Andererseits hat das letzte Jahr auch gezeigt, dass der Fußball nicht umzubringen ist. Restaurants, Geschäfte und Schulen waren wegen Corona geschlossen, der Ball ist aber immer weitergerollt.
Der Profifußball ist in dieser Pandemie definitiv bevorzugt behandelt worden – auf jeden Fall in Deutschland. Auch Gastronomen, Fitnessstudios oder Sportvereine, die sich an die Breite der Menschen richten, haben ganz hervorragende Hygienekonzepte. Die mussten aber schließen, während die Bundesligaspiele weiter stattfinden durften.
Wie wird das Ihrer Ansicht nach in der Öffentlichkeit aufgenommen?
Für all jene, die sich nur unterhalten lassen wollten, war das sicher okay. Aber für viele andere wurde dadurch eine Grenze aufgezeigt. Es wurde deutlich eine Differenz sichtbar zwischen denen da oben in der Blase Profifußball und uns unten in der Basis des Amateurfußballs. Das kann dazu führen, dass die Entfremdung zwischen der Basis und dem Profifußball noch größer wird. Nehmen wir zum Beispiel gerade jetzt die Champions League der Männer.
Viele dieser Partien finden auf neutralem Boden in Budapest oder Bukarest statt.
Und genau solche Beispiele zementieren den Bruch zwischen der Basis und der Blase Profifußball. Natürlich spricht jetzt aus rechtlicher Sicht nichts dagegen, diese Spiele auf neutralem Boden auszutragen. Es gibt aber auch eine moralische und ethische Dimension und die wird dadurch mit Füßen getreten. Das zeigt nur, dass es vorrangig um die finanziellen Interessen geht.
Also wer zahlt, schafft an?
Dieses Wechselspiel zwischen Tradition und Werten auf der einen Seite und dem Kommerz und den Finanzinteressen auf der anderen Seite gibt es schon lange. Aber im Moment schlägt dieses Pendel ganz klar in Richtung Kommerz aus. Das wird von den Verantwortlichen auch unumwunden zugegeben: Dass es um Jobs geht, um Finanzen. Und alles andere hat sich dem unterzuordnen.
Glauben Sie nicht, dass die vergangenen zwölf Monate mit den Geisterspielen vielen Klub-Verantwortlichen auch die Augen geöffnet haben könnten?
Ohne Fans ist der Fußball nur halb so viel wert. Die Fans sind das Salz in der Suppe – diese Statements gehören inzwischen zum guten Ton eines jeden Fußball-Profis oder -funktionärs. Das wird gerne als Floskel gebraucht, aber nicht gelebt. Bei den sportpolitischen und wirtschaftlichen Entscheidungen wird es hintangestellt und die Fans werden vertröstet, dass es in einem Jahr wie früher weiterlaufen wird. Aber eines sollte in der Pandemie jedem klar geworden sein.
Was denn?
Man hat den Fans im vergangenen Jahr gezeigt, dass es auch ohne sie geht. Man hat ihnen vermittelt: Wir spielen unsere Spiele auch nur für die Fernsehanstalten. Wir können auch ohne Atmosphäre guten Fußball spielen. Ich gehe davon aus, dass dieses Jahr langfristige Auswirkungen auf die Fankultur haben wird.
Glauben Sie nicht, dass die Fans die Stadien wieder stürmen werden, wenn es wieder möglich sein wird?
Der Fußball hat an Bedeutung verloren. Die Pandemie und die Geisterspiele haben klar vor Augen geführt, dass Fußball ohne Fans fast nichts wert ist. Ich stelle fest, dass die Abwendung der Fans sehr groß ist. Wenn man sich nur einmal den letzten Herbst in Erinnerung ruft: Im August gab es bei einigen Spielen in Deutschland noch kleine Kartenkontingente, aber nicht einmal diese Tickets wurden damals alle verkauft.
Was sagt Ihnen das?
Dass die Nachfrage nicht mehr da war. Natürlich war bei vielen auch die Angst präsent, dass man sich im Stadion infizieren könnte. Aber gleichzeitig war auch die Luft aus dem ganzen Fußball heraußen: Viele Fans interessiert offensichtlich das Stadionerlebnis nicht mehr. Das wird aber für die Zukunft des Fußballs entscheidend sein: Wer kommt ins Stadion? Welche Fans sind dann noch da?
Was erwarten Sie?
Es ist grundsätzlich schon davon auszugehen, dass die Stadien wieder voll werden. Vor der Pandemie war die Nachfrage so groß, dass man kaum Tickets erhalten konnte. Entscheidend ist aber, mit welchen Fans die Tribünen gefüllt sind, welche Emotionalität sie mitbringen, oder ob sie sich nur von diesem Ereignis unterhalten lassen wollen. Wenn das der Fall ist, dann wird es sicher einen Knick geben. Weil sich dann zeigt: Der Fußball mit leidenschaftslosen Fans, die sich nur unterhalten lassen wollen, ist weder nachhaltig noch ist er attraktiv. Und dann werden die Zuschauerzahlen zurückgehen.
Worauf freuen Sie sich eigentlich bei Ihrem nächsten Stadionbesuch?
Vor allem auf Freunde und Bekannten, mit denen ich zusammen ins Stadion fahren und das Spiel ganz nah erleben kann. Auf das Bier nach dem Spiel und die Diskussionen. Eben auf all dieses Drumherum, das zu einem Stadionerlebnis dazugehört. Das fehlt, das vermisse ich sehr. Ich hoffe, dass wir das in ähnlicher Form wieder erleben werden.
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