Vor dem Gastspiel der Austria beim SKN St. Pölten plauderte Trainer Christian Ilzer über seine Philosophie, seine Bildersprache, seine Entwicklung in wenigen Monaten in Wien und warum er hofft, dass ihn die Mannschaft im Mai nicht mehr braucht.
Herr Ilzer, ist in der Länderspielpause Ruhe eingekehrt bei der Austria?
Christian Ilzer: Der Sieg gegen Sturm hat uns gut getan in allen Bereichen, nicht nur tabellarisch. Gleich, wie er zustande gekommen ist. Wir haben in der Pause wieder analysiert. Zehn Runden und elf Punkte, die Tabelle lügt eben nicht. Die Ausfallsflut in der Verteidigung hat geschmerzt, aber ansonsten waren nicht vom Pech verfolgt. Wir waren eben nicht besser. Ich habe weiterhin ein klares Spielmodell, das musst du anpassen an die Spieler Schritt für Schritt.
Ist der Kompromiss derzeit noch zu groß, den Sie eingehen müssen?
Die Spieler sind schon viel besser als sie wahrgenommen werden. Das Modell muss in Richtung der Qualitäten adaptiert werden. Man darf aber nicht permanent umbauen. Wir machen kleine Schritte nach vorne, aber es ist noch ein weiter Weg. Wir versuchen die Phasen zu verbessern und zu verlängern. Die Quantität und Qualität der Torchancen müssen beispielsweise erhöht werden. Wir arbeiten zudem an der defensiven Stabilität.
Wie schwierig ist der Spagat zwischen mittelfristiger Entwicklung und der Kurzfristigkeit, Ergebnisse bringen zu müssen?
Um gute Resultate zu erzielen, ist die Basis, dass die Defensive steht. Zudem wollen wir junge Spieler entwickeln. Da muss man die Geduld haben, wenn mal schlechte Spiele kommen. Auf Sicht muss ich immer an die Ergebnisse denken. Aber wir sind in einem Umbruchprozess drinnen, wo man vieles auf Sicht betrachtet.
Können Sie Ihr Spielmodell erklären?
Wir wollen schnell vor die Burg. Ist die Burg offen, gehen wir direkt und schnell durch. Ist die Burg geschlossen, schleichen wir uns von außen an. Wenn wir einmal in der Burg drinnen sind, gehen wir solange nicht weg, bis sie erobert ist. Vor der Burg ist die Spielwiese, in der wir zocken müssen. Wir zocken noch zu schlecht, wir finden auch die direkten Wege hindurch zu selten. Und von außen brauchen wir gute Bälle hinein. Von diesem Modell bricht man alles hinunter. Wir haben verschiedene Phasen im Spiel.
Welche?
Eine Hurrikane-Phase, sprich Angriffspressing, und eine Mauer-Phase, wo wir tiefer und kompakt stehen wollen. Ich spreche gerne in Bildern. Damit die Spieler ein klares Bild vor Augen haben. Je größer die Stresssituation, desto klarer und einfacher müssen die Anweisungen sein. Der gute Plan A enthält alles.
Auch gegen St. Pölten? Wird es schwierig, diese Burg zu erobern?
St. Pölten ist ein gefährlicher Gegner. Ich sehe die Ideen des Trainers. Wenn wir keine starke Leistung bringen, dann wird es schwer. Wir brauchen jetzt Top-Leistungen. Nur wenn wir konzentriert und kollektiv kompakt agieren, ist ein Sieg möglich.
Blicken Sie auf die Tabelle? Schauen Sie auf den ominösen Strich oder lenkt das nur ab von der Arbeit?
Meine Arbeit ist, dass unser Spiel besser und besser wird. Dann kommen die Ergebnisse ohnehin. Unser Minimalziel sollte die Meistergruppe sein.
Wäre es dramatisch, wenn es nicht gelingt?
Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man das betrachtet. Dann geht es darum, jene Spieler zu finden, die Austria Wien auf Sicht weiter helfen und um eine Mannschaft aufzubauen.
Rapid hat die Qualifikationsgruppe auch überlebt...
Natürlich, aber oben spielt man schon gegen Salzburg oder Rapid. Man wird sehen, wie schnell uns die Verbesserung gelingt. Geht es flott, dann sind wir oben dabei.
