Schweizer Medien: Fußball-WM-Gastgeber Katar hat die FIFA ausspioniert

Es geht um Geld und Ehre: Katar kämpft mit allen Mitteln um seine WM
Recherchen des Schweizer Rundfunks SRF zeigen: Das Gastgeberland hat über Jahre Funktionäre bespitzelt und dafür Millionen ausgegeben.

Die Bombe platzte am Mittwochmorgen: WM-Gastgeber Katar hat laut Recherchen des Schweizer Rundfunks SRF seit 2012 Hunderte Millionen Dollar ausgegeben, um unter anderem mit Hilfe früherer Agenten des US-Geheimdienstes CIA Funktionäre des Fußball-Weltverbandes FIFA auszuspionieren. Das Budget allein einer Operation habe bei 387 Millionen Dollar gelegen, mindestens 66 Agenten seien involviert gewesen. Ziel des Unternehmens: den Entzug der WM 2022 nach der Vergabe anno 2010 zu verhindern.

Auftragnehmer war die US-Firma Global Risk Advisors mit ihrem Chef Kevin Chalker, selbst ein früherer Agent der Central Intelligence Agency. Der Amerikaner bestritt auf Anfrage sämtliche Vorwürfe, Katar äußerte sich nicht zum Thema.

Attacke auf Blatters rechte Hand

Belegt sind unter anderem Cyberangriffe auf den Schweizer Peter Hargitay, beginnend am 5. Jänner 2012. Der Berater des damaligen FIFA-Präsidenten Joseph S. Blatter, laut SRF "einflussreicher Strippenzieher hinter den Kulissen" des Fußball-Weltverbandes, war später für den australischen Verband tätig und hätte helfen sollen, die WM 2022 nach Down Under zu bringen; Spuren der Hacker-Angriffe führen zu einer indischen Internet-Firma, die auch gegen Personen in anderen Ländern vorging.

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Milliardär, australischer Fußball-Präsident, Zielobjekt: Frank Lowy

Projekt Uhrwerk

Dokumente der US-Spionagefirma Global Risk Advisors enthalten unter anderem "Projekt Uhrwerk: Operationskonzept" vom Dezember 2011. Ziel war eine Rufmordkampagne: Belastendes Material zu Peter Hargitay und Australiens Fußball-Präsident Frank Lowy sollte gesammelt und der US-Bundespolizei FBI zugespielt werden. Lowy war ein Gegner der WM in der Wüste.

Bereits vor der Vergabe der WM im Jahr 2010 war Global Risk Advisors aktiv. Zunächst, um die Konkurrenten auszuspionieren, danach - als Vorwürfe wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen laut wurden - sollte der Entzug der WM verhindert werden.

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Staatsmann: Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani beklagt "eine beispiellose Kampagne" gegen sein Land

Projekt Gnadenlos

Im September 2013 startete das nächste Unternehmen. "Projekt Gnadenlos" sollte 387 Millionen Dollar kosten und sich "gegen lautstarke Kritiker innerhalb der FIFA-Organisation richten". Das Ziel: "die Rolle Katars in Operationen zu verbergen und gleichzeitig Technologie sowie menschliche Aufklärung einzusetzen (...), um die öffentliche Meinung zu manipulieren". Laut SRF vorliegenden Dokumenten soll der damalige Thronfolger und heutige Emir Tamim bin Hamad Al Thani vor der WM-Vergabe persönlich die Beschaffung von detaillierten Anruf- und SMS-Listen von mehreren Mitgliedern des Fifa-Exekutivkomitees in Auftrag gegeben haben.

Inzwischen ermittelt laut Associated Press auch die US-Bundespolizei FBI gegen Kevin Chalkers Firma. Untersucht werden mögliche Gesetzesbrüche im Bereich Lobbying und Export von sensibler Technologie und Chalkers Überwachungsaktivitäten im Auftrag Katars. Diese spielten sich vor allem auch in der Schweiz ab. Chalker soll Hotelzimmer von Mitgliedern des FIFA-Exekutivkomitees und Journalisten verwanzt haben, es gibt verdeckt aufgenommene Fotos der Personen.

Ins Visier von Hackern gerieten auch Sunil Gulati, der Präsident des US-Fußballverbandes, und der Internationale Gewerkschaftsbund ITUC.

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Im Visier: Theo Zwanziger

Projekt Flussbett

Auch Theo Zwanziger, der frühere Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, war ein Zielobjekt. So soll versucht worden sein, seine kritische Meinung zur WM in Katar zu beeinflussen: Er wurde FIFA-intern auf Linie gebracht, wie er in einem Interview mit SRF sagt. Er leitete eine Arbeitsgruppe, die mehr Menschenrechte, dafür weniger Kritik an Katar durchsetzte. Der Deutsche war den Auftraggebern so wichtig, dass für ihn eigens das "Projekt Flussbett" geschaffen wurde. Volumen: zehn Millionen Dollar.

"Was sie jedoch unterschätzt haben ist, dass ich dabei meine Meinung nicht aufgegeben habe. Diese Vergabe war – wie ich es mal formuliert hatte – ein Krebsgeschwür des Weltfußballs. Von da aus kamen viele Strömungen, die den weltweiten Fußball beschädigt haben. Krebsgeschwür: Diese Meinung habe ich noch heute", sagt Zwanziger im Interview mit SRF.

Und nun? Er sieht die FIFA in der Pflicht. "Das ist ein solcher Skandal. Den müssten die aufgreifen, die verantwortlich sind. FIFA-Präsident Infantino als allererster. Aber der macht das natürlich nicht, weil er ein Vasall von Katar ist."

Ob Gianni Infantino ein Vasall Katars ist, sei dahingestellt. Sicher ist, dass er seit Oktober 2021 einen Zweitwohnsitz in Doha hat.

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