"Damals der junge Fuchs, heute der alte Hase"

"Damals der junge Fuchs, heute der alte Hase"
Christian Fuchs flog vor der EM einmal um die ganze Welt und erinnert sich an die Heim-EM vor acht Jahren.

Mit knapp 30 Jahren ist Christian Fuchs auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Er wurde mit Leicester City englischer Meister und spielt ab Dienstag bei der EM.

KURIER: Wie viel Zeit nach dem letzten Meisterschaftsspiel mit Leicester am 15. Mai haben Sie mit Ihrer Familie verbracht?

Christian Fuchs: Seit dem letzten Heimspiel bis es dann zur EURO-Vorbereitung in die Schweiz gegangen ist, habe ich drei Tage mit meiner Frau und meinen beiden Burschen verbringen können. Nicht gerade viel, aber die EURO ist mir sehr wichtig, und da will ich noch einmal alles für Österreich geben. Nach der EURO bleibt doch auch noch ein wenig Zeit, um Familienvater zu sein.

Was ist nach dem Titelgewinn mit Leicester über Sie hereingebrochen?

Sehr, sehr viel. Von vier Medienterminen pro Tag in der ersten Woche nach dem Titelgewinn bis hin zu einer Open-Bus-Tour durch Leicester mit Zigtausenden Fans, dasselbe in Bangkok bis hin zu ein wenig Ruhezeit in New York mit meiner Familie. Im Prinzip war es eine sehr aufregende Zeit, in der ich auch einmal um die Welt geflogen bin. Ich war ungefähr 40 Stunden in Thailand. Genau so lange, wie ich die Flüge davor und danach in der Luft war.

Was war in Bangkok los?

Es war wie ein zweites Leicester. Die Thailänder empfinden, dass sie den Titel gewonnen haben, weil unsere Besitzer aus Thailand kommen und Leicester und die Premier League sehr populär sind. Es waren auch dort bei der Open-Bus-Tour 250.000 Menschen auf der Straße, um mit uns zu feiern. Echt genial!

Wie kommt man nach so einem emotionalen Marathon wieder runter auf den Boden?

Ach, das geht bei mir ganz schnell. So schön dieser Moment auch ist, so schnell ist er auch schon wieder Vergangenheit. Ich bin sehr stolz auf die Leistung mit Leicester, aber genauso wichtig ist jetzt die EURO für mich.

Was kann man den Teamspielern aus der Saison mit Leicester mitgeben?

Viele Leute haben aus der Saison Lehren gezogen. Leicester ist ein Vorbild für jeden, nicht nur im Fußball. Wir haben bewiesen, dass man mit vollem Einsatz, absolutem Willen und Glauben an sich selbst Berge versetzen kann.

Wie kann man einen Spannungsbogen aufbauen?

Für die richtige Motivation und Spannung braucht man keine Extraschichten einschieben. Und vor allem nichts künstlich erzeugen. Wir werden am 14. Juli topmotiviert und vorbereitet in die EURO starten.

Was sagen Sie zu den Vorbereitungsspielen?

Die werden immer überbewertet. Vor allem gegen die Niederlande haben wir ein gutes Spiel gemacht und durch zwei dumme und unglückliche Gegentore verloren. Auch in der Offensive konnten wir aus unseren zahlreichen Chancen kein Kapital schlagen. Ich würde mir allerdings von den Medien mehr Unterstützung als Panikmache wünschen.

Sie sind bekannt dafür, auf verschiedenen Social-Media-Kanälen Ihre Fans zu bedienen. Was kann man da während der EM erwarten? Gibt es Vorgaben der Teamführung?

Wir haben ein paar Einschränkungen, die wichtig sind und die ich gut finde. Aber im Großen und Ganzen kann mir niemand vorschreiben, wie ich meine Social-Media-Kanäle zu pflegen habe. Man muss trotz aller Limits authentisch bleiben – und das werde ich.

