Frauenfußball und Sponsorings: "Jetzt ist die Zeit, sich zu positionieren"

Zusammenfassung
- Frauenfußball bietet für Marken großes Potenzial durch neue Zielgruppen und die Möglichkeit zur frühen Positionierung.
- Das finanzielle Gefälle zum Männerfußball bleibt groß, trotz steigender Werte für Frauenfußball-Sponsorings.
- Sichtbarkeit ist essenziell für das Wachstum, aber der Frauenfußball benötigt bessere Infrastruktur und Strategie.
Der Frauenfußball in Europa erlebt seit Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung. Dennoch hinkt er dem Männerfußball immer noch deutlich hinterher – in Sachen Reichweite, Sponsoring und Gewinnsummen.
Die ehemalige Schweizer Nationalspielerin Bettina Baer arbeitet bei der Agentur Two Circles daran, für Klienten, insbesondere aus dem Sport, Zuschauerzahlen und Umsätze zu steigern. Im KURIER-Gespräch erklärte sie, woran es noch hakt, warum sich der Einstieg in den Frauenfußball aber genau jetzt lohnen würde.

Bettina Baer: Expertin in Sachen Frauenfußball-Vermarktung
„Man merkt, dass der Frauenfußball wieder in den Fokus rückt“, sagt Baer mit Blick auf die Europameisterschaft in der Schweiz. Das gestiegene Interesse am Frauenfußball sei deutlich spürbar, vor allem durch zunehmende Berichterstattung. „Aufgrund dieser gesteigerten Sichtbarkeit steigt auch das Interesse.“
Doch reicht Aufmerksamkeit allein, um den Sport wirtschaftlich erfolgreich zu machen?
Neue Zielgruppen erreichen
Baer ist überzeugt, dass Frauenfußball für Marken enormes Potenzial birgt – gerade weil er noch im Aufbau ist. Mit Blick auf den Männerfußball sagt sie: „Du erreichst mit demselben Sport eine ganz neue Zielgruppe – weiblicher, jünger, diverser.“
Mitgestalten
Man habe als Marke Gestaltungsspielraum. „Du kannst dich früh positionieren, dich einbringen und das Produkt fast mitgestalten.“
Ein weiterer Vorteil: die Spielerinnen. „Sie gelten als vertrauenswürdiger, nahbarer, sie sind Vorbilder. Sie sind die besseren Marketingbotschafter“, sagt Baer. Hinzu kommt: Sie sind noch nicht „überverpflichtet“ mit Verträgen durch Klub oder Management. Das könnte sich durch zunehmende Professionalisierung ändern. „Deshalb ist es so wichtig für Marken, früh hier reinzukommen und sich zu positionieren.“
Gesellschaftlich punkten
Marken könnten dadurch nicht nur sportlich, sondern auch gesellschaftlich punkten: „Gleichberechtigung, Female Empowerment, Förderung weiblicher Talente – all das lässt sich über den Sport glaubwürdig transportieren.“
Unterschied bleibt groß
Trotz aller Fortschritte bleibt der Unterschied zum Männerfußball groß – vor allem finanziell. Ein Beispiel: Während die finanzstärksten Frauen-Vereine Europas 2022 rund 36 Millionen Euro Gewinn verbuchten, schrieben die erfolgreichsten Männervereine 9 Milliarden Euro.
Die Angebote für ein TV-Paket für die Männer-WM 2022 waren rund 40-mal höher als jene für die Frauen-WM 2023. Ein massives Gefälle bleibt vor allem im Medienbereich: „Die TV-Rechte beim Männerfußball sind eine ganz andere Dimension – teilweise völlig überhitzt.“
„Auch im Sponsoring ist der Männerfußball ein Vielfaches teurer“, erklärt Baer. „Aber Frauenfußball-Sponsorings erzielen inzwischen signifikante Werte. Man ist jetzt selbstbewusster im Verkauf, weiß, dass man auch etwas bieten kann.“
Die Sache mit der Sichtbarkeit
Doch beim Frauenfußball hingegen kämpfe man mit einem Henne-Ei-Problem: „Wenn du es nicht zeigst, kann es niemand sehen. Und wenn es keiner sieht, zahlt auch niemand Geld dafür.“ Erst durch Sichtbarkeit könne sich eine Fanbasis aufbauen – und das sei essenziell. „Vor fünf bis zehn Jahren gab es nicht mal eine App, um die Resultate zu sehen.“
Um langfristig eine Fanbase aufzubauen, gehe es aber nicht nur um Sichtbarkeit: „Warum schauen Menschen Fußball? Weil es ein toller Sport ist, weil es die Leute unterhält, weil es tolle Geschichten schreibt – das kann der Frauenfußball genauso“, betont Baer. Aber einiges fehle noch: bessere Infrastruktur, hochwertigere TV-Bilder, gezielte Strategie. „Man darf sich nicht auf dem aktuellen Wachstum ausruhen.“
Für Medienhäuser ein Balanceakt
Auch Medienhäuser stünden in der Pflicht, auch wenn es ein „Balanceakt“ ist – zwischen öffentlichem Interesse und wirtschaftlichem Druck: „Die Medien spielen hier eine enorm wichtige Rolle. Sichtbarkeit schafft Interesse.“ Für echte Veränderung brauche es klare Priorisierung: Das Argument niedriger Klickzahlen lasse sie nicht gelten: „Es geht auch um Verantwortung.“
Keine Boom-Garantie
Die am Mittwoch startende Europameisterschaft sei für die UEFA bereits jetzt ein Erfolg – alle TV-Pakete und Sponsorings sind verkauft. Entscheidend werde, ob die Marken wiederkommen. „Fast alle Spiele sind ausverkauft – jetzt zeigt sich, ob die Brands das bekommen, was sie sich erhofft haben.“
Ihr Tipp: „Wenn man als Marke mitgestalten will, ist jetzt der Moment.“ Es ist ein wachsender Markt, aber es ist nicht garantiert, dass der Boom von allein weitergeht.
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