Abgelehnt wird die Atmosphäre aus Lautsprechern, in Gladbach sollen Pappfiguren ein Zuschaueraufkommen simulieren, fast ein Affront das Revier-Derby Dortmund vs. Schalke im größten, von allen guten Geistern verlassenen Stadion Deutschlands. In Köln hat man gar das Maskottchen, Hennes den Geißbock, mit Hausverbot belegt. Harald Lange, Sportwissenschaftler und Fanforscher an der Uni Würzburg, meint über die Stimmungsmache aus der Konserve: „Solche Sachen sind sehr ambivalent. Die dahinterstehende Idee ist ja redlich, aber letztlich führt das dazu, dass man den Fußball als gesellschaftliches Ereignis beinahe lächerlich macht.“
In der Tat wird der Wiederanpfiff der Spiele zu einer Gratwanderung. Auf der einen Seite dient der Fußball als Balsam und herbeigesehnte Abwechslung für viele. Mit rund 47,3 Millionen Personen sind mehr als die Hälfte der Personen in Deutschland Fußball-Fans, was bedeutet, dass sie sich für mindestens einen Verein der deutschen Bundesliga interessieren.
Auf der anderen Seite lauert die Gefahr der Verbreitung des Virus, dessen Ausbreitung man im Griff zu haben meint. Und man muss vor allem eines: seiner Vorreiter-Rolle gerecht werden, die ein Privileg ist. In Hinblick darauf hat es bereits in der Vorbereitung auf die Spiele die ersten Fehltritte gegeben. Wie etwa jenen des Berliner Stürmers Salomon Kalou, der mittels Live-Video aus der Mannschaftskabine der Welt zeigte, wie er Kameraden per Handschlag begrüßte und eine Diskussion seiner Mitspieler über Gehaltsverzicht an die Öffentlichkeit trug.
Der jüngste Zwischenfall kommt aus Augsburg: Ein Hygiene-Fauxpas zwingt Trainer Heiko Herrlich zu einer selbstauferlegten Zwangspause beim Heimspiel am Samstag gegen Wolfsburg. Das Hygiene-Konzept der Liga sieht vor, dass sich die Mannschaften sieben Tage vor dem Spiel in Quarantäne begeben. Der ehemalige Nationalstürmer hatte unter der Woche aber das isolierte Mannschaftshotel verlassen, um Zahnpasta und Hautcreme einzukaufen. „Ich bin meiner Vorbildfunktion gegenüber meiner Mannschaft und der Öffentlichkeit nicht gerecht geworden“, bedauerte Herrlich. Er setzt sich heute freiwillig auf die Tribüne, das Coaching übernimmt sein Assistent.
Zwischenfälle wie diese, zu denen auch das verbotene Mannschaftstraining des LASK (siehe Bericht unten, Anm.) gehört, wird sich der Fußball nicht im Überfluss leisten können, ohne selbst sein Image nachhaltig zu beschädigen. Denn so viele Anhänger und Sympathisanten der Fußball auch hat, so viele Neider aus anderen Sportarten oder etwa der Kulturbranche gibt es, die sich ob des Fußball-Privilegs benachteiligt fühlen. Die Situation kommt einer Prüfung nahe, der sich die Kicker-Branche unterziehen muss.
Wer seine sportlichen Hausaufgaben gemacht hat, zeigt sich ab 15.30 Uhr. Die Bayern gehen mit einem Vorsprung von vier Punkten auf Erzrivale Dortmund ins Rennen.
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