WSG-Langzeitchef Köck: Der Sportdirektor, der noch nie einen Trainer entlassen musste

Als Stefan Köck 2014 bei der WSG Tirol das Amt des Sportdirektors übernahm, dümpelte der Verein noch in der Regionalliga West herum.
Mittlerweile befinden sich die Tiroler in ihrer 7.Saison in der Bundesliga. Köck, der heute seinen 50. Geburtstag feiert, ist nicht nur der Sportdirektor mit der längsten Amtszeit, er musste auch noch nie einen Trainer entlassen.
KURIER: Wissen Sie überhaupt, wie das geht: Einen Trainer rauswerfen?
Ich weiß nicht, wie ich es dann genau anstellen würde, weil ich es noch nie gemacht habe. Aber ich traue mir schon zu, die richtigen Worte zu finden. Ich muss ja immer wieder auch Spielern im Vieraugengespräch sagen, dass wir nicht mehr mit ihnen planen. Aber grundsätzlich bin ich sehr glücklich darüber, dass ich noch nie einen Trainer entlassen musste. Aber das ist jetzt nicht nur mein Verdienst.
Sondern?
Das ist diesem Verein und den Menschen, die hier arbeiten geschuldet. Weil wenn du eine Präsidentin hast, die nach zwei Niederlagen unruhig wird, dann kann ich als Sportdirektor dem Cheftrainer noch so die Mauer machen, dann wird’s unruhig. Wir haben immer an unsere Trainer geglabt, erst an den Thomas Silberberger, jetzt an Philipp Semlic – und beide zahlen das Vertrauen mit Leistung zurück.

Diana Langes ist seit 2013 Präsidentin bei der WSG Tirol
Was müsste denn passieren, dass Sie über einen Trainerwechsel nachdenken?
Wenn ich zum Beispiel das Gefühl hätte, dass die Verbindung Mannschaft Trainer nicht mehr passt. Wenn sich der Trainer nicht mehr weiter entwickelt, die Erfolge ausbleiben und zudem die Stimmung schlecht ist. Ich hatte im letzten Jahr mit Thomas Silberberger dann schon den Eindruck, dass es sich ein bisschen abgenützt hat und wir nicht mehr so eins waren. Das ist aber Jammern auf hohem Niveau.
In dieser Hinsicht ist WSG Tirol eine Antithese zum modernen Fußball.
Absolut. Das geht von der Präsidentin aus, die hat riesiges Vertrauen in die Mitarbeiter. Ohne den Mattersburg-Konkurs wären wir im ersten Jahr in der Bundesliga sportlich ja abgestiegen. Dass ein Trainer und ein Sportdirektor einen Abstieg überleben, kommt nicht oft vor.

Stefan Köck verpflichtete Philipp Semlic als Coach
Warum reißt heute bei so vielen Klubs so schnell der Geduldsfaden?
Ich habe das Gefühl, dass oft das Vertrauen fehlt. Nehmen wir das Beispiel Austria Wien: Ich glaube nicht, dass sich dort der Trainer in den letzten zwei Monaten großartig verändert hat.
Natürlich entsteht bei größeren Klubs wie der Austria ein spezieller Druck. Durch die Fans, durch die Sponsoren, durch die Medien, Social Media verstärkt das noch weiter. Da kann es dann schon passieren, dass der eine oder andere Funktionär ins Schwanken gerät – und dann entsteht eine Eigendynamik. Das kann man bei großen Vereinen immer wieder beobachten.

Hätten Sie denn gerne, dass rund um die WSG Tirol auch mehr los ist. Die WSG ist ein skandalfreier Verein.
Ich mach keinen Hehl daraus: Manchmal würde ich es mir wünschen. Es ist schon beeindruckend, was in anderen Stadien passiert. Sturm, Rapid, Austria, ich nehme da unseren Nachbarn in Innsbruck nicht aus.
Die WSG durfte zuletzt immerhin im ausverkauften Tivolistadion gegen Real Madrid spielen.
Ob die wegen uns gekommen sind, ist eine andere Frage. Tatsache ist: Als wir in die Bundesliga gekommen sind, habe ich mir schon gedacht, dass es möglich sein sollte, das neutrale Tiroler Fußballpublikum abzuholen. Mit einem Verein ohne Skandale, der seriös arbeitet.
Das ist nicht gelungen.
Und darüber bin ich auch enttäuscht. Es ist oft frustrierend, wenn du das leere Tivolistadion siehst.
Umgekehrt ist die Ruhe, die rund um den Klub herrscht, auch ein Erfolgsfaktor der WSG Tirol.
Das stimmt natürlich. Wir können alle in Ruhe arbeiten und uns in Ruhe entwickeln. Bei uns gibt es keine Hire &-Fire-Mentalität. Das macht uns auch attraktiv für Talente, die gerne zu uns kommen und das familiäre Ambiente zu schätzen wissen. Wir haben inzwischen eine intensive Kooperation mit dem Tiroler Fußballverband, das schafft Identität und Verbundenheit. Wir bieten den heimischen Talenten eine Plattform.
Die WSG hat sich durchaus einen Ruf als Sprungbrettverein erarbeitet.
Der Verein hat sich einen Ruf erarbeitet, aber ich glaube, auch ich habe mir einen Ruf und ein Standing erarbeitet. Wir haben uns einen gewissen Namen gemacht, und zwar ohne, dass wir mit Geld herumschmeißen, sondern durch ehrliche Arbeit. Und das macht mich auch stolz.

