Lionel Messi, mittlerweile 35 Jahre alt, zählt seit eineinhalb Jahrzehnten zu den besten Fußballern der Welt. Luka Modric stieg erst vor vier Jahren in die Sphären des Weltfußballertums auf, wo sich der 37-Jährige bis heute hält.
Die beiden sind beim Semifinale am Dienstag (20 Uhr/ServusTV live) die absoluten Stars auf dem Feld. Doch rund um den Argentinier und den Kroaten wurden Teams aufgebaut, deren kollektive Stärken es den beiden erst ermöglicht, ihre Fähigkeiten zu entfalten.
Auf beiden Seiten haben Teamchefs dafür die Verantwortung, die als Spieler nicht zur Weltspitze zählten. Und die auch als Trainer keine extremen Duftmarken gesetzt hatten. Sowohl Lionel Scaloni, der 44-jährige Boss der Argentinier, als auch Zlatko Dadic, der 56-jährige Chef der Kroaten, setzen im Betreuerstab auf extrem viel Know-how von gestandenen Teamspielern und WM-Teilnehmern.
Argentinien wartet nun schon seit 36 Jahren auf einen WM-Titel, es wäre der dritte der Fußball-Geschichte. Lionel Messi ist also noch nie Weltmeister geworden, obwohl er schon zum dritten Mal im WM-Semifinale steht. So oft schaffte es Kroatien als junge Nation, die bei der EM 1996 ihr Debüt auf der großen Fußballbühne gab, in ein WM-Semifinale. Wie schon 2018 werden die Kroaten dabei von Real-Institution Luka Modric angeführt.
Damals wurde Argentinien in der Gruppenphase mit einem 3:0 von Kroatien gedemütigt.
ARGENTINIEN
Das Land von Maradona und Messi ist auch die Heimat von Trainer-Philosophen, die über Jahrzehnte den Weltfußball beeinflussten. Cesar Luis Menotti stand in den 70er- und 80er-Jahren für linken Fußball, der sich von den Fesseln der Defensive befreite. Marcelo Bielsa ist nicht nur für Pep Guardiola Vorbild und Mentor. Auch Carlos Bilardo, Jose Pekerman und Jorge Sampaoli hinterließen Spuren.
Bei der WM ist ein Lehrbub von Sampaoli der Chef von Lionel Messi. Von Sampaoli übernahm Lionel Scaloni 2018 den Schleudersitz.
WM-Treffen 2006
Der 44-Jährige hatte eine mittelmäßige Spielerkarriere, durfte sieben Mal im Nationalteam spielen und war wie seine Assistenten Roberto Ayala und Pablo Aimarsowie der blutjunge Messi Teil der Truppe, die 2006 bei der WM gescheitert ist. So wie schon Generationen davor. Argentinien wartet seit 36 Jahren auf den WM-Pokal, fast so innig und sehnsüchtig wie die Engländer.
Scaloni hat bewusst Assistenten ausgewählt, die wissen, was es bedeutet, für die Hoffnungen und Sehnsüchte eines ganzen Landes verantwortlich zu sein. Während der 44-jährige Scaloni und der 43-jährige Aimar 2006 in Deutschland scheiterten, war Walter Samuel damals nicht im Team. Der 44-Jährige scheiterte bereits 2002 in Japan und Südkorea sowie dann 2010 in Südafrika noch einmal.
Der dritte Assistent, Roberto Ayala (mit 49 Jahren der Älteste des Betreuer-Quartetts), scheiterte 2006, er verletzte sich 2002 beim WM-Aus – und war 1998 gar ein Sinnbild des Scheiterns. Dennis Bergkamp nahm im Viertelfinale nach einem langen Pass den Ball aus der Luft an, spielte ihn Ayala durch die Beine und traf mit dem Außenrist ins obere Eck. Die Niederlande gewann 2:1, Argentinien fuhr nach Hause – und Ayala galt fortan als jener, der sich von Bergkamp narren ließ.
Scaloni und das Trio an seiner Seite wollen vor allem den jungen Spielern mit ihrer Erfahrung zur Seite stehen, die ihre erste WM spielen. Der Patzer zum Auftakt gegen Saudi-Arabien ist längst Geschichte, das Trainerteam leistete psychologische Aufbauhilfe. Ihre Kernaussage lautete: Genießt das Spiel und das Turnier. „Auch wenn wir verlieren, geht am kommenden Tag wieder die Sonne auf“, sagte Scaloni.
