Marko Arnautovic ist kein Kind von Traurigkeit. Nicht, dass der Italien-Legionär während des Trainings nicht voll bei der Sache wäre, allerdings: In den Pausen lässt der 33-Jährige für gewöhnlich keine Gelegenheit aus, um mit seinen Kollegen zu spaßen.
Am Montag war das anders. Kein Witzeln hier, kein Schmähführen da. Beim ersten Training unter Ralf Rangnick in Bad Tatzmannsdorf nützte der Stürmer jede Gelegenheit, um Luft zu holen. Wieso ihm diese plötzlich schneller ausging? Dass der Bologna-Stürmer eine lange Saison auf hohem Niveau hinter sich hat, ist mit Sicherheit ein Grund. Ein anderer liegt in der Macht der Gewohnheit.
Österreichs Stürmerstar ist es gewohnt, in Mannschaften zu spielen, wo seine individuelle Qualität forciert wird. Er ist es gewohnt, dann zu sprinten, wenn sein Team in Ballbesitz ist. Und er ist es gewohnt, dementsprechend zu trainieren.
Intensives Training
Allerdings: Beim ÖFB wird seit Montag anders trainiert. „Das war sehr intensiv, sehr anstrengend“, sagte etwa Sasa Kalajdzic. „Wir waren in jedem Bereich am Limit“, gestand Christoph Baumgartner nach den Spielformen auf kleinen Feldern. Bälle jagen in kurzen und intensiven Intervallen, statt Pass- und Schussübungen in extensiver Dauerschleife. Wer als Hobbysportler Dauerläufe gewohnt ist und plötzlich auf Tempo-Intervalle umsattelt, der kennt das Gefühl.
An dieser Stelle gilt es für Marko Arnautovic, sich umzustellen. Viel deutlicher hätte es Ralf Rangnick am Sonntag nicht formulieren können: „Er ist 33. Wenn er neben seinem 100. Länderspiel noch irgendetwas gewinnen will, dann müssen wir uns beeilen. Dann muss er sich beeilen.“ Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Aus physischer Sicht bedeutet dies: Der Stürmer muss an seiner Sprintwiederholungsfähigkeit arbeiten, um künftig nicht nur in den Ballbesitz-Phasen Gas geben zu können, sondern auch, wenn der Ball beim Gegner ist, im Pressing.
Dass Arnautovic diesen Stil von seinem Verein nicht gewohnt ist, zeigt die Statistik. Bologna lässt in der Serie A im Schnitt 10,6 Pässe des Gegners zu, ehe man diese unterbindet. Sprich: Die Mannschaft betreibt im Grunde wenig Pressing, während Teams, die ein ausgefeiltes Spiel gegen den Ball haben, einen viel niedrigeren Wert aufweisen. Der FC Liverpool etwa wurde in dieser Saison nach acht Pässen seiner Gegner aktiv. Bei den Pressing-Spezialisten aus Salzburg liegt der Wert in der Bundesliga (gegen freilich schwächere Gegner) gar bei sechs.
Kurzum: Ralf Rangnick ist vor seinem ersten Länderspiel am Freitag in Osijek auf der Suche nach seinem Pressing-Star. Und zwar im Angriff, denn in allen anderen Mannschaftsteilen hat der Teamchef ein großes Angebot an Spielern, die seinen Stil beherrschen.
Dass viele Stürmer diesen intensiven Stil ablehnen, geht oft mit der Begründung einher, wonach ihnen in weiterer Folge die Kraft und Konzentration im Torabschluss fehlt. Allerdings: Ralf Rangnick ist kein Bittsteller und wird seine Stürmer nicht erst überreden. Und wenn doch, hätte er Argumente. Etwa, dass man öfter zum Abschluss kommt, wenn die Bälle nahe des gegnerischen Tores erobert werden und man sich auch längere Wege zurück in die eigene Hälfte erspart. Also lieber öfter kurz sprinten, als zurück zu traben und dann wieder einen weiteren Weg zum gegnerischen Tor zu haben.
Keine Ausreden
Auch dass sie es nicht könnten, wird bei Rangnick nicht als Ausrede durchgehen. Die Arbeit der Stürmer in der ersten Pressinglinie ist keine Raketenwissenschaft. Es geht vorrangig darum, mittels Anlaufen das Aufbauspiel des Gegners auf eine Spielfeldseite zu lenken, dort dann den Raum zu verdichten und den Ball zu gewinnen. Marko Arnautovic kann das. Noch ein Indiz gefällig? „Wenn Arnautovic nicht am Platz war, hat sich der Pressingwert von Bologna in dieser Saison von 10,6 auf 11,7 verschlechtert“, hat Marilena Plank von den Datenanalyse-Profis von Strykerlabs aus Graz eigens für den KURIER errechnet.
Und wie Arnautovic kann es auch Sasa Kalajdzic. „Ich bin auch in Stuttgart der erste Defensivspieler und muss die gegnerischen Verteidiger anlaufen“, macht der 24-Jährige gar Eigenwerbung für einen Einsatz am Freitag. Wenngleich auch er es vermutlich noch nicht in der von Rangnick geforderten Intensität gewohnt ist. Der Pressingwert des VfB Stuttgart in der deutschen Bundesliga liegt bei 11,2 Pässen.
Um auf die Torjägerqualitäten beider Mittelstürmer nicht verzichten zu müssen, ist es naheliegend, dass sie sich ihre Spielzeit zunächst einmal teilen. Der Konkurrenzkampf ist eröffnet.
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