„Ein Mitarbeiter hat mir erzählt, dass Thomas eine Mitarbeiterin zum Weinen gebracht hat, er habe keine Fähigkeit, Menschen zu führen, er treffe keine Entscheidungen, getätigte Zusagen werden nicht eingehalten (zb Entgelt). Er verwendete den Satz ’nach oben buckeln, nach unten treten’. Bei diesem Gespräch mit mir hat der Mitarbeiter selbst begonnen zu weinen.“
Dies ist nur ein Absatz eines mehr als drei A4-Seiten langen Briefes, den ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer am 1. Oktober 2023 an Funktionärskollegen versandt hat. Ein Brief, der es in sich hat und der mittlerweile nicht nur dem gesamten Präsidium des ÖFB, sondern auch dem KURIER vorliegt, nachdem am Freitag die Kronen Zeitung online als erstes auszugsweise darüber berichtet hat.
Bei diesem Schreiben handelt es sich um eine Bestandsaufnahme des Präsidenten nach den ersten fünf Monaten seit seiner Designation. Nach „vielen Gesprächen mit Mitarbeitern, Sponsoren, Partnern und (sport)politisch Verantwortlichen“, wie der Kärntner eingangs schreibt.
Diese Gespräche waren nötig, um Klarheit zu schaffen, über eine Situation, die den Fußball-Bund seit Jahren lähmt. Wie mehrmals berichtet, können die beiden obersten Angestellten, Generalsekretär Thomas Hollerer und Bernhard Neuhold, der Geschäftsführer der ÖFB-Wirtschaftsbetriebe GmbH, nicht miteinander. In der Geschäftsstelle mit knapp 100 Mitarbeitern stockt nicht nur die Kommunikation. Eine untragbare Situation für eine Institution, deren Progression von öffentlichem Interesse und von öffentlicher Hand gefördert ist.
Das wusste auch Klaus Mitterdorfer, als er im Mai 2023 als designierter Präsident dem KURIER erstmals ein Interview gab und auf die Frage nach den beiden Geschäftsführern sagte: „Wenn es Probleme gibt, müssen die klar auf den Tisch. Entweder es wird ein gemeinsamer Weg gefunden, oder man muss einen anderen gehen.“
Ob sich der Präsident noch an seine eigenen Worte erinnert? Eineinhalb Jahre später und knapp ein Jahr nach dieser Bestandsaufnahme ist klar: Es gibt massive Probleme, doch anstatt sie aufzutischen, sieht es so aus, als hätte sie Klaus Mitterdorfer unter den Teppich gekehrt, wohlwissend, dass er damit sogar die GunstvonSponsoren in Gefahr bringt (siehe Faksimile).
Darauf angesprochen sagt der Kärntner am Samstag zum KURIER: „Das Bild hat sich komplett gedreht.“ Thomas Hollerer sei zu Beginn lediglich aus Angst vor ihm zurückhaltend gewesen. Nun sei sein Verhältnis zu Bernhard Neuhold distanzierter.
Tatsächlich? Kann es sein, dass sich all das, was der Präsident vor weniger als einem Jahr auf mehr als drei A4-Seiten niedergeschrieben hat, heute anders verhält?
Die Bestandsaufnahme ist jedenfalls eindeutig ausgefallen. Denn nachdem Mitterdorfer zu Beginn seines Briefes noch betont, dass er „gänzlich unvoreingenommen in die Zusammenarbeit“ mit den Geschäftsführern gegangen sei, so beendet er das Schreiben schließlich mit den Worten: „Grundsätzlich erlebe ich Thomas so, dass er mich ausreichend, das Maß des Notwendigen nicht übersteigend, keinesfalls aber aktiv, informiert und begleitet. Bernhard ist sehr aktiv und permanent erreichbar und informiert mich ausführlich und zeitnah über alle Themen, Termine und Notwendigkeiten.“
Das ÖOC beschwerte sich
Dazwischen beschreibt der Präsident auf über 7.000 Zeichen vor allem seine negativen Erfahrungen mit dem Generalsekretär. Etwa, dass sich Vertreter des ÖOC bei Mitterdorfer beschwert hätten, weil Hollerer bei der Wiederwahl von Präsident Karl Stoss im Vorjahr als stellvertretender Vorsitzender des Wahlausschusses „kein ehrliches Spiel gespielt“ hätte. Mitterdorfer sei ersucht worden, Hollerer nicht mehr als Vertreter des ÖFB in den Wahlausschuss zu entsenden. Und tatsächlich: Erstmals seit Jahrzehnten ist der Fußball-Bund als größter Sportfachverband des Landes auch deshalb nicht mehr im ÖOC-Präsidium vertreten.
Viele Abläufe in der ÖFB-Geschäftsstelle würden laut Mitterdorfers Erhebungen von Hollerer blockiert werden. „Man wartet zb auf die Ausfertigung von Dienstverträgen bis zu zwei Jahre“, schreibt Mitterdorfer über den Arbeitsjuristen Hollerer. Wenn es nur zwei wären. KURIER-Informationen zufolge gibt es Mitarbeiter, die mehr als fünf Jahre auf ihren Dienstvertrag warten mussten oder immer noch warten.
Hollerer brauchte fünf Monate für eine Antwort
Der Präsident zeichnet in seinem Schreiben ein Bild, das ident ist mit jenem, das sich nach jahrelangen KURIER-Recherchen exakt so darstellt. Thomas Hollerer, der auf Nachfrage die Vorwürfe bestreitet, wendet viel Zeit auf, um Politik zu betreiben und die Gunst wichtiger Entscheidungsträger zu gewinnen. Wichtige Themen in der Geschäftsstelle warten indes wochen- und monatelang auf ihre Umsetzung.
Und auch Mitterdorfer musste schon warten. Er habe nach einer Anfrage bzgl. aktueller ÖFB-Themen an beide Geschäftsführer fünf Monate lang keine Antwort vom Generalsekretär erhalten, während Bernhard Neuhold binnen 24 Stunden einen umfassenden schriftlichen Bericht abgeliefert hätte, schreibt der Präsident. Dazu beklagt er, dass Hollerer trotz Dringlichkeit und wichtiger Termine mit dem Finanzministerium in Bezug auf die Errichtung des Trainingszentrums in Aspern zu einem FIFA-Treffen nach Usbekistan geflogen sei. „In einer Phase, wo es wirklich auf jeden Tag ankommt.“
Weshalb reagierte Mitterdorfer nicht?
Ob sich dieses Bild nun wirklich komplett gedreht hat und ob das auch Mitterdorfers Gesprächspartner aus der Geschäftsstelle oder seitens Sponsoren so sehen, wird sich womöglich noch weisen. Oder fürchtet der Präsident vielleicht doch um seinen eigenen Kopf, sobald er Präsidiumskollegen die Trennung von deren Günstling Thomas Hollerer nahelegt?
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