Cerny: "Ich sag' Beinschuss, ganz klar"

Cerny: "Ich sag' Beinschuss, ganz klar"
Vor dem Duell mit Deutschland gehen Betroffene der Rivalität auf die Spur. Diesmal Bayern-Coach Harald Cerny.

Harald Cerny befindet sich am 11. September im Abseits. Wenn der 47-fache österreichische Teamspieler in München mit seinen Freunden vor dem Bildschirm sitzt, dann drücken fast alle den Deutschen die Daumen. "Das bin ich schon so gewohnt", sagt der 38-jährige Niederösterreicher, der in Bayern seine zweite Heimat gefunden hat.

1990 hatte es Cerny zum Rekordmeister FC Bayern verschlagen, mittlerweile ist der langjährige 1860-Legionär längst ein halber Münchner.

KURIER: Herr Cerny, seien Sie ehrlich: Wie deutsch sind Sie eigentlich schon?
Harald Cerny: Im Herzen bin ich null Deutscher, da gibt’s kein Wenn und Aber. Beim Dialekt sieht’s ein bisschen anders aus, das gebe ich zu: Ich bin jetzt doch schon seit 1990 fast ununterbrochen in München und seit zwölf Jahren mit einer Bayrin verheiratet. Das färbt ab. Wenn ich nach Österreich komme, brauche ich immer einige Tage, bis mein Österreichisch wieder funktioniert.

Apropos Österreichisch: Wie sieht’s mit den typisch heimischen Fußballbegriffen aus? Sagen Sie jetzt Gurke oder doch vielleicht schon Beinschuss?
Ich sage Beinschuss, ganz klar. Hier in Deutschland weiß doch überhaupt kein Mensch, was eine Gurke mit Fußball zu tun hat. Mir selbst geht’s ja ähnlich. Wenn ich heute bei einer österreichischen Fußball-Übertragung Begriffe wie Corner oder Stang’lpass höre, dann stört mich das fast schon. So schnell stellt man sich um.

Haben Sie denn auch typisch deutsche Gewohnheiten angenommen?
Nicht typisch deutsche, sondern bayrische. Ich trink’ am Abend ein Weißbier und ich hab’ zwei Lederhosen. Andererseits ist da jetzt vom Brauchtum her nicht allzu viel Unterschied zu Tirol oder Salzburg. Die Bayern sind ja auch keine typischen Deutschen.

Und wie sieht’s mit österreichischen Bräuchen aus?
Was ich mir nicht nehmen lasse, ist, hier die österreichische Weinkultur hochzuhalten. Ich habe den Vergleich: Wir haben definitiv den viel besseren Wein.

Dafür hat Deutschland die viel besseren Fußballer. Was ist Ihr Eindruck: Nehmen die Deutschen diese Rivalität auch so ernst wie die Österreicher?
Das ist sicher in Österreich ein größeres Thema. Weil man einfach die große Fußballnation Deutschland besiegen will. Aber für die Deutschen ist ein Spiel gegen Holland viel brisanter, da ist die Rivalität extremer, als wenn es gegen Österreich geht. Da rechnen alle mit einem Sieg.

In Österreich wird aber nach den letzten Ergebnissen bereits von einer Sensation geträumt.
Ich kenne das. Erst werden die Erwartungen ganz hoch geschraubt und wenn es nicht klappt, dann kommt sofort die riesige Enttäuschung. Ich sage es ganz ehrlich: Realistisch betrachtet ist für Österreich die Qualifikation für die WM fast nicht möglich.

Warum das?
Die Mannschaft hat in den letzten Jahren an Qualität gewonnen, auch durch die vielen Legionäre, die in Deutschland spielen. Aber man kann jetzt nicht erwarten, dass sich Österreich für die WM qualifiziert. Man kann ja auch von den Deutschen nicht erwarten, dass sie ins WM-Finale kommen. Und trotzdem ...

... und trotzdem?
Trotzdem habe ich mit meinen deutschen Freunden schon wieder einige Wetten laufen. Hoffentlich gewinne ich diesmal, sonst kann ich mir wieder tagelang was anhören. Aber wehe Österreich gewinnt.

Was passiert dann?
Dann kriegen sie endlich einmal alles zurück. Doppelt und dreifach. Dann habe ich sie für einige Wochen am Schmäh.

Abschließend: Haben Sie nach so vielen Jahren in München eigentlich einmal ernsthaft darüber nachgedacht, nach Österreich zurückzukommen?
Es hat sich mit dem Trainerjob beim FC Bayern halt alles so ergeben. Aber als Trainer weißt du sowieso nie, wohin die Reise geht. Österreich? Wieso eigentlich nicht? Ich bin der letzte, der irgendwann eine Rückkehr nach Österreich ausschließt. Ich fühle mich ja auch immer noch zu hundert Prozent als Österreicher.

Harald Cerny: Ein Münchner Original

Karriere Harald Cerny (*13. September 1973) wechselte bereits mit 16 Jahren von der Admira zum Nachwuchs des FC Bayern. Seit 1990 war München mit einer kurzen Unterbrechung die Heimat des Niederösterreichers. Von 1995 bis 2007 absolvierte Cerny 263 Bundesligaspiele für 1860 München, mittlerweile trainiert der 47-fache österreichische Teamspieler die U-15-Mannschaft des FC Bayern.

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