Zwei Wochen nachdem er den LASK zum zweiten Mal in Folge in eine Europacup-Gruppenphase geführt hatte, musste Dominik Thalhammer am 12. September den Hut nehmen. Sechs Ligaspiele ohne Sieg wurden dem 51-Jährigen zum Verhängnis.
Seit 28. November ist der ehemalige Frauen-Teamchef und Leiter der ÖFB-Trainerausbildung nun Coach bei Cercle Brügge. Den Partnerklub von AS Monaco führte er mit acht Siegen aus zwölf Partien aus den Abstiegsrängen ins Mittelfeld.
KURIER: Cercle Brügge ist ein Verein, den in Österreich nur Experten kennen. Stellen Sie uns doch bitte Ihren Klub vor.
Dominik Thalhammer: Der Klub hat eine gewisse Historie, es ist aber länger her, dass er erfolgreich war. Man will hier mit Unterstützung von Partnerklub und Inhaber AS Monaco einen sehr intensiven Spielstil mit ganz jungen Spielern implementieren. Wir sind die jüngste Mannschaft in der belgischen Liga und wollen uns in Hinblick auf die Spielweise ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten. Da gibt es in Belgien Potenzial, im Vergleich dazu wurde mit diesem Stil in Österreich in Salzburg 2012 schon früher begonnen.
Ist es richtig, dass Sie dem Klub ins Auge gestochen sind, weil der LASK unter Ihrer Führung sehr gute Pressingwerte hatte?
Ja. Ich wurde im Herbst auf der Plattform LinkedIn angeschrieben. Von einem Headhunter einer Firma aus den USA, die stark mit Daten arbeitet und vielen Vereinen in Europa kooperiert. Mir wurde mitgeteilt, dass es in Belgien einen Klub gibt, der einen Trainer für einen gewissen Spielstil sucht. Nach einem Telefonat mit diesem Headhunter kam es zu einem Hearing beim Klub.
Sie haben den Klub schnell aus der Abstiegszone ins Mittelfeld geführt. Wie ist das gelungen?
Entscheidend war, nicht allzu viel zu verändern, sondern eine Strategie der kleinen Schritte zu gehen und den Spielern das „Warum“ zu liefern für diese Spielweise. Das, was man tut, muss man auch gerne tun und nicht einfach nur Pressing spielen, weil es halt die Philosophie des Vereins ist. Neben dieser Überzeugungsarbeit ging es auch um Details. Etwa, ob man einen Gegenspieler im Bogen anläuft, oder direkt. An dritter Stelle hat geholfen, dass wir gleich erfolgreich waren. Denn der Anfang war wie beim LASK auch hier nicht leicht. Ich habe gedacht, das wird ein Déjà-vu.
Wieso das denn?
In Linz hat man nicht verstanden, wieso mein Vorgänger Valérien Ismael gehen musste. In Brügge hat mein Vorgänger, ein Flame, der beliebt war, sein letztes Spiel gewonnen. Der Verein hatte sich aber schon davor entschieden, mich zu holen. Die Fans haben das, wie damals in Linz, überhaupt nicht verstanden. Zum Glück war der Start dann richtig gut.
Das ist nicht mehr wie vor 20 Jahren, als zum Beispiel Felix Magath gesagt hat: 'Du läufst jetzt mit dem Medizinball'
von Dominik Thalhammer
über Spieler, die nach Gründen fragen
Sie sprechen von Überzeugungsarbeit in puncto Pressing. Ist das eines der schwierigsten Dinge als Trainer, Spieler dafür zu begeistern, ohne möglichst viel und schnell zu laufen?
Ich glaube schon. Als Verein kannst du Spieler scouten, die das im Blut haben. Aber wenn Spieler aus einer anderen Ideologie kommen, wird es schwierig. Das ist nicht mehr wie vor 20 Jahren, als zum Beispiel Felix Magath gesagt hat: Du läufst jetzt mit dem Medizinball. Es reicht nicht mehr als Trainer, nur das ‚Was‘ zu liefern. Du brauchst auch das ‚Wie‘ und das ‚Warum‘. Diese drei Schritte müssen zu hundert Prozent erfüllt sein, um erfolgreich arbeiten zu können.