Trainer Philipp Semlic ist mit der WSG Tirol auf Erfolgskurs
Darf man bei der WSG Tirol nach inzwischen schon von einem etablierten Bundesligist sprechen?
Wenn du sieben Saisonen in Folge dabei bist, dann bist du schon ein Teil der Liga. Zugleich hast du keine Garantie, dass das in den nächsten drei Jahren auch noch so sein wird. Mit der Punkteteilung musst du in Wahrheit in jeder Saison zittern.
Kann man Abstiegskampf lernen?
Ich denke schon, dass es ein kleiner Vorteil ist, wenn man schon einiges durchgemacht hat. Auch wenn ich lieber im oberen Play-Off spielen würde. Da hilft uns wieder die Ruhe im Verein, wir hatten in der Vergangenheit auch schon die Rote Laterne, sind aber nie panisch geworden oder haben eine Trainerdiskussion angefangen.
Wie bewerten Sie überhaupt den Liga-Modus mit der Punkteteilung?
Jeder Verein wird irgendwann einmal von der Punkteteilung profitieren. Für den Fan und den neutralen Zuseher ist es extrem spannend. In der letzten Saison hatten drei Teams in der letzten Runde die Chance auf den Meistertitel, drei Teams konnten noch absteigen. Für Funktionäre ist es aber hart, weil ich ein Freund davon, dass die Punkte, die ich erreicht habe, auch zählen.
Wo sehen Sie aus heutiger Sicht den sportlichen Plafond der WSG Tirol?
Ich sag’s klipp und klar: Natürlich hab’ ich den Traum, dass wir wieder einmal in die Meistergruppe kommen. Jetzt wird’s heißen: Der ist größenwahnsinnig, weil sie mit sieben Punkten gestartet sind. Wenn ein, zwei Größere schwächeln, kann sich eine Tür auftun. Da muss man als Kleiner zuschlagen. Ich habe aber grundsätzlich den Traum, dass wir uns als Klub weiterentwickeln.
In welche Richtung?
Uns fehlt nach wie vor ein Heimstadion. Zugleich wäre es auch schön, wenn wir als Verein den nächsten Schritt machen, natürlich auch wirtschaftlich. Uns wäre schon mit einer Million Euro mehr extrem geholfen, dann könnten wir ins Trainerteam investieren.
Steht und fällt alles mit dem Heimstadion in Wattens?
Ich sage jetzt nicht, dass wir mit einem neuen Stadion gleich ein Weltklub werden und jedes Spiel dann ausverkauft wäre. Aber ich habe die Fantasie, dass wir im Gernot-Langes-Stadion einen Schnitt von 2.500 Besuchern zusammenkriegen. Dann kannst du irgendwann auch Geld verdienen. Genau darum geht es: Es braucht eine Infrastruktur, damit die Vereine Geld verdienen können. Im Moment ist es so, dass wir bei einem Bundesligaspiel im Tivolistadion weniger Geld mit Getränken einnehmen als bei einem Heimspiel der Zweiermannschaft in unserer Kantine. Da passt die Relation nicht.
Wo sehen Sie die WSG 2030?
Hoffentlich in einem netten, kleinen Stadion in Wattens. Und hoffentlich in der Bundesliga.
Und Sie sind noch dabei?
Es hat durchaus Interesse gegeben an mir, was ich auch als Bestätigung meiner Arbeit sehe. Aber es war noch nie etwas dabei, was mich total gereizt hätte. Ich weiß es zu schätzen, was ich an der WSG habe. Ich sage aber auch ehrlich, dass es Jahr für Jahr schwieriger wird mit den begrenzten Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Bei uns ist das Sportbudget in den letzten zwei Jahren nicht erhöht worden. Man stößt schon an Grenzen.
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