Wer wüsste es also besser als er und seine Assistenten, die trotz schmerzlicher Niederlagen auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken können? Die Spieler haben die Botschaft verstanden.
Scaloni hat rund um Superstar Messi ein Kollektiv geschaffen, das oft nicht bei den besten Adressen Fußball-Europas engagiert ist. Lautaro Martinez bei Inter und Paulo Dybala von Roma haben noch klingende Namen. Der 24-jährige Rechtsverteidiger Nahuel Molina, Schütze zum 1:0 gegen die Niederlande, feierte erst im Vorjahr sein Teamdebüt und wurde im Sommer nach zwei Jahren in Udine von Atletico Madrid verpflichtet. Oder Enzo Fernandez, der erst knapp vor der WM sein Teamdebüt gab und sich zum Stammspieler gemausert hat – der Mittelfeldspieler kam erst im Sommer zu Benfica.
KROATIEN
In den 32 Jahren, seit es die kroatische Nationalmannschaft in dieser Form gibt, ist Zlatko Dalic der 13. Teamchef. Vorgänger waren Spieler-Haudegen wie Kranjcar, Bilic, Stimac und Kovac. Nach einer überschaubaren Karriere als Kicker verschlug es den 56-Jährigen auf die Trainerbank. Auch dort war er keine große Nummer.
Dalic wurde im Oktober 2017 aus dem arabischen Raum geholt, um Teamchef zu werden. Nach neun von zehn Quali-Spielen lag Kroatien unter Teamchef Ante Cacic mit der Ukraine punktgleich auf dem zweiten Platz. Der kroatische Verband entschied sich zwei Tage vor dem Match, den damaligen Trainer Cacic rauszuwerfen. An seiner Stelle wurde Dalic installiert. Kroatien gewann 2:0, warf Griechenland im WM-Play-off raus und kam im Sommer 2018 sensationell ins WM-Finale.
Karriere nach der WM
Dalic holte sich mit Ivica Olic einen verdienten Fußballprofi als Assistenten. Mladen Ladic, eine Goalie-Legende und Tormanntrainer unter Teamchef Otto Baric, wurde sein zweiter Co-Trainer. Mittlerweile schied Ladic aus, dafür kamen Vedran Corluka und Mario Mandzukic dazu, die beide noch bei der WM 2018 gespielt hatten. Olic erklärt: „Mario versprüht noch immer seinen unbedingten Siegeswillen. Er spielt auch oft noch mit, wenn wir bei einer Trainingsform mal einen Spieler zu wenig haben.“
„Sie haben als Spieler fast alles erlebt und ihr Kämpfergeist, Optimismus und ihre positive Art sind für uns sehr nützlich“, sagte Dalic über seine Assistenten. Auf die Kommunikation im Team wird besonders viel Wert gelegt. Wenn Dalic eine personelle Entscheidung trifft, so bespricht er diese mit den Spielern und erklärt seine Wahl. Und die sind einander einig: Dalic hat eine entspannte, familiäre Atmosphäre ins Team gebracht.
All die großen und weniger bekannten Namen formte Zlatko Dalic zu einem eingeschworenen Team, obwohl ihm das aufgrund seiner eigenen vergleichsweise bescheidenen Vita als Trainer und Spieler anfangs kaum jemand zutraute. „Solange ich Trainer bin“, sagte der 56-Jährige erst am Samstag, „wird die Nationalmannschaft ein Ort des Patriotismus, des Zusammenhalts, der sportlichen Qualität und der kroatischen Flagge sein.“
Dass dieses kleine Land immer wieder mit den Größten der Welt mithält, obwohl es noch nicht mal so viele Einwohner wie Berlin und gerade mal ein Viertel von Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires hat, begründet Josip Juranovic so: „Wir haben eine große Motivation, unser Land stolz zu machen.“
Wenige Top-Vereine
Der Rechtsverteidiger der Glasgow Rangers ist schon 27 Jahre, wurde aber erst bei der EM 2021 fixer Bestandteil im Kollektiv rund um Superstar Luka Modric. Das gilt auch für Josko Gvardiol, der Leipzig-Verteidiger ist der Jungstar in einer doch in die Jahre gekommenen Truppe.
Das Herzstück ist das Mittelfeld mit Spielern von Real Madrid, Inter Mailand und Chelsea. Bis auf das Quartett Mateo Kovacic, Modric, Marcelo Brozovic und Ivan Perisic von Tottenham sind die Stammspieler von Dalic nicht bei den größten Klubs in Europa engagiert.
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