DDR-Serie: Vom Albtraum zum Märchen

Toni Polster war damals als Buhmann angetreten und wurde zum Helden.
Österreich schlug die DDR 3:0 und fuhr zur WM – Polster stand im Mittelpunkt.

Am Ende stand ein 3:0, von dem der österreichische Fußballfan heute noch mit glasigen Augen gerne erzählt. Österreich hatte die DDR im alles entscheidenden Spiel der WM-Qualifikation durch drei Tore von Toni Polster bezwungen und fuhr im Jahr darauf zur Endrunde nach Italien. Was sich heute wie ein Märchen liest, war für viele Beteiligte damals im Vorfeld der Partie eine einzige Horror-Geschichte. Denn im österreichischen Team ging es drunter und drüber, die Öffentlichkeit pfiff auf Teamchef Josef Hickersberger und vor allem auf Torjäger Toni Polster.

Morddrohung

Mit den politischen Ereignissen im Land des Gegners DDR setzte sich das rot-weiß-rote Team so knapp vor dem Spiel am 15. November nur am Rande auseinander. Hickersberger: "Ich war in Wien und habe den Mauerfall wie alle anderen auch im Fernsehen miterlebt. Natürlich habe ich mir überlegt, wie sich das Ereignis auf die Psyche der DDR-Spieler auswirken könnte. Meine Befürchtung war, dass der Mauerfall die DDR beflügeln würde." Er sollte falsch liegen mit dieser Einschätzung. Toni Polster freute sich damals für die Bürger der DDR. "Endlich konnten sie das machen, was für uns normal war. Nach Spanien oder Italien reisen zum Beispiel. Dennoch haben wir versucht, dass in der Vorbereitung auszublenden."

Hickersberger hatte zudem andere Probleme. Er saß daheim in seiner Wohnung in der Sollingergasse im 19. Wiener Gemeindebezirk, als das Telefon läutete, und der Anrufer dem Teamchef mit Mord drohte, falls er gegen die DDR Polster aufstellen würde. "Ein Verrückter kann mich doch nicht von meinen Vorstellungen abbringen." Dennoch schaltete ÖFB-Generalsekretär Alfred Ludwig die Polizei ein. Hickersberger: "Du überlegst dir dann schon, ob es das alles wert ist."

Der Fall Weber

Angenehm war für Hickersberger auch nicht das Mittagessen bei Familie Pezzey vor Start der Qualifikation. Damals musste er seinem Freund Bruno Pezzey mitteilen, dass er sich bei der Position des Liberos gegen ihn und für Heribert Weber entschieden hatte. "Das war die schwierigste Entscheidung in meiner Trainerkarriere. Mit dem Bruno habe ich gemeinsam bei der WM 1978 in Argentinien gespielt."

In der Vorbereitung auf das DDR-Spiel wurde eben jener Heribert Weber zu einer umstrittenen Personalie. "Er hatte Zahnschmerzen und mehrmals nicht trainiert", erinnert sich Hickersberger. Die Stimmung innerhalb der Mannschaft drohte zu kippen, Hickersberger teilte Weber mit, dass er ihn auf die Bank setzen würde. "Er war uneinsichtig und hat gemeint, wenn er nicht fit genug für das Spiel wäre, wäre er auch nicht fit genug für die Bank." Und setzte sich auf die Tribüne, was ihn letztlich die WM-Teilnahme kostete. "Im Nachhinein und mit meiner Lebenserfahrung hätte ich mich wohl anders verhalten nach dem Spiel. Mit meiner jetzigen Altersweisheit hätte ich das Gespräch mit Weber gesucht." Weber wäre der einzige Österreicher mit drei WM-Teilnahmen gewesen.

Der Fall Polster

Der zweite Aufreger war zu dieser Zeit Toni Polster. Die Stimmung im Land wendete sich gegen den Sevilla-Legionär, vor dem Spiel wurde er bei der Nennung seines Namens gnadenlos vom eigenen Publikum ausgepfiffen. "Ich habe mich geniert, Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft zu sein. Ich wünsche mir, dass nie mehr ein Teamspieler so behandelt wird." Für Polster war die Situation belastend. "Es hat keinen Spaß gemacht. Ich bin ja kein Masochist, dass ich mich für wenig Geld, das wir beim Team bekamen, schimpfen lasse. Mir hat nur die Gruppe geholfen, sonst niemand. Für mich ging es um Alles oder Nichts. Wäre es schief gegangen, wäre ich von der Nationalmannschaft zurückgetreten." Dann wäre auch Krankls Torrekord nicht gefallen. "Dann wäre wahrscheinlich auch nicht die WM 1998 passiert."

Polster antwortete auf seine Art. Mit drei Toren. "Ich habe versucht, diese Wut und diesen Zorn in positive Energie zu verwandeln. Wir wollten uns den WM-Traum erfüllen." Nach dem dritten Tor sprang er über die Werbebande, sprintete die Laufbahn entlang und schrie und deutete in Richtung der ihn plötzlich bejubelnden Zuschauer. "Ich habe nie gesagt, was ich ins Publikum geschrien habe. Und ich möchte es auch nicht sagen." Einerlei. Polster gelang auch dank des DDR-Spiels doch noch der Wechselpass zur Kultfigur im österreichischen Fußball.

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