Bosnien-Herzegowina: Tore aus der Problemzone
Drei Mal traf Österreich bisher auf Bosnien-Herzegowina, noch immer ist die Weste weiß mit einem Sieg und zwei Unentschieden. Das letzte Duell datiert aus dem Frühjahr 2015, als man in Wien nach einem Test freundschaftlich mit 1:1 auseinanderging.
Nun trifft man sich auf völlig neuem Terrain wieder, in der neu geschaffenen Nations League. In der Gruppe mit Bosnien und Nordirland gilt Österreich durchaus als Favorit auf Platz eins, doch auch der aktuelle Gegner rechnet sich etwas aus. Nachdem Bosnien in der Qualifikation für die WM 2010 und die EURO 2012 jeweils im Play-off an Ronaldos Portugal gescheitert war, feierte man im Oktober 2013 den größten Erfolg – erstmals in der Geschichte des seit dem Jahr 1992 unabhängigen Staates gelang die Qualifikation für ein großes Turnier, die WM 2014 in Brasilien.
Premieren-Treffer
Das erste WM-Tor der bosnischen Geschichte erzielte Vedad Ibisevic im Auftaktmatch gegen Argentinien (1:2). Nach einer weiteren Niederlage gegen Nigeria sowie einem Sieg gegen den Iran war in der Gruppenphase Schluss. Ibisevic, bei Hertha BSC unter Vertrag, wird gegen Österreich nicht treffen können. Der Stürmer hat seine Team-Karriere inzwischen ebenso wie der langjährige Spielmacher Zvjezdan Misimovic beendet.
Mit Miralem Pjanic von Juventus Turin haben die Bosnier einen würdigen Nachfolger für Misimovic gefunden, Ibisevics Platz im Sturm neben Superstar Edin Dzeko von der AS Roma wurde allerdings nicht ausgefüllt. Mit dem Salzburger Smail Prevljak steht ein Mann in den Startlöchern, auch wenn er für das Match gegen die Österreicher nicht berücksichtigt wurde.
Die Offensive war noch nie die Schwachstelle der Balkan-Truppe, eher die Abwehr, in der die Teamchefs seit dem Abgang der Fixgrößen wie dem Langzeit-Kapitän Emir Spahic oder auch dem Ex-Austrianer Sasa Papac die Löcher stopfen müssen. Da fallen die verletzungsbedingten Ausfälle der Stammverteidiger Sead Kolasinac (Arsenal) und Ermin Bicakcic (Hoffenheim) umso mehr ins Gewicht. Die Lücke kann auch der Salzburger Darko Todorovic nicht nutzen – einer beim U-21-Team verdienten Sperre sei Dank.
Liga-Elend
Noch schwerer wiegt für Bosnien die Situation in der heimischen Meisterschaft. Die Premijer Liga gehört zu den schwächsten in Europa, was die ständige Abwesenheit ihrer Klubs im Europacup eindrucksvoll belegt. Bislang hat sich nämlich noch kein bosnischer Verein für die Gruppenphase eines europäischen Klubbewerbes qualifizieren können. Deshalb treibt es die Talente früh ins Ausland, wo sie über schwächere Ligen den Sprung in die Top-Länder suchen.
Edin Dzeko ist ein gutes Beispiel, aber auch eine Ausnahme. Er wurde bei Ivica Osims Jugendklub Zeljeznicar Sarajevo groß, schaffte über den tschechischen FK Teplice den Sprung nach Wolfsburg, wo er als Bundesliga-Torschützenkönig zu einem Superstar avancierte und anschließend zu Manchester City wechselte. Die meisten Talente aber werden von zwielichtigen Managern einer besseren Karriere und womöglich etlicher Gehälter beraubt und landen irgendwann in der heimischen Liga, die derzeit in der Fünfjahreswertung lediglich Rang 40 einnimmt.
Anhaltende Vorwürfe der Spielmanipulation, finanzklamme Klubs, die sich in den Händen dubioser Geschäftsleute befinden, sowie marode Stadien sind verantwortlich für das schlechte Image der Liga.
Volksfeste
Der Euphorie, die um das Nationalteam stets herrscht, tut das keinen Abbruch. Die Heimspiele der „Drachen“, wie die Mannschaft von ihren Fans, die kriegsbedingt auf der ganzen Welt verstreut sind, genannt wird, erinnern an Volksfeste. Gerade in der Arbeiterstadt Zenica, in der die ohnehin hohe Arbeitslosenquote über dem Landesschnitt liegt, kommt das Wir-Gefühl stark zum Vorschein. Das Areal um das zentral gelegene Stadion „Bilino Polje“ verwandelt sich am Matchtag in einen Jahrmarkt.
Der Geruch der in China produzierten Fan-Utensilien vermischt sich mit jenem der Cevapcici, die an jeder Ecke gebraten werden, akustisch untermalt von den Klängen der Trompeten. Zumindest für einen Tag vergessen die Leute ihren tristen Alltag.
Studien zufolge gehört Bosnien-Herzegowina zu den ärmsten Ländern Europas und stellt aufgrund seiner komplexen Staatsstruktur und multiethnischen Bevölkerung das größte Problemland der Region. Jede Art von Ablenkung ist willkommen, wird gerne auf Sportplätzen gesucht. Dort, wo ein Treffer von Edin Dzeko mehr ist als nur ein Tor.
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