Wir sind Büro an Büro, wir reden daher oft miteinander. Wir unterhalten uns über die Entwicklung der Spieler und der Mannschaft.
Haben Sie ähnliche Ansichten?
Wir sind unterschiedliche Typen, aber der Zugang ist sehr ähnlich. Peter hat einen klaren Blick, der braucht nicht ewig hinzuschauen, um etwas zu sehen. Ich bekomme von ihm gutes Feedback.
Hand aufs Herz: Haben Sie es sich bei der Austria so vorgestellt oder nicht doch etwas leichter?
Ich hätte mir schon vorgestellt, dass wir mehr gewinnen. Und dass wir nicht so viele Ausfälle haben, weshalb wir viel adaptieren müssen. Die Entwicklung der Mannschaft im körperlichen Bereich ist sehr gut, auch der Zusammenhalt im Team ist ein Pluspunkt. In so einem Negativlauf haben wir uns nicht auseinander dividieren lassen. Den Zusammenhalt sehe ich auf dem Platz immer mehr.
Viele Leute sagen: Was denkt sich der Ilzer, wenn er die Erfolge des WAC sieht. Was denken Sie sich wirklich?
Nicht, dass es geil wäre, wenn ich jetzt dort Trainer wäre. Ich habe die Entscheidung nicht aus dem Bauch heraus getroffen. Ich hatte klare Argumente für die Austria. Ich bin bei einem Traditionsverein, wo die Leute hungrig nach Erfolg sind. Ich möchte Teil dessen sein, wenn wir die Geschichte in eine erfolgreiche Zukunft lenken. Ich bin zum WAC gekommen, da wären sie fast abgestiegen. Wir haben gewusst, welche Typen wir brauchen, um unsere Ideen umzusetzen.
Haben Sie hier auch diese Typen?
Ich lerne sie immer besser kennen. Ich muss ja wissen, was kann einer bestmöglich spielen und wie kann ich ihn ergänzen. Bei der Austria war ja schon eine Mannschaft hier. Hartberg zum Beispiel habe in der Regionalliga übernommen. Dann bin ich weggegangen und wieder zurückgekommen. Wir haben den Kader nur punktuell ergänzt. Nach einem Jahr war Schluss, weil ich das Maximum erreicht hat. Beim WAC war es ähnlich, wir haben eine Mannschaft aufgebaut, die es in den Europacup geschafft hat. Damit war mein Projekt WAC beendet. Nach mir ist es überall gut weitergegangen. Daran messe ich mich.
Ich will auch hier eine Mannschaft aufbauen, wo alle sagen: Das sind wir. Wenn ich mich im Mai auf die Tribüne setzen kann und sie spielen das, was wir vorgegeben haben, das wäre gut.
Was hat Ihnen die Zeit bei der Austria bisher persönlich gebracht?
Beim WAC habe ich am Ende eindimensional gedacht, weil die Mannschaft von innen so gut hierarchisiert war, dass ich als Trainer mehr in der Beobachterrolle war. Hier habe ich extrem präsent sein müssen.
Die Austria ist ein anspruchsvoller Klub. Ist die Unruhe für Sie zum Greifen oder im Rahmen?
Es ist halbwegs im Rahmen. Ich fange beim Kern an, der Mannschaft und dem Trainerteam. Würden wir nicht zusammen stehen und uns abputzen an anderen, dann würden wir immer schwächer werden. Das passiert nicht. Wenn wir aus dem rauskommen, dann war das die größte Stärke dieser Mannschaft.
Sie wurden bisher nur wenig kritisiert.
Ich habe dennoch in kurzer Zeit den Erfolgstrainer Ilzer und den Loser Ilzer erlebt. Innerhalb von drei Monaten ist mir mit Wolfsberg eine ganze Stadt auf den Schultern gehangen. Und drei Monate später in Wattens nach der Cup-Niederlage bin ich aus der Kabine raus, es hat geregnet, war neblig. Vier Polizisten haben auf mich gewartet, um mich zum Teambus zu eskortieren, den man in einem Maisfeld versteckt hat.
Willkommen in Wien.
Das hat mit Wien nichts zu tun. Ich bin kein schlechterer Trainer als beim WAC, im Gegenteil. Ich glaube, dass ich in einigen Bereichen sogar zugelegt habe. Ich suche ja die Herausforderung.
Kommentare