Abwanderungswelle: Warum Salzburg so viele Stars davonlaufen
Nun hat also auch Xaver Schlager Salzburg den Rücken gekehrt. Der 21-Jährige wechselt zum VfL Wolfsburg und unterzeichnete beim deutschen Europa-League-Teilnehmer einen Vier-Jahres-Vertrag.
Der Teamspieler ist der sechste Stammspieler, der Österreichs Serienmeister im letzten halben Jahr verlassen hat. Und das genau vor jener Saison, in der die Salzburger in der Ära Red Bull erstmals in der Champions League dabei sind.
Man zahlt jetzt die Zeche für den Sommer 2018. Damals waren – mit zwei Ausnahmen (Valon Berisha, Duje Caleta-Car) – alle Stammspieler gehalten worden. Nur so konnte Marco Rose zum Bleiben überredet werden, mit dem Erfolgscoach sollte erstmals die Champions League erreicht werden.
Selbstfaller
Der Plan ging schief. Gegen Roter Stern Belgrad wurde in ein paar Sekunden ein 2:0-Vorsprung verspielt. Ohne Niederlage schieden die Salzburger in der Champions-League-Qualifikation aus – wie in zehn Versuchen zuvor. Trotzdem blieben auch danach alle Stammkräfte.
Spieler, die damals unbedingt gehen wollten, bekamen entweder die Zusage, dass sie beim nächsten lukrativen Angebot Salzburg verlassen dürfen oder, wenn sie diese nicht eh schon hatten, eine Ausstiegsklausel.
Das begünstigte die größte ungeplante Fluchtbewegung in der 14-jährigen Ära Red Bull. Den Verantwortlichen sind die Hände gebunden. Sie können dem Treiben nur tatenlos zusehen.
Neben Trainer Rose (neuer Trainer bei Gladbach) sind auch Munas Dabbur (zum FC Sevilla), Stefan Lainer (zu Gladbach), Hannes Wolf, Amadou Haidara (beide zu Leipzig) und Fredrik Gulbrandsen (zu Basaksehir) abgewandert. Am Mittwoch kam noch Schlager dazu.
Und es könnte sein, dass weitere Stammspieler folgen: Ein Abgang von Diadie Samassékou, der derzeit beim Afrika Cup mit Mali glänzt, würde nicht überraschen. Marin Pongracic soll sich mit Abwanderungsgedanken herumschlagen.
Ein Grund zum Bleiben ist die Champions-League-Teilnahme keine. Das lässt sich jetzt schon feststellen, obwohl so gut wie jeder Salzburg-Spieler irgendwann einmal Europas Eliteliga als großes Ziel angegeben hat.
Dass einige Abgänger zu Vereinen gegangen sind, die nur in der Europa League spielen werden (wie schon regelmäßig im Salzburg-Dress), zeigt, dass das Kräftemessen in der Liga der ganz Großen doch nicht so wichtig ist wie das gerne und auch oft vermittelt wurde.
Gut, es wären ja mit Salzburg wahrscheinlich auch nur sechs Champions-League-Spiele geworden, während in Österreichs Bundesliga 32 Partien gegen Gegner wie Hartberg, Admira oder Mattersburg in Kleinstadien vor leeren Tribünen warten. Besonders attraktiv sind diese Spiele sicher nicht.
Der Standort war schon immer ein Nachteil. Konnten früher viele 25-, 26-Jährige, die man gerne gehabt hätte, nicht von einem Wechsel nach Österreich überzeugt werden, können jetzt die meisten Leistungsträger nach zwei, drei Jahren nicht mehr gehalten werden.
Das hat auch finanzielle Gründe. Die Gehälter in Salzburg sind zwar für österreichische Verhältnisse exorbitant hoch, aber selbst Klubs aus dem deutschen Mittelstand zahlen deutlich mehr. Und moderne Stadien, die mit 30.000 oder meist noch mehr Zuschauern gefüllt sind, gibt es auch nur in Europas Topligen.
Finanziell profitiert Salzburg von der Abgangswelle. Gut 75 Millionen an Ablösen wurden zuletzt in die sowieso schon volle Vereinskasse gespült. Selbst hält sich Österreichs Meister bisher auf dem Transfermarkt vornehm zurück. Die Abgänge werden alle intern ersetzt, wohl auch, weil Spieler mit Champions-League-Niveau, die Salzburg sofort weiterhelfen würden, die noch dazu bereits Erfahrung mit der Red-Bull-Spielweise haben, sich nur ganz schwer nach Österreich locken lassen.
Die Kaderquantität ist allerdings sowieso riesig, Qualität ist ebenfalls genügend da. Ob die Abgänge wirklich alle ohne externe Zugänge adäquat aufgefangen werden können, wird sich allerdings erst zeigen. Der neue Trainer, der Amerikaner Jesse Marsch, steht jedenfalls vor einer schwierigen Aufgabe. Die Erwartungshaltung wird trotz des Totalumbaus extrem hoch sein.
Neuanfang
Denn allzu viel Vorarbeit hat sein Vorgänger nicht geleistet. Rose hatte seinen Stamm, auf den er setzte, um von Erfolg zu Erfolg zu eilen. Das kann man ihm natürlich nicht vorwerfen. Aber jene Spieler, die vergangene Saison in der zweiten Reihe standen und nun die Abgänge kompensieren müssen, spielten selten bis nie.
Ein neues Team kann sich erst diesen Sommer finden – und das nicht das erste Mal. Jetzt ist aber mehr Zeit als in den vergangenen Jahren, fallen doch die Europacup-Qualispiele unter der Woche erstmals seit 2006 weg.
Auf Salzburg wartet jedenfalls ein Neuanfang und die vielleicht spannendste Saison der Ära Red Bull.
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