An welchen Schrauben haben Sie noch gedreht, neben dem Pressing?
Wir wollen nicht nur das beste Pressing-Team in Belgien sein, sondern auch das beste Umschalt-Team werden. Da müssen wir auch im Ballbesitz noch mehr sprinten und investieren. Wir arbeiten auch daran, im letzten Drittel besser zu werden und über die Assist-Zone vor das Tor zu kommen.
Erklären Sie uns doch bitte, wo die Assist-Zone liegt.
Das sind die beiden Räume im Strafraum seitlich von der „Red Zone“, die direkt vor dem Tor liegt. Aus diesen Zonen kommen statistisch nicht nur die meisten Torvorlagen. Es hat viele Vorteile, wenn man diese Räume besprintet und bespielt. Nach Ballverlusten kommt man etwa leichter ins Gegenpressing und ist weniger anfällig für Konter des Gegners.
Privat
Dominik Thalhammer wurde 1970 in Wien geboren. Er ist verheiratet und Vater von Zwillingstöchtern.
Karriere
Thalhammer spielte beim unterklassigen SC Brunn am Gebirge, wo er mit 27 Jahren seinen ersten Trainerjob antrat. Sein Jus-Studium brach er ab, auch weil er 2004 mit 33 Jahren bei der Admira zum Cheftrainer in der Bundesliga befördert wurde. 2017 führte er das Frauen-Nationalteam ins EM-Halbfinale. Er war Leiter der Trainerausbildung beim ÖFB und danach Trainer der Herren beim LASK
Laut der Statistik der „expected Goals“, also der zu erwartenden Torchancen, erarbeitet sich Ihre Mannschaft nicht mehr Torchancen, als unter Ihrem Vorgänger. Wieso sind Sie dennoch deutlich erfolgreicher?
Weil wir es geschafft haben, dass der Wert an „expected Goals against“ viel niedriger wurde. Also wir lassen viel weniger zu. Im Moment setzen wir unsere Gegner stark unter Stress und verteidigen exzellent. Wenn wir nach unseren Ballgewinnen auch noch besser werden, wird auch der Wert an Torchancen steigen.
Welche Schlüsse haben Sie für sich aus Ihrer Zeit beim LASK gezogen? Gibt es Dinge, die sie nicht mehr oder anders tun würden?
Niemand weiß, was gewesen wäre, wenn ich dies oder jenes anders gemacht hätte. Das ist hypothetisch. Das Problem war die fehlende Klarheit im Verein in den Zielsetzungen nach dem erfolgreichen Herbst 2020. In welche Richtung wollen wir uns entwickeln? Gibt es klar definierte Indikatoren, anhand derer wir unsere Ziele messen oder soll ich nach einem Spiel einfach hergehen und sagen: „Mir hat getaugt, wie die Mannschaft gespielt hat. Da war Feuer drin.“? Ich weiß eh, dass man das in Österreich nicht so gerne hört, weil Fußball ist hier ja nur Emotion. Aber wenn ich eine Leistung messen will, dann brauche ich Indikatoren dazu. Da war man sehr unklar und ich habe es nicht entsprechend eingefordert.
Viele haben Ihnen nachgesagt, Sie würden aus dem LASK eine Ballbesitz-Mannschaft machen.
Absoluter Blödsinn. Das wollten wir nie. Es gab die Zielsetzung, dass man sich im Ballbesitz verbessern will. Die Konsequenz daraus ist eben, dass es nicht ausreicht, den Ball zum Gernot Trauner zu spielen und er spielt dann einen langen hohen Ball nach vorne. Dann muss man eben einmal drei, vier Pässe spielen, den Gegner auf eine Seite locken, noch einmal weg spielen und dann den Angriff starten. Daran haben wir gearbeitet. und dann kann man nicht sagen, der LASK spielt jetzt kein Gegenpressing mehr. Er spielt es schon. Allerdings nicht mehr alle 30 Sekunden, sondern vielleicht nur alle zwei Minuten. Da gab es eben viele Unklarheiten in der Kommunikation. Innerhalb des Vereins, wie auch nach außen.