Sie sind einer der wenigen, die schon 2008 bei der EM im eigenen Land dabei waren. Was ist in der Vorbereitung und im Verhalten von Spielern und Betreuern anders?

Ich muss ehrlich sagen, die Qualität und der Anspruch von jedem einzelnen in unserem Team ist auf einem anderen Level als damals. Wir sind Spieler, die bei Klubs auf Topniveau spielen und Leistungsträger bei ihren Vereinen sind. Wir haben auch nicht nur einen Meister, sondern diesmal gleich vier aus vier verschiedenen Ligen in unseren Reihen.

Merken Sie, dass Sie einer der Älteren sind? Vor 2008 waren Sie auf dem Cover von "Men’s Health". Jetzt werben Sie für Omas Apfelstrudel oder singen zu "Pippi Langstrumpf".

Dass ich nicht jünger werde, weiß ich. Alt fühle ich mich aber noch lange nicht. Ich habe in diesem Jahr einfach eine andere Seite an mir selbst entdeckt, die schon in mir geschlummert hat und jetzt in der Zeit bei Leicester durchgebrochen ist. Ich habe Spaß bei allem, was ich mache. Ich denke, das sieht man vor allem an meinen "#NoFuchsGiven"-Videos, bei denen ich unseren Fans bei Leicester und auch in Österreich einen kleinen Blick hinter die Kulissen verschaffen möchte.

Wie hat sich Ihre Situation zwischen 2008 und 2016 geändert? Gehen Sie als Kapitän gelassener ins Turnier?

Es geht nicht um die Position des Kapitäns, die einen gelassener in ein Turnier gehen lässt. Ich bin einfach in den letzten acht Jahren sehr gereift. Damals der junge Fuchs, heute der alte Hase – ein nettes Wortspiel.

Sie sind einer der wenigen, die schon gegen Cristiano Ronaldo gespielt haben, damals mit Schalke. Wie verhält er sich? Und vor allem: Wie spielt man gegen ihn?

Die Frage nach einer Formel ist hier hinfällig. Man kann Weltklassespieler dieses Kalibers nicht zu hundert Prozent ausschalten. Ein Moment reicht, und sie entscheiden ein Spiel. Wir werden natürlich alles probieren und sehr konzentriert auftreten, um möglichst wenige Fehler zu machen. Ich freue mich auf die drei Gruppenspiele.

Wie sehr haben Sie sich schon mit den Gegnern befasst?

Bis dato eigentlich noch gar nicht. Wenn du eine Woche vor dem Spiel über einen Gegner redest, weißt du die Details zwei Tage später nicht mehr. Je näher die Besprechung zum Spiel, desto frischer die Gedanken und das Know-how. Für mich persönlich sind die Besprechungen am Spieltag die wichtigsten.

Haben Sie und Ihre Mitspieler sich ausverhandelt, dass die Familien kommen dürfen, wenn die Gruppenphase überstanden wird?

Bei uns werden keine Gedanken an das Weiterkommen verschwendet. Zunächst mal die Arbeit vor der Kür erledigen. Das Reden geht dann immer schnell.

Die Karriere

Der Niederösterreicher wurde am 7. April 1986 in Neunkirchen geboren und wuchs in Pitten auf. Er spielte im Nachwuchs in Pitten, danach in der 1. Landesliga bei Wiener Neustadt. 2003 wechselte er zum damaligen Bundesliga-Aufsteiger Mattersburg. 2008 ging er zu Bochum, 2010 für ein Jahr nach Mainz, 2011 zu Schalke. Im Sommer 2015 kam er zu Leicester.

Er spielte bislang 75-mal im Nationalteam.

Der Privatier

Seine erste Ehe dauerte von 2007 bis 2012. In zweiter Ehe hat er mit Raluca Gold-Fuchs zwei Söhne, Ethan und Anthony. Die vier leben in Manhattan, New York. Unter dem Namen "Fox Soccer Academy" macht er Fußballcamps. Mit Ben Weisfeld hat er die Agentur "NFG 11" gegründet.

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