Offensiv wussten die Salzburger schon vor Jahren zu überzeugen, das Problem war lange Zeit die Defensive. Die war in der Liga unter-, international jedoch überfordert. Sicher ein Hauptgrund, warum Salzburg im Konzert der Großen lange nur Zuschauer war. Dort endlich doch angekommen, verliefen die ersten beiden Jahre nicht nach Wunsch. In der Saison 2019/’20 erzielte man zwar 16 Tore, kassierte aber 13. Im Jahr darauf schloss man die Gruppenphase mit 10:17 Toren ab. Dann übernahm Trainer Matthias Jaissle das Traineramt, ein gelernter Innenverteidiger.
Dessen Input, gepaart mit etwas Losglück, brachte Salzburg erstmals in die K.-o.-Phase der Königsklasse. Die Defensive wirkte stabiler, wenngleich sie gegen Lille, Wolfsburg und Sevilla selten voll gefordert wurde. Die Salzburger überzeugten mit jugendlicher Unbekümmertheit, dem gewohnten Power-Offensiv-Fußball und hatten mit Karim Adeyemi einen Stürmer, der vor allem in der ersten Saisonhälfte nicht zu stoppen war. Am Ende ging es mit acht erzielten Treffern ins Achtelfinale, erhalten hat man nur sechs.
In dieser Saison erfolgte der nächste Schritt – erzwungenermaßen. Mit Chelsea und Milan bekam Salzburg Gegner mit noch mehr Qualität zugelost. Das typische Pressing allein war zu wenig, um zu bestehen. Gerade gegen Chelsea tat man sich schwer, überhaupt in diese Situationen hineinzufinden. Die Folge: Salzburg musste sich nicht komplett neu erfinden, aber doch neue Tugenden entwickeln.
Plötzlich stehen nicht mehr Offensivspieler wie Adeyemi oder einst Haaland im Fokus. Vielmehr sind es Akteure wie Abwehrchef Solet (Einsatz in Mailand wegen Oberschenkelproblemen fraglich), Innenverteidiger Pavlovic oder zuletzt Tormann Köhn, die im Mittelpunkt stehen. Salzburg punktete auch dank leidenschaftlicher Abwehrleistungen auf höchstem Niveau. Vor dem "Finale" von Mailand hält Salzburg bei einem Torverhältnis von 5:5. Nur Manchester City, die Bayern, Chelsea, Napoli, Brügge und Dortmund haben weniger Gegentore erhalten.
Gegen Milan wird es wieder darauf ankommen, wie man die Offensivstars des italienischen Meisters stoppen kann. So wartet auf Rechtsverteidiger Amar Dedic ein Kräftemessen mit Topstar Rafael Leão. "Das wird ein anstrengendes Spiel", blickt der 20-Jährige voraus, "und ein gutes Duell zwischen ihm und mir."
Dass Salzburg einen Sieg für den Aufstieg braucht, stört Trainer Jaissle nicht: "Das spielt für unsere Herangehensweise eine untergeordnete Rolle. Der Druck lastet auf Milan, sie sind der Favorit." Im Hinspiel hatte das hohe Pressing den Mailändern Probleme bereitet. Dieser Plan bleibe als "Basis unseres Fußballs" auch in San Siro erhalten, sagt Jaissle. Nachsatz: "Wir werden aber auch andere Pläne in petto haben."
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