Für mich ist Fußball mehr als Emotion. Ich weiß aber auch, dass er ohne Emotion nicht funktioniert.
von Dominik Thalhammer
über seinen Ruf als Fußball-Professor
Sie wurden in die Schublade des Fußball-Professors gesteckt, weil Sie in Interviews Indikatoren nennen, wie etwa die „expected Goals“ oder „Beschleunigungen“. Haben Sie überlegt, sich in puncto Kommunikation einfacher zu halten?
Zum Teil. Aber als Trainer und Person tickt man halt auf eine gewisse Weise. Vielleicht bin ich jetzt auch da, wo ich bin, weil Cercle Brügge ein Klub ist, der stark auf Daten setzt. Man kann sich sicher zurückhalten und gewisse Dinge verständlicher machen. Für mich war es aber auch eine Strategie. Ich will über Fußball reden und erklären, was hinter dem Spiel steckt. Ich wollte nicht oberlehrerhaft wirken. Die „expected Goals“ sind ein Parameter, ob ich meine Mannschaft in den gegnerischen Strafraum bringe, oder nicht. Die einen finden das interessant, andere blocken gleich ab, für die ist Fußball nur Emotion. Ich habe kein großes Problem damit, in diese Schublade gesteckt zu werden, weil ich dazu stehe. Für mich ist Fußball mehr als Emotion. Ich weiß aber auch, dass er ohne Emotion nicht funktioniert.
Sie wurden gegen Ende von LASK-Fans auch vehement angefeindet, gerade in sozialen Netzwerken. Wie sind Sie damit umgegangen?
Am Anfang habe ich es mir stark zu Herzen genommen. Man härtet aber irgendwann ab und überdenkt, wie man mit sozialen Medien umgeht, wie sehr man das an sich heranlässt und ob es einen Einfluss auf die Familie hat. Gerade auf die Kinder, wenn sie es lesen. Generell geht es in unserer Gesellschaft in eine gefährliche Richtung, wenn ich etwa daran denke, wie wir mit dem Thema Corona umgehen. Wie Spaltungen zustande kommen und Freundschaften zerbrechen, ist furchtbar.
Sie sind Vater von Zwillingstöchtern. Sind Sie auch als Coach für den Umgang mit sozialen Netzwerken gefragt?
Klar. Das Schlimmste ist, wenn man ohne Information über jemand anderen in den Bewertungsmodus geht. Meine Töchter sind elf Jahre alt. Egal ob Instagram oder TikTok, da sind sie voll drauf. Es ist wichtig, sie auch davor zu warnen, nicht in diese Falle hineinzutappen, andere zu beurteilen oder vielleicht sogar zu mobben und zu verletzen.
Wie geht es Ihnen damit, dass Ihre Familie nicht bei Ihnen in Brügge, sondern in Linz geblieben ist?
Das Angebot anzunehmen, oder nicht, war eine der schwierigsten Entscheidungen in meinem Leben. Trainer im Ausland zu sein, war immer mein Ziel. Aber in den ersten drei Tagen hier habe ich meine Familie extrem vermisst, es hat mir fast das Herz herausgerissen. Da war eine extreme Leere. Durch die viele Arbeit war ich bald abgelenkt. Sie kommen mich oft besuchen, aber ich würde meine Kinder momentan nicht aus ihrem Umfeld reißen. Auch, weil es im Umkreis von Brügge keine englischsprachige Schule gibt.
In welcher Sprache kommunizieren Sie mit der Mannschaft?
Auf Englisch. Da muss man schon auch sehr aus seiner Komfortzone herauskommen. Andererseits ist es ein toller Lernprozess.
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