Frauenfußball-EM in England: Zwischen Ignoranz und Euphorie

Frauenfußball-EM in England: Zwischen Ignoranz und Euphorie
Laura Feiersinger ist begeistert von der Richtung, die der Frauenfußball nimmt. Dennoch wissen manche Engländer gar nicht, dass die EM läuft.

Boris Johnson hat es wieder einmal geschafft, im Mittelpunkt zu stehen. Der 58-Jährige beherrscht seit Tagen die Berichterstattung in England. Der nächste Fehltritt des Skandalpolitikers kommt für die Organisatoren der Frauen-EM zur ungünstigsten Zeit. Der englische Fußball-Verband FA spricht vom "größten europäischen Frauen-Sport-Event der Geschichte". Mehr als eine halbe Million Karten wurden schon vor dem Auftaktspiel verkauft. Insgesamt 700.000 Karten sind für die 31 Partien aufgelegt worden.

Dabei wird auch im Stadion im Trainingsgelände von Manchester City gespielt, wo nur 4.700 Zuschauer Platz haben. Kritik daran kam von den Isländerinnen, die dort antreten müssen. Turnierdirektor Chris Bryant erklärte, das man sich schon 2019 für die Austragungsorte entscheiden musste. Aber der Frauenfußball habe in den letzten Jahren einen Schub erhalten, den die FA bei der Bewerbung nicht voraussehen konnte. Laura Feiersinger sagte trotz des Ärgers über das 0:1 beim Auftaktspiel: "Es ist Wahnsinn und schön, dass der Frauenfußball so eine Richtung nimmt und wir dabei sein können."

Frauenfußball-EM in England: Zwischen Ignoranz und Euphorie

Die ehemalige Topschiedsrichterin Bibiana Steinhaus lebt in England und erklärte in einem Interview in der deutschen Sportschau: "Die Begeisterung im Land für die EM ist deutlich zu spüren, absolut greifbar. Was mich in England sehr begeistert, ist vor allem die Sichtbarkeit des Frauenfußballs."

Mediales Interesse

Auch wenn Boris Johnson verhindert hat, dass die Engländerinnen mit dem Sieg auf den Titelseiten groß gefeiert wurden. In den Sportsektionen nahm die Berichterstattung über Englands 1:0 mehr Platz ein, als Tennis in Wimbledon.

In den Pubs werden die EM-Spiele gezeigt. So kündigte "The Carpenters Arms" in Camberley, fünf Autominuten vom Teamcamp der Österreicherinnen entfernt, Englands drei Gruppenspiele als TV-Highlights an – neben dem Formel-1-Grand-Prix von Silverstone vergangenes Wochenende und den Wimbledon-Endspielen an diesem.

Die Fanzonen in den Innenstädten der Veranstaltungsorte sind zwar klein, aber fein. In Manchester herrschte dort am Spieltag reger Betrieb und gute Stimmung bei der Übertragung.

Mit einer Männer-EM kann man die Frauen-Endrunde in England nicht vergleichen. 2016 fanden in Frankreich bei den Männern 20 Spiele mehr statt, fast 2,5 Millionen Menschen waren in den Stadien. Zwar wird in England derzeit die Frauen-EM ordentlich mit Plakaten beworben, doch ist sie noch nicht bei allen angekommen. Auf dem Weg zum Abschlusstraining ins Old Trafford erklärte ein Taxi-Fahrer augenzwinkernd, dass dies das falsche Stadion in Manchester sei, weil er City-Fan ist. Beim Hinweis, dass dort ein Frauen-Fußballspiel stattfinde, meinte er lediglich, dass er schon davon gehört habe, dass da was sei.

Dennoch bringt diese EM den Frauenfußball voran. 2017 kamen in den Niederlanden zu allen Partien 274.041 Fans. Heuer wurden allein für das EM-Finale am 31. Juli die 87.000 Karten in 43 Minuten verkauft. Dann sind die Österreicherinnen den EM-Rekord vom Old Trafford (68.871) los – außer sie kommen ins Endspiel.

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