Die Trainer der EURO-Halbfinalisten

Die Trainer der EURO-Halbfinalisten
Vier Trainer-Typen, vier Stile – aber ein Ziel: Mit dem Nationalteam den EM-Titel holen.

Wie geht man mit dem teuersten Spieler der Welt um? Wie mit dem impulsivsten? Wie bündelt man Vereinsinteressen? Den Trainern der EM-Halbfinalisten gelingt das ausgezeichnet. Spanien setzt auf die Vaterfigur Del Bosque. Portugal lässt den Kumpeltyp Bento ran. Italien beschäftigt für den Umgang mit so manchem Schwererziehbaren die Familien-Bande Prandelli. Deutschland vertraut der Aufbauarbeit von Löw. Vier Trainer-Typen, vier Stile – aber ein Ziel: Mit dem Nationalteam den EM-Titel holen.

Sie arbeiten dabei mit den teuersten Fußballern der Welt, dirigieren millionenschwere Beine. Die Stars sind aber die meiste Zeit des Jahres bei ihren Vereinen an der Arbeit. Für wenige Wochen heißt es aber Kräfte bündeln, die Millionäre auf den gemeinsamen, nationalen Weg einschwören.

 

Marktwert-Vergleich

Das Internet-Portal www.transfermarkt.at versucht die Marktwerte der Spieler zu ermitteln. Das ist oft nicht so einfach. Aber ein Vergleich der vier Mannschaften zu je 23 Kaderspieler zeigt vor allem die Relationen auf, in welch exklusivem Zirkus die vier Dompteure ihre Peitschen schwingen.

Unbestritten ist, dass Portugals Cristiano Ronaldo der teuerste Spieler der Welt ist (Marktwert: 90 Millionen Euro). Er hat in jungen Jahren gemeinsam mit seinem Teamchef noch in Lissabon gespielt. Unbestritten ist auch, dass Spanien in Summe die wertvollsten Spieler hat (658 Mio.). Mit ihnen hat Del Bosque schon die Weltmeisterschaft vor zwei Jahren geholt.

Die deutsche Mannschaft hat sich mit ihren Leistungen, vor allem aber mit ihrem Stil, in den letzten vier Jahren wertvoll gemacht (459 Mio.). Prandellis Truppe ist nach dem Umbau samt Integration einiger international wenig bekannter Spieler im Vergleich ein Schnäppchen (296,1 Mio.). Noch.

Vicente del Bosque

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Der Anti-Mourinho eint die Erzfeinde
Zwei Meistertitel, zwei Champions-League-Titel, ein Mal den spanischen Supercup, einmal den Weltpokal und einmal den europäischen Supercup. Das alles hat Real Madrid mit Vicente del Bosque auf der Bank gewonnen – von 1999 bis 2003. Aber Dankbarkeit zählt im Fußballgeschäft nicht viel, 2003 wurde sein Vertrag nicht verlängert, weil man eine heller schillernde Persönlichkeit für die Trainerbank von Real suchte. Nur deshalb wird dem 61-Jährigen aus Salamanca oft die Bezeichnung Anti-Mourinho zu teil.

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Der Portugiese hätte gerne so viel Erfolg wie sein Vorgänger. Und versucht es mit provozieren und polarisieren. Danach muss del Bosque die von Mourinho verursachten Risse wieder kitten, muss die Stars von Real Madrid und FC Barcelona wieder zu einer Einheit formen. In den Ansprachen redet er dann von: "Anstrengung und Opferbereitschaft. Talent und Disziplin, Solidarität und Bescheidenheit, Ehre und Loyalität."

Er gilt nicht nur im Team als umgänglicher Vatertyp. Er geht mit den Spielern um, wie mit seiner Tochter und den beiden Söhnen, von denen der Jüngere vor 22 Jahren mit dem Downsyndrom geboren wurde.

