Diese Angelegenheit hätte sich der ÖFB wohl gerne erspart. Wenige Wochen nach der EM-Euphorie um das Nationalteam der Männer sieht sich der Fußball-Bund mit der vielleicht unangenehmsten Causa in seiner Geschichte konfrontiert.
Am Montag gab der ÖFB die fristlose Entlassung des Trainers des U-20-Frauennationalteams bekannt. Ohne dabei seinen Namen oder gar Gründe zu nennen. „Es geht hier um einen Mann, der junge Frauen trainiert hat. Da ist doch klar, dass es nicht darum geht, dass er ihnen ein Stück Kuchen weggegessen hat“, sagte ein anonymer Anrufer am Mittwoch zum KURIER. Natürlich nicht. Beim entlassenen Trainer handelt es sich um Johannes Spilka und es geht um den Vorwurf der sexuellen Belästigung.
Und auch wenn sich der ÖFB bemüht, die Angelegenheit diskret abzuhandeln, so drängen doch nach mehreren Telefonaten Stück für Stück mehr Hintergründe und Details ans Tageslicht. Etwa, was dem 54-Jährigen vorgeworfen wird und wie die Aufarbeitung mit dem U-20-Frauenteam abgelaufen ist.
Zwei Tage Aufschub
Der Lehrgang zur Vorbereitung auf die bevorstehende Weltmeisterschaft in Kolumbien hätte ursprünglich letzten Montag, am 8. Juli, beginnen sollen, ehe die Spielerinnen – junge Frauen im Alter von 17 bis 20 Jahren – und Betreuer seitens ÖFB darüber informiert wurden, dass sich alles um zwei Tage nach hinten verschiebt und sie erst am Mittwoch in der Sportschule Lindabrunn erscheinen sollen.
Dort angekommen, wartete der ÖFB mit seinen Spitzenfunktionären wie Sportdirektor Peter Schöttel, einem Team des Vereins „100 Prozent Sport“, der sich um einen sicheren Sport in Österreich bemüht und mehreren Juristen. Mehrere Stunden, etwa von Mittags bis nahezu 22 Uhr, wurden Spielerinnen und Betreuer zunächst über die Vorwürfe und die Entlassung informiert und im Anschluss ausführlich befragt.
Das Stimmungsbild kann man sich ausmalen. Statt Euphorie und Vorfreude auf die erste WM-Teilnahme gab es Tränen, getränkt in Wut und Fassungslosigkeit. Und nicht zu vergessen: Erleichterung. Allerdings nicht bei allen. Denn jene beiden Spielerinnen (Namen der Redaktion bekannt), die die Vorwürfe geäußert haben, mussten sich auch den Vorwurf gefallen lassen, das gemeinsame Ziel so kurz vor der Weltmeisterschaft zu torpedieren.
An Fußball war für viele nicht mehr zu denken. Der ÖFB stellte dem Team zwar auch mehrere Psychologen zur Seite, dennoch reisten zwölf Spielerinnen ab, weil sie mit der Situation psychisch überfordert waren. Zwei Betreuerinnen reisten ebenso ab, allerdings aus Solidarität mit ihrem Chefcoach. Mehrere Personen aus dem Betreuerstab beteuern gegenüber dem KURIER, in der gemeinsamen Zeit mit Johannes Spilka nicht das kleinste Indiz in Richtung der sexuellen Belästigung vernommen zu haben.
Heikler Tanz
Und dennoch steht ein Vorwurf im Raum, der für den ÖFB Grund genug war, um eine Entlassung auszusprechen. Dabei geht es unter anderem um einen Vorfall im Zuge einer Erfolgsfeier nach im Vorjahr, bei dem es unter Spielerinnen und Betreuern zu einem Tanzspiel gekommen war, im Zuge dessen Johannes Spilka eine Spielerin unsittlich berührt haben soll. Berichte gibt es auch über verbale Fehlpässe des Trainers, der für keine Stellungnahme erreichbar ist, für den jedoch freilich die Unschuldsvermutung gilt. Klar ist jedenfalls schon vor der WM: Bei Österreich gibt es nur Verlierer.
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