2012 saß er gesperrt auf der Tribüne, 2013 war er der erste Österreicher, der in einem Champions-League-Finale auf dem Platz stand – und am Sonntag ist er auch selbst der Erste, der ihm folgt. Vor dem Endspiel gegen Paris Saint-Germain, in das die Bayern laut den Buchmachern als Favorit gehen, nahm sich David Alaba Zeit für den KURIER.
KURIER: Sie können zum zweiten Mal die Champions League gewinnen. Wie kann man die Bayern-Mannschaft von 2013 mit der heutigen vergleichen?
David Alaba: Es gibt sicher Vergleiche, die man ziehen kann. So wie damals haben wir auch einen einzigartigen Teamgeist. Das sieht man derzeit bei uns ganz gut. Beide Mannschaften haben einen Charakter, der einzigartig ist, und eine Philosophie, die nur bei uns zu erkennen ist. Das war 2013 ähnlich.
Was meinen Sie genau?
Die Art, wie wir arbeiten. Was hinter diesen Erfolgen steckt. Wir sind keine Mannschaft, die auch nur irgendwo zweifelt. Egal, ob im Spiel oder außerhalb. Wir arbeiten sehr hart und leben von dieser Arbeit. Und wenn man uns zusieht, die letzten Tage, Woche und Monate, dann erkennt man bei uns eine Philosophie, die zuvor noch nicht da war.
Zumindest diese Spielphilosophie war zuletzt im Halbfinale auch etwas riskant.
Unser Spiel ist darauf ausgelegt, hoch zu stehen. Das trägt einfach dazu bei, dass wir auch ein gewisses Risiko eingehen. Aber das ist unser Spiel im Moment, und es klappt gut.
Wird es auch gegen den Pariser Sprinter Kylian Mbappé klappen? Wie kann man schnelle Konter wie von Lyon im Halbfinale verhindern?
Wir analysieren das genau und wollen und werden es am Sonntag besser machen. Aber wir sind keine Mannschaft, die ihr Spiel auf den Gegner auslegt. Wir bauen auf unsere eigenen Stärken, und das zeichnet uns aus. Jeder sieht, wie selbstbewusst wir sind.
Man kann also davon ausgehen, dass Ihre Mannschaft auch im Finale wieder sehr hoch attackieren wird?
Das kann ich noch nicht sagen. Lassen wir uns einfach überraschen.
Bei Paris hat man den Eindruck, dass sich die großen Stars wie Neymar und Mbappé jetzt richtig in den Dienst der Mannschaft stellen. Macht sie das so gefährlich?
Das kommt einigen vielleicht so vor, weil sie im Finale stehen. Ich habe in dieser Mannschaft immer extreme Qualität gesehen, egal, ob es die Einzelspieler sind, oder als Team. Und Thomas Tuchel ist ein Trainer, der seiner Mannschaft immer einen Plan mitgibt, den sie auch umsetzen kann.
Beim Finalturnier fällt auf, dass weniger zögerlich, dafür öfters mit offenem Visier gespielt wird und viele Tore fallen. Woran könnte das liegen?
Vielleicht daran, dass es keine Hin- und Rückspiele gab. Man hat nur ein Spiel, um erfolgreich zu sein und weiterzukommen. Da zählt kein Auswärtstor.
Waren sie 2013 vor dem Finale nervöser als jetzt?
Die Nervosität war 2013 wirklich sehr, sehr hoch, die Anspannung sehr groß. Ich war 20 Jahre alt und habe nicht die Erfahrung von heute gehabt. Damals ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Früher war es auch so, dass man sich schon einige Wochen vorher für das Finale qualifiziert hat. Da denkt man sich immer wieder: Wann kommt endlich das Finale? Jetzt sind durch diese Turnierform zwischen Halbfinale und Finale nur ein paar Tage, daher ist es auch schwierig zu vergleichen.
Bereiten Sie sich heute anders auf große Spiele vor als damals?
Bestimmt. Ich spiele jetzt zehn Jahre auf diesem Niveau, und man entwickelt sich als Person weiter. Man reift.
Wie drückt sich das aus? Machen Sie heute mehr aus dem Bauch heraus?
Die Gefühlslage ist einfach eine ganz andere. Ich habe eine Erfahrung, in die ich hineinhören kann. Ich verstehe meinen Körper besser. Da läuft vieles anders ab als noch vor sieben Jahren.
Gibt es einen speziellen Moment vom Finale 2013 im Wembley-Stadion, an den Sie sich gerne erinnern?
Da gibt es ein paar. Vor allem der, als ich den Henkelpott in meinen Händen halten durfte.
Wie geht es Ihnen mit den leeren Rängen im Stadion? Kann man sich als Fußballer daran gewöhnen?
Am Anfang war es wirklich nicht einfach und eine komische Atmosphäre. Ich glaube, das war es auch für die Zuschauer zu Hause. Man muss es auch irgendwann akzeptieren und versuchen, das Beste daraus zu machen. Als Spieler musst du einen Fokus finden, damit du in diesen Tunnel kommst und in jeder Minute die Konzentration hochhalten kannst. Mit der Zeit gewöhnt man sich auf jeden Fall daran.
Ist es schwieriger, in diesen Tunnel hineinzufinden?
Wenn man solche Spiele spielt wie wir in den letzten Tagen, dann nicht.
Spielbeginn am Sonntag ist 21 Uhr. Viel Zeit, um nach dem Aufstehen nachzudenken. Erinnern Sie sich an solchen speziellen Tagen auch gerne an den Nachwuchsspieler Alaba zurück?
Das kann passieren, in den letzten Tagen aber eher weniger. Der Fokus und die Vorfreude auf dieses Finale sind einfach groß, sodass ich einfach nach vorne schaue.
Ihr Vertrag läuft nächstes Jahr aus. Kann das Finale einen Einfluss auf Ihre Entscheidung haben, wo Sie künftig spielen werden?
Das denke ich nicht.
Rückblick: Als Alaba in Wembley triumphierte
Den 25. Mai 2013 wird David Alaba noch lange in Erinnerung behalten. Wie viele Karten er damals organisieren musste? „Ich weiß es nicht mehr genau. Eine Menge jedenfalls.“ Freunde und Familie waren unter den 86.298 Fans im Wembley-Stadion und sahen ein spannendes Endspiel zwischen den Bayern und Dortmund, das die Münchner schließlich mit 2:1 gewannen.
Dabei hat das Finale in London für Alaba durchaus stressig begonnen: Die von Jürgen Klopp gecoachten Dortmunder lenkten mit ihrem Angriffspressing den Spielaufbau der Bayern bewusst auf die linke Abwehrseite, wo sie dann den jüngsten Spieler auf dem Feld gekonnt unter Druck setzten. Ein Monat vor seinem 21. Geburtstag konnte sich Alaba nach anfänglichen Schwierigkeiten immer besser befreien. Der Wiener machte in Folge auch ein starkes Spiel.
Die Bayern gingen in Minute 60 durch Mandzukic in Führung und waren froh, dass Verteidiger Dante acht Minuten später bei seinem Elfmeter-Foul an Marco Reus nicht mit Gelb-Rot vom Platz flog. Den Strafstoß verwandelte Gündoğan zum 1:1.
In der völlig offenen letzten halben Stunde hatten schließlich die Bayern das Glück und auch den an diesem Tag besten Spieler auf ihrer Seite. Nachdem er schon das 1:0 vorbereitet hatte, schob Arjen Robben nach Ferserl-Pass von Franck Ribéry den Ball an BVB-Tormann Roman Weidenfeller vorbei ins Tor. Es war die 89. Minute – und Dortmund fehlte die Zeit für eine Antwort.
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