Paulo Bento

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Ein Kumpel-Typ mit burgenländischer Prägung
Benkö. Kein Tippfehler. Die Geschichte des portugiesischen Teamchefs Paulo Bento ist untrennbar mit dem Burgenländer Günter Benkö verbunden. Seit dem EM-Halbfinale am 28. Juni 2000 zwischen Portugal und dem späteren Europameister Frankreich. Bento, damals noch im zentralen Mittelfeld der Portugiesen umtriebig, entriss Benkö die Rote Karte, die der ehemalige Top-Referee aus Österreich Bentos Kollegen Nuno Gomes gezeigt hatte. Die Folge waren Tumulte und Handgreiflichkeiten, eine Golden-Goal-Niederlage Portugals und deftige Sanktionen. Für fünf Monate wurde Bento vom Verband suspendiert.

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Wenig später war die Teamkarriere ganz beendet. Erst 2010 kehrte Bento zurück – und zwar als Teamchef. Davor schwang sich der heute 43-Jährige zum zweiterfolgreichsten Trainer in der Geschichte von Sporting Lissabon auf. Unter ihm schafften Spieler wie Nani, João Moutinho und Miguel Veloso den Durchbruch. Mit dem 16 Jahre jüngeren Cristiano Ronaldo spielte Bento am Ende seiner Karriere bei Sporting gar in einer Mannschaft. Die vier Kicker sind Stützen in Bentos EM-Kader, er pflegt ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Stars.

Cesare Prandelli

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Der Revolutionär und Wanderprediger
Wie ein Revoluzzer sieht er eigentlich nicht aus. Mit seinem stylischen Designeranzug, den lässig zurückgegelten Haaren und den übertriebenen Gesten wirkt Cesare Prandelli wie der coole Parade-Italiener. Dabei ist eben dieser Cesare Prandelli drauf und dran den italienischen Fußball aus den Angeln zu heben.

Keine zwei Jahre hat der 54-Jährige gebraucht, um alte, steinerne Gesetze und Dogmen mit Füßen zu treten und der italienischen Fußball-Nationalmannschaft eine neue Identität zu verschaffen, die nur die wenigsten für möglich gehalten hätten. Den Catenaccio, den berühmt-berüchtigten Defensivfußball made in Italy, hat Prandelli aller Kritik zum trotz, abgeschafft und durch einen attraktiveren Angriffsfußball ersetzt.

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Wen wundert’s, dass sich die italienischen Gazetten überschlagen und bereits von einem Fußball von einem anderen Stern oder einer Kulturrevolution schwelgen. Prandelli hält nichts von übertriebener Euphorie und allzu ausgelassenen Feiern. Nach dem Semifinaleinzug gegen England pilgerte er um vier Uhr früh mit seinem Betreuerstab, dem sein Sohn Niccolo angehört, elf Kilometer weit zu einem Kloster.

Joachim Löw

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Der Spielkultur-Liebhaber und Mister Cool
Die Devise, die Joachim Löw bei seinem Amtsantritt im Jahre 2006 ausgab, klang kühn und riskant zugleich. Der Schwarzwälder wollte nicht nur mit berühmten deutschen Tugenden aufräumen, mit denen das DFB-Team in der Vergangenheit so viele Erfolge gefeiert hatte, Löw wollte Deutschland auch zu einem Zentrum der Spielkultur und Spielfreude machen. Sechs Jahre später haben Löws junge Wilde 15 Pflichtspiele in Folge und viele Sympathien gewonnen. Die deutsche Nationalmannschaft kommt einem irgendwie fast ein bisschen spanisch vor angesichts der spektakulären Ballstafetten und der offensiven Grundausrichtung.

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Joachim Löw selbst weiß nicht nur das ganze Land, sondern vor allem seine Spieler hinter sich. "Wir vertrauen ihm blind", erklärt Real-Star Sami Khedira, "alles, was er macht, hat Hand und Fuß." Der 52-jährige Ex-Tirol- und Austria-Coach kann mittlerweile die beste Bilanz aller DFB-Bundestrainer vorweisen und die Bild-Zeitung kürte ihn schon zum "coolsten Bundestrainer aller Zeiten." Löw selbst sind all die Komplimente fast ein wenig unangenehm."Ich strebe einzig und allein den Erfolg an."

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