das ist ein guter Tag für den Weltfußball. Er garantiert am meisten von allen Kandidaten, dass das Vertrauen in die FIFA wieder zurückkehrt", erklärte ÖFB-Präsident Leo Windtner, der Infantino unterstützt hatte.
An der FIFA-Spitze muss er nun für einen Ausgleich mit der Salman-Fraktion sorgen und das bei ungewöhnlich knapper FIFA-Kasse und mit den Ermittlungen der Justiz als großer Drohkulisse. Infantinos erste Amtszeit geht bis 2019. Dann kann er wegen der neuen Statuten maximal noch acht Jahre bleiben und nicht die Dauer-Führung seiner Vorgänger Joao Havelange (24 Jahre) und Blatter (18) kopieren.
88 Stimmen für den geschlagenen Scheich Salman, der - für viele überraschend - nicht zum ersten asiatischen FIFA-Chef gewählt wurde, machen deutlich, dass die Infantino-Mehrheit nicht bequem war.
Im ersten Wahlgang hatte Infantino mit 88 Stimmen schon die Nase vorn gehabt. Ein Raunen ging durch die Halle, als nur 85 Stimmen für den Scheich verkündet wurden. Da Prinz Ali bin al-Hussein (27) und Jerome Champagne (7) nicht zurückzogen, ging es in die zweite Runde. Scheich Salman musste seine Niederlage schließlich einräumen.
Infantino hatte eine engagierte Schlussrede gehalten. Großen Applaus bekam er vor allem für seine finanziellen Versprechungen. "Ich frage Sie alle: Wenn die FIFA fünf Milliarden einnimmt, können wir dann nicht 1,2 Milliarden reinvestieren. Das Geld der FIFA ist Ihr Geld. Das Geld der FIFA muss der Entwicklung des Fußballs dienen." Diese Aufstockung der Zuwendungen war von Scheich Salman als unseriös kritisiert worden.
Wahlkämpfer
Sein Wahlkampf im Turbomodus hatte Infantino in den letzten Wochen von einem Außenseiter zum ernsthaften Präsidentschaftsanwärter gemacht. Nun ist er in der Fußball-Hierarchie ganz oben und das nur, weil sein Ziehvater Platini in den Strudel der Skandale geraten war und seine Ambitionen auf den FIFA-Thron begraben musste. "Ich habe vor fünf Monaten noch gar nicht daran gedacht, überhaupt zu kandidieren", sagte er.
Scheich Salman war im Vorfeld stark kritisiert worden. Es gibt Vorwürfe, dass er bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung in seiner Heimat 2011 oppositionelle Fußballer denunziert haben soll. Vor der Halle demonstrierten Menschenrechtsgruppen gegen Folter und Gewalt durch die Herrscher in Bahrain. Am frühen Vormittag hatte eine kleine Gruppe Anhänger sich für den Scheich engagiert.
Kurz vor Beginn der Abstimmung war das Bewerberfeld auf vier Kandidaten geschrumpft. Der chancenlose Außenseiter Tokyo Sexwale gab am Ende einer launigen Rede seinen Rückzug bekannt.
Wichtiges Reformpaket abgesegnet
Einen wichtigen Schritt aus der Krise hatte die FIFA kurz zuvor gemacht. Bei der Abstimmung über die dringend notwendigen Reformen votierte die notwendige Drei-Viertel-Mehrheit für das Paket, das unter anderem eine Machtbeschränkung für den Präsidenten und die Exekutivmitglieder vorsieht. Insgesamt 179 von 207 Verbänden stimmten für die Reformen, 22 lehnten diese ab, sechs gaben kein Votum ab.
Ohne die Umstrukturierungen der Statuten wäre die Amtszeit des neuen Präsidenten mit großen Makel belegt gewesen. Hätte sich die FIFA den Reformen verweigert, wäre in der Korruptionsaffäre vor allem der Druck der US-Behörden gestiegen. Mit der Reform will der Verband die politische von der ökonomischen Entscheidungsebene trennen.
Die Krise hat bereits ernste Konsequenzen für die FIFA. Die sonst so glänzende finanzielle Situation ist plötzlich prekär. Finanzdirektor Markus Kattner sprach von einem derzeit zu erwartenden Defizit für den Zyklus bis 2018 von 550 Millionen Dollar (498,78 Mio. Euro) im Vergleich zu den Prognosen aus dem Jahr 2014. Dies würde die Rücklagen des Fußball-Weltverbandes von rund 1,5 Milliarden Dollar (1,36 Mrd. Euro) aus dem Jahr 2014 um rund ein Drittel reduzieren.
Die FIFA-Präsidenten von 1904 bis heute
Gianni Infantino (45/Schweiz):
Der Sohn italienischer Immigranten hat sich dank seiner Intelligenz und nicht erlahmendem Ehrgeiz einen Platz in der internationalen Beletage des Sportmanagements erarbeitet. Im Schatten des inzwischen abgesetzten UEFA-Präsidenten Michael Platini führte der vierfache Familienvater seit 2009 in Nyon die europäische Cashmaschine als Generalsekretär.
Der Rechtsanwalt mit mehrjähriger Erfahrung in der Klublizenzierung gilt als überaus dossiersicher. Europas und Südamerikas Verbände halten ihn geschlossen für den perfekten Kandidaten zur sofortigen Umsetzung des Reformpakets. Die Akte des Wallisers ist unbefleckt, seine Wählbarkeit ist unumstritten. Der "Piccolino", ein familieninterner Übername aus seiner Kindheit, hat das große Bild vor Augen: "Die Verbände haben mit der Wahl die Kraft, ihr eigenes Schicksal und jenes der FIFA zu bestimmen."
Der Präsident: Der Chef des Weltverbandes soll repräsentieren und nicht regieren. Verträge über TV- und Marketingdeals werden nicht mehr von ihm gemacht. Er ist Mitglied des Councils und darf einen Vorschlag für die Ernennung des Generalsekretärs abgeben. Seine Regentschaft ist auf maximal drei mal vier Jahre begrenzt. Das Gehalt wird veröffentlicht.
Das Council: Aufsichtsrat statt Regierung. Das neue Gremium ersetzt das Exekutivkomitee. 37 Mitglieder statt bisher 25 inklusive Präsident, dazu hohe Repräsentation aus Afrika und Asien. Statt die operativen Entscheidungen zu treffen, werden sie im Council nur noch genehmigt. Wie der Präsident müssen die Mitglieder ein externe Integritätsprüfung durchlaufen. Auch hier beträgt die maximale Amtszeit dreimal vier Jahre. Laufende Mandate im Exko haben Bestandsschutz.
Der Generalsekretär: Der neue starke Mann wird durch das Council gewählt und kontrolliert. Bei ihm laufen alle operativen Fäden zusammen. Er bestimmt das Alltagsgeschäft. Der Top-Manager ist aber auch unter Beobachtung der Abteilung für korrekte Unternehmensführung.
Die Kommissionen: Nur noch neun statt 26 ständige Kommissionen sollen die Administration schlanker machen. Nicht mehr jedes der 209 FIFA-Mitgliedsländer bekommt einen Posten in Zürich. Die Versorgungs-Kultur für Funktionäre aus aller Welt soll beendet werden. Mindestens die Hälfte der Mitglieder kommen nicht aus der FIFA-Familie, sondern sind externe Experten.
Die Kontrollgremien: Ethikkommission und juristische Gremien wie die Disziplinarkommission werden komplett unabhängig und extern besetzt.
Frauen: Jede Konföderation muss mindestens eine Frau in das Council entsenden. Gleichberechtigung der Geschlechter wird in die Statuten aufgenommen.
Menschenrechte: Die Wahrung der Menschenrechte wird als Ziel in die Statuten aufgenommen.
Konföderationen: Die sechs Kontinentalverbände müssen grundsätzliche demokratische Regularien in ihre Statuten aufnehmen und unabhängige juristische Institutionen installieren.
Leo Windtner (ÖFB-Präsident): "Es ist ein guter Tag für den Weltfußball und auch für Europa. Wir haben dieses Ergebnis mit Freude und Erleichterung aufgenommen. Die tolle Präsentation und die Performance von Gianni Infantino haben beigetragen, viel Glaubwürdigkeit in den Fußball zurückzubringen. Die Nationalverbände und der Fußball können sich in Zukunft mehr Unterstützung erwarten, und ich freue mich auch, dass der ÖFB zu diesem tollen Ergebnis beitragen konnte. Ich denke, dass es nun gute Chancen gibt, dass die so notwendigen Reformen auch in die Tat umgesetzt werden."
Witali Mutko (russischer Sportminister und Fußball-Verbandspräsident): "Er hat große Erfahrung in der Arbeit mit dem Fußball, er kennt den Fußball und könnte mit Unterstützung aller Länder natürlich Ruhe in die Situation um die FIFA bringen." Er sei überzeugt, dass kein neuer FIFA-Präsident die umstrittene Vergabe der Weltmeisterschaft 2018 nach Russland infrage stellen werde. "Wir haben mit gutem Gewissen ehrliche Arbeit geleistet und haben für unser Land nach den Regeln geworben, die damals